Wir planen in NRW einen großen Wurf für die Organisation des Schienenpersonennahverkehrs: Aus drei mach eins. Die Organisation des S-Bahn- und Regionalverkehrs wird zusammengeführt. Bisher sind mit dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), dem Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) und go.Rheinland drei Organisationen zuständig. Dies ist angesichts der großen Herausforderungen, vor dem der Schienenpersonennahverkehr in NRW steht, nicht mehr zeitgemäß und ineffektiv. Die Strukturreform wird dabei helfen, dass wir diese Herausforderungen künftig mit neuer Schlagkraft angehen können.
Hier geben wir einen Überblick zu den wichtigsten Fragen zum Thema:
Wie wird der Schienenpersonennahverkehr in NRW derzeit organisiert?
Für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) in NRW sind nach dem ÖPNV-Gesetz NRW die Kommunen zuständig. Sie haben sich zu Zweckverbänden (Aufgabenträgerorganisationen) zusammengeschlossen und entscheiden über die Planung, Organisation und Ausgestaltung des SPNV. Dazu gehören beispielsweise die Erstellung von regionalen Nahverkehrsplänen oder die Beschaffung von S-Bahnen. Derzeit gibt es drei regionale Zweckverbände, den Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) im Münsterland, Ostwestfalen und Lippe, den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) mit dem Ruhrgebiet und dem Niederrhein sowie go.Rheinland im südlichen Rheinland und Aachen.
Finanziert werden die Zweckverbände und ihre Aufgaben aus Regionalisierungsmitteln, die u.a. auch als SPNV-Pauschalen an die Aufgabenträgerorganisationen bereitgestellt werden. Die Regionalisierungsmittel erhalten alle Bundesländer vom Bund.
Warum soll sich diese Struktur ändern?
Im Fokus des Prozesses steht, die Situation für die Fahrgäste zu verbessern. Die meisten Nahverkehrszüge und S-Bahnen fahren durch die Gebiete mehrerer Zweckverbände, d.h. alle Veränderungen zum Beispiel im Fahrplan, neue Zugmodelle oder Ausstattung in den Zügen müssen jedes Mal zwischen den Verbänden abgestimmt werden. Hinzu kommen jeweils drei Entscheidungsgremien, in denen die Kommunen vertreten sind, drei komplette Verwaltungseinheiten, drei Abrechnungssysteme etc. Dies ist ineffektiv und wenig transparent.
Auch sind Taktung oder Bahnsteighöhen in NRW nicht einheitlich geregelt.
Was soll sich ändern?
Die Entscheidung über die Planung, Organisation und Ausgestaltung des SPNV – wie Ausschreibung, Vergabe, Controlling oder die Beschaffung von Fahrzeugen – sollen in einer Gesellschaft zusammengeführt werden.
Favorisiert wird dabei das sogenannte Fusionsmodell in kommunaler Trägerschaft, d.h. die Kompetenzen der drei regionalen Zweckverbände werden zu einer landesweiten Organisation zusammengeführt, die weiterhin in der Hand der Kommunen liegt. So wird der SPNV künftig für ganz NRW aus einer Hand gestaltet – wobei die Belange der Einzelregionen auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden.
Davon unberührt bleiben Planung und Betrieb von U- und Straßenbahnen sowie der Busverkehr, die weiterhin in der direkten Verantwortung der Kommunen liegen. Wie der kommunale ÖPNV gestaltet wird, ist vor Ort mit der lokalen Expertise bereits gut aufgehoben.
Was hätte das für Vorteile?
Durch die Bündelung von Personal und Kompetenzen in einer Gesellschaft kann eine einheitliche und effizientere Organisation erreicht werden, so dass derzeit parallel stattfindende Vorgänge reduziert, Verwaltungskosten verringert und zeitraubende Abstimmungsbedarfe entfallen könnten.
Es könnte bspw. auch nicht mehr drei, sondern ein Nahverkehrsplan aufgestellt werden, in dem Ziele und einheitliche Vorgaben für den SPNV für ganz NRW festgeschrieben würden, so z.B. auch Bahnsteighöhen, Grundtakte, Anforderungen an Fahrzeuge (einschließlich der Farbgestaltung), u.v.m.
Es gibt dann ein Finanzcontrolling. Es wird ein einheitliches Vorgehen für die Fahrgeldeinnahmen geben, was heute nicht der Fall ist. Gerade in Zeiten knapper Mittel ist es wichtig, schnell zu wissen, wie viel Geld in Verträgen gebunden ist oder aufgrund nicht erbrachter Leistungen einbehalten wurde und somit noch zur Verfügung steht, wie lange das Geld für die bestehenden Angebote ausreicht und somit letztlich auch, ob noch Geld für weitere Angebote zur Verfügung steht.
Derzeit verhandelt jeder der drei Aufgabenträger mit der DB InfraGO AG auch über Instandhaltung und Ausbau von Eisenbahnstrecken und Bahnhöfen im jeweiligen Verbundgebiet. Zukünftig lassen sich durch die Zusammenführung auch Projekte, die über heutige Verbundgrenzen hinausgehen, in einem Förderprojekt und in der Realisierung in einem Bauprojekt abbilden. Damit werden die Antragsvolumen dort größer. Es können mehr Fördermittel auch vom Bund eingeworben werden. Insgesamt wird die Verhandlungsposition gegenüber der DB InfraGO AG gestärkt.
Die Aufstellung des „robusten Fahrplans“ hat gezeigt, dass die Abstimmungen zwischen den drei Aufgabenträgergesellschaften kompliziert sind. Solche Verfahren werden deutlich abgekürzt, weil dann linienweise die Umlauf- und Werkstattpläne auch über die Verbundgrenzen hinaus betrachtet werden können, um auf dieser Basis schnell zu ermitteln, wo Einzelfahrten oder Umläufe herausgenommen werden können. Das Personal arbeitet dann in einer Abteilung, sodass Entscheidungen nicht zwischen verschiedenen Führungsstrukturen abgestimmt und von verschiedenen Gremien bestätigt werden müssen.
NRW ist einer der größten Nahverkehrsmärkte in Europa, dementsprechend werden hier Zugleistungen mit Verträgen in Milliardenhöhe über lange Zeiträume ausgeschrieben und somit sehr attraktive Verträge vergeben. Um auf dem Markt entsprechend agieren zu können, soll eine große Organisation alle Kompetenzen bündeln. Derzeit teilen wir den Markt in drei Bereiche auf, wobei Ausschreibungen und Verträge nicht immer identisch sind.
Was bedeutet das für die Mitarbeiter*innen?
Die Fachkräfte in den heutigen Organisationen sind von zentraler Bedeutung für einen gelingenden SPNV. Alle Mitarbeitenden werden mit ihrer wertvollen Expertise auch zukünftig gebraucht.
Wie kann das Land mehr steuern, wenn es doch keine Landeseisenbahngesellschaft in Trägerschaft des Landes gibt?
Durch die Zusammenführung der drei Aufgabenträger arbeitet das Land künftig mit einer Organisation zusammen. Es gibt dann einen Wirtschaftsplan und ein Controlling – das führt auch zu deutlich mehr Transparenz.
Das Land kann im begrenzten Maße Zielvorgaben für die Verwendung der SPNV-Pauschale machen. Für diese Vorgaben ist dann ein Teil der Regionalisierungsmittel zwingend und prioritär zu verwenden, weil somit eine Konnexität ausgelöst wird. Das einheitliche Controlling würde sicherstellen, dass das Geld für die bestimmten Zwecke eingesetzt wird und landesweit dafür zur Verfügung steht.
Klar ist auch, dass die wichtige Arbeit der landesweit agierenden Kompetenzcenter Digitalisierung, Marketing, Sicherheit und integraler Taktfahrplan sowie das Zukunftsnetz Mobilität bestehen bleiben.
Wie sieht die Gesellschaft dann aus? Wer steuert sie?
Es soll eine schlankere Gremien- und Entscheidungsstruktur als in den derzeitigen Zweckverbänden erreicht werden. Ziel ist es, effektivere Beschlussfassungen zu ermöglichen, ohne die regionalen Interessen aus dem Blick zu verlieren.
Diese Reform ermöglicht schnellere Planungen und Problemlösungen aus einem Guss, schlankere Führungsstrukturen und eine Vereinfachung der Abstimmungen, wie sie bis jetzt z.B. an den Grenzen der Zuständigkeitsbereiche anfallen. So erreichen wir mittelfristig eine gute SPNV-Qualität für alle Menschen in NRW.
Wie geht es jetzt weiter?
Zunächst sind noch offene Fragen zu klären, wie beispielsweise zur Rechtsform der neuen Organisation, zur Gestaltung des Personalübergangs oder wie die Entscheidungsgremien der Aufgabenträgerorganisation besetzt werden.
Das Verkehrsministerium erarbeitet nun in Zusammenarbeit mit den drei heutigen Aufgabenträgern und den kommunalen Spitzenverbänden die genauen Modalitäten.
Geplant ist, dass die für die Strukturreform notwendigen Änderungen des ÖPNV-Gesetzes (ÖPNVG-NRW) so früh wie möglich dieses Jahr eingebracht werden. Mit der Konstitution der neuen kommunalen Räte und Kreistage am 1. November 2025 muss Klarheit bestehen, wie der Übergang von der heutigen Struktur zur zukünftigen Struktur erfolgen wird.
Das Thema wurde in der letzten Sitzung des Verkehrsausschusses behandelt. Den Bericht „SPNV in NRW – Strukturreform der Aufgabenträger“ des Verkehrsministeriums für den Ausschuss gibt es hier.