Eileen Woestmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Es wurde sehr viel von dem, was auf meinem Sprechzettel steht, schon gesagt. Ich glaube, die zentrale Botschaft lautet: Junge Menschen abzuwerben – egal, aus welchem Land –, ist nie eine gute Idee. Angesichts der Lage in Ostdeutschland, wo wir schon jetzt eine große Zahl an Abwanderungen sehen – es gibt eine Überalterung der Bevölkerung und vor allem einen Bevölkerungsrückgang –, ist es unser gesamtdeutsches Interesse, den Osten zu stärken, und zwar auch aus einer die Demokratie sichernden Perspektive.
Wenn wir jetzt anfangen, gezielt Fachkräfte aus dem Osten abzuwerben, verschärfen wir dort das demografische Problem. Wir sollten bei der Frage nach Fachkräften hier in Deutschland Regionen nicht gegeneinander ausspielen. Das könnte zwar unter Umständen hier Probleme lösen, aber es schafft neue im Osten.
Außerdem wird eine persönliche Ebene der Fachkräfte bei diesem Antrag wenig mitgedacht: Wer Interesse hat, hier in Nordrhein-Westfalen zu arbeiten, der wird Wege finden, hier auch einen Job zu finden. Ich kann das aus persönlicher Erfahrung bestätigen. Ich bin aus dem Süden von Deutschland hier nach Nordrhein-Westfalen gekommen, weil ich Nordrhein-Westfalen gut, toll und vor allem lebenswert finde.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aber man kann sich auch vorstellen, dass es Menschen im Osten gibt, die dort nicht nur gerne arbeiten, sondern vor allem gerne leben. Dementsprechend stellt sich die Frage: Wie können wir mehr Fachkräfte anwerben? Ich glaube, die Kampagne #WTFuture hatte noch nie so viel Redezeit während eines Plenartags wie heute. Herr Brüntrup hat gerade schon das zweite oder dritte Mal darauf hingewiesen, und ich erzähle jetzt auch gerne noch etwas dazu. Die Kampagne ist sehr präsent, um junge Menschen zu erreichen und sie für dieses Berufsfeld anzuwerben. Sie ist übersichtlich, und Informationen dazu gibt es nicht nur digital, sondern inzwischen auch als Postkarte und als Plakat. Man kann es also auch in Einrichtungen aufhängen.
Aber die große Herausforderung besteht darin, dass es nicht nur einen Fachkräftemangel im Sozial- und Erziehungsdienst gibt, sondern junge Menschen sich in allen Bereichen ihre Jobs aussuchen können. Das ist gut für junge Menschen, weil sie damit eine gewisse Auswahl haben, für uns im Sozial- und Erziehungsdienst ist es aber eine Herausforderung, weil wir damit sehr mit anderen Branchen konkurrieren. Nichtsdestotrotz ist der Beruf der Erzieherin der zweitstärkste Ausbildungsberuf in Nordrhein-Westfalen, und das ist eine gute Nachricht.
Die Frage, wie wir ausländische Fachkräfte besser einbinden können, ist mit dem anabin-Erlass erleichtert worden. Es gab diese Woche die Meldung über die dpa, dass in Nordrhein-Westfalen ein Plus von 20 % an ausländischen Abschlüssen anerkannt wurde. Das ist eine gute Nachricht und zeigt, dass es ein Interesse gibt, hier zu arbeiten.
Nichtsdestotrotz gehört zur Wahrheit auch dazu, dass viele Fachkräfte aus dem Ausland, die sogenannten Expats, angeben, dass sie sich in Deutschland nur bedingt wohlfühlen. Das ist vor allem in der großen Hürde der Bürokratie begründet, und die Sprache ist nicht so einfach zu erlernen.
Aber zur Wahrheit gehört auch, dass es immer wieder die Rückmeldung von Expats gibt, dass wir Deutsche als unfreundlich gelten und wir vor allem ein Rassismusproblem haben, weswegen ausländische Menschen nur bedingt gerne nach Deutschland kommen. Ich finde, da könnten wir als Gesellschaft auch ansetzen und zeigen, dass wir nicht nur während Weltmeisterschaften im eigenen Land freundlich sind, sondern immer. Ich nehme es so wahr, dass es gerade in Nordrhein-Westfalen sehr viele sehr freundliche Menschen gibt.
Wir stimmen der Überweisung selbstverständlich zu, sind auf die Debatte im Fachausschuss gespannt und gucken mal, was dabei noch rumkommt. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
