Gönül Eğlence: „Es geht eigentlich um Schutzlücken, die da eben noch nicht bedacht werden“

Zum Antrag der SPD-Fraktion für ein Antidiskriminierungsgesetz

Portrait Gönül Eglence

Gönül Eğlence (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Herr Baran, bevor ich den Antrag bewerte, sage ich kurz ein, zwei Sätze.

Es ist der Black History Month. Deswegen fand ich diesen Antrag sehr passend, um einmal zu schauen, wie es eigentlich der Schwarzen Community in Deutschland geht. Man kann gut in den Afrozensus reinschauen, in dem es um Anti-Schwarzen Rassismus geht.

56 % der Befragten geben an, dass sie bereits anlasslos von der Polizei kontrolliert wurden. Zwei Drittel der Befragten haben erlebt, dass sie in der Schule oder in der Universität bei gleicher Leistung schlechter bewertet wurden.

Es gibt noch eine weitere Studie, „Being Black in the EU“, wonach schwarze, afrikanische und afrodiasporische Menschen besonders oft in Deutschland Rassismus erleben. Mehr als 70 % der Befragten haben angegeben, dass sie diskriminiert wurden. Ich finde, das ist alarmierend; das sind schlimme Zahlen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

– Danke schön. – Nun zu Ihrem Antrag. In der Tat, Ihre Idee ist gut, und auch inhaltlich ist der Antrag wirklich gut.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das will ich kurz attestieren.

In Ihren Beispielen haben Sie sich allerdings vor allem auf Punkte bezogen, die über das AGG, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, abgedeckt werden. Es geht aber eigentlich um Schutzlücken, die da eben noch nicht bedacht werden. Dazu komme ich gleich.

Das AGG – das ist auch für uns nicht uninteressant – muss ja auch weiterentwickelt werden. Die Unabhängige Bundesbeauftragte hat 19 Maßnahmen vorgestellt, die sie zur Weiterentwicklung des AGG angeregt. Die zukünftige Bundesregierung wird sich dieser Sache hoffentlich annehmen und dort Besserung schaffen.

Zurück zu uns in den Landtag: Die grüne Landtagsfraktion hat 2021 – wenn ich mich richtig erinnere – ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, in dem sehr deutlich geworden ist, welche Schutzlücken noch existieren. Insbesondere bei der rassistischen Diskriminierung im Bildungsbereich haben wir große Lücken. In der Landesverfassung und im Landesgesetz sind bereits Schutzmechanismen verankert.

Die Gesetze decken aber nicht den gesamten Bereich der Antidiskriminierungsrichtlinie der EU ab. Das Gutachten von Professor Tischbirek zeigt sehr klar auf, dass besonders in den Bereichen, in denen das Land und nicht der Bund Regelungskompetenz hat, Lücken bestehen, insbesondere im Bildungsbereich – Kita, Schule, Hochschule, Weiterbildung –, aber auch in Landesbehörden.

Es fehlen außerdem eine genauere Definition von Diskriminierung und niedrigschwellige Entschädigungsansprüche. Insbesondere bei rassistischer Diskriminierung fehlen Regeln zur Beweiserleichterung etc. pp.

Nordrhein-Westfalen als Flächenland hat einen Anteil von fast 30 % von Menschen mit Migrationsbiografie. Diskriminierung ist ein alltägliches Phänomen, egal ob es sich dabei um Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion und/oder einer Behinderung handelt. All das ist für das gesellschaftliche Zusammenleben ein Pulverfass.

Betroffene müssen daher in die Lage versetzt werden, mit wirksamen Instrumenten gegen Diskriminierung vorgehen zu können. Tatsächlich wehrt sich laut Studien die Mehrheit der betroffenen Menschen nicht gegen Diskriminierung, zum Beispiel weil sie die gesetzliche Lage nicht kennt, Nachteile befürchtet und/oder es für gänzlich aussichtslos hält.

In NRW haben wir glücklicherweise bereits eine gute Beratungsinfrastruktur mit 42 Antidiskriminierungsstellen, einen vollumfänglichen Schutz können diese aber nicht gewährleisten. Ich verweise auf das, was Herr Nettekoven gerade gesagt hat: Wir arbeiten an einem Landesantidiskriminierungsgesetz. Ich freue mich auf konstruktive Beratungen im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von Volkan Baran [SPD] – Gönül Eğlence [GRÜNE]: Also ich finde, ich war schon sehr lobend unterwegs!)

Mehr zum Thema

Integration