Eileen Woestmann: „Wo war eigentlich die SPD bei der Einführung der Kindergrundsicherung?“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zu kostenloser Bildung

Portrait Eileen Woestmann

Eileen Woestmann (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Nach der Rede von Jochen Ott ist klar: Der Wahlkampfendspurt ist jetzt auch hier im Parlament angekommen. Allerdings bin ich mir sehr sicher, dass alle, die hier sitzen, schon entschieden haben, wen sie am Sonntag wählen werden.

(Kirsten Stich [SPD]: Das weiß man nicht!)

Deshalb würde es wahrscheinlich mehr Sinn machen, diese Position am Wahlkampfstand vorzutragen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich habe diesen Antrag gelesen, und ich habe Fragen. Meine erste Frage ist – und die habe ich gerade auch schon persönlich gestellt –: Wo war eigentlich die SPD bei der Einführung der Kindergrundsicherung? Ja, jetzt können Sie sagen: Lisa Paus hat es nicht auf die Kette bekommen. – Aber die Wahrheit ist doch, dass die Grünen mit dieser Forderung alleine im Bund standen und die SPD sich nicht an die Seite der Grünen gestellt hat, eine Kindergrundsicherung einzuführen, weil sie Sorge hatte – und das ist die ehrliche Antwort, die Sie gerade eben gefordert haben –, dass dieses wichtige sozialpolitische Projekt, das für Familien und Kinder in diesem Bundesland und in ganz Deutschland eine richtige Entlastung bedeutet hätte, mit den Grünen nach Hause geht und nicht mit der SPD.

(Beifall von den GRÜNEN – Jochen Ott [SPD]: Totaler Quatsch!)

Sie hätten sich dafür einsetzen können, und dann wäre eine wirklich wichtige zentrale Forderung für Kinder in diesem Land auch umsetzbar gewesen.

(Jochen Ott [SPD]: Faktencheck!)

Dann stelle ich mir die Frage, ob die SPD eigentlich Teil der Bundesregierung war, oder ob diese SPD auf Bundesebene eine andere SPD ist als die SPD, die hier im Parlament sitzt.

(Jochen Ott [SPD]: Faktencheck!)

Wieso haben Sie sich für die Punkte, für die Sie sich jetzt hier einsetzen und die Sie hier fordern, nicht eingesetzt, als Sie noch regiert haben? Wieso haben Sie sich nicht mit uns dafür eingesetzt, dass es eine Reform der Schuldenbremse gibt, sodass wir gemeinsam Dinge nach vorne bewegt hätten?

Es ist doch absolut richtig, dass der Bund, wenn er Gesetze beschließt, diese auch mitfinanziert und sich bei der Finanzierung in den Ländern beteiligt. Oder ist das nach Meinung der SPD jetzt eigentlich falsch?

Wo ich Ihnen sehr zustimmen würde, ist, dass der Bildungserfolg und die soziale Herkunft entkoppelt werden müssen. Es ist ein Erfolg, dass es in Nordrhein-Westfalen den schulscharfen Sozialindex gibt. Aber eigentlich ist es zu spät, erst in der Schule zu differenzieren, sodass nach den sozialen Kriterien die Schulen unterschiedlich viel Geld bekommen, denn Bildungskarrieren gehen doch nicht erst in der Schule auseinander, sondern bereits in der Kita und – wenn wir ehrlich sind – schon davor.

Genau deswegen setze ich mich dafür ein, dass es einen Kita-Sozialindex gibt, dass die besten Einrichtungen dort stehen, wo die Kinder am meisten benachteiligt sind, und wir nicht mehr Geld mit der Gießkanne verteilen, sondern es zielgerichtet einsetzen.

Die gute Nachricht ist: Genau daran wird hier in Nordrhein-Westfalen schon gearbeitet. Die Landesregierung hat angekündigt, die Familienzentren weiterzuentwickeln.

Kommen wir zu den Empfehlungen vom Bürgerrat. Das kostenlose Mittagessen für alle Kinder und Jugendliche ist eine zentrale Forderung. Die Frage ist, wie das Ganze finanziert werden soll. Auch dazu gibt es sehr klare Empfehlungen, nämlich durch eine Finanzierung durch Bund und Länder jeweils zur Hälfte.

(Bianca Winkelmann [CDU]: Genau!)

Der Vorschlag des Bürgerrats auf Bundesebene ist, dass kein Kindergeld mehr erhöht wird, sondern dass das Geld, das ohne Kindergelderhöhung frei wäre, lieber in gute Essensangebote gesteckt wird.

Jetzt muss man schauen, was die SPD zur letztjährigen Kindergelderhöhung gesagt hat. Sie haben sich dafür ausgesprochen, es mitgetragen und gefeiert und gesagt: Damit helfen wir armen Familien. –Kleiner Faktencheck: Wussten Sie, dass Kindergeld bei den Kindern, die am ärmsten sind, nämlich den Kindern, deren Eltern Bürgergeld bekommen, eben nicht steigt, weil das Kindergeld zu 100 % angerechnet wird?

(Zuruf von Dr. Dennis Maelzer [SPD])

Ich finde es ehrlicherweise auch seltsam, dass Sie sich jetzt im Antrag darüber echauffieren,

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Grünes bürgerliches Bildungskuckucksheim!)

dass die Maßnahmen noch nicht umgesetzt worden sind, wenn der Bund, auf dessen Geheiß diese Förderungen entwickelt wurden, noch nichts in dieser Richtung unternommen hat. Die Umsetzung dieser Empfehlungen wurde auf acht Jahre ausgelegt. Ich finde es seltsam, dass jetzt hier so getan wird, als ob NRW sich noch nicht dafür eingesetzt hätte, diese Forderungen umzusetzen. Es ist sehr begrüßenswert, dass wir auf Landesebene einen eigenen Bürgerrat bekommen und da auch eigene Themen setzen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dann möchte ich noch auf die Beitragsfreiheit der Kitas eingehen. In einer idealen Welt wäre Bildung von der Kita bis zur Hochschule und auch in der Ausbildung kostenfrei. Das ist keine Frage. Aber wir leben in Zeiten knapper Kassen. Da ist die Frage: Müssen Eltern, die viel verdienen, zum Beispiel wie wir als Abgeordnete, wirklich davon befreit werden, dass Kita-Beiträge bezahlt werden?

(Jochen Ott [SPD]: Ja, das ist eine grundsätzliche Frage! – Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Lieber Eltern belasten als Milliardäre! Grüne Politik in NRW!)

Wir haben in Nordrhein-Westfalen die kommunal gestaffelte Beitragstabelle. Das ist richtig, weil starke Schultern mehr tragen müssen. Wenn ich die Wahl habe, ob wir die Qualität in den Kitas weiter stärken, dann würde ich immer die Steigerung der Qualität nehmen. Deswegen finde ich es richtig, dass im KiQuTG die Kriterien in die Richtung geändert wurden.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Und niemals das Geld eines Milliardärs, das ist klar!)

Wir können Geld nur einmal ausgeben, und wir müssen Entscheidungen treffen. Ich entscheide mich in der Frage, wenn ich vor diesen zwei Punkten stehe, immer dafür, dass wir mehr Qualität in der frühkindlichen Bildung bekommen.

(Jochen Ott [SPD]: Falsche Wahl! Die Frage ist, wen wir belasten!)

Zur Vermögens- oder Erbschaftsteuer. Ich finde es wirklich schade, dass Sie sich nicht dafür starkgemacht haben, als Sie noch den Kanzler stellten,

(Zurufe von der SPD: Wir stellen den Kanzler!)

dass es eine Erbschaftsteuer gibt, weil das konkret was geändert hätte.

(Zuruf von der SPD: Gelogen!)

Die Idee vom Deutschlandfonds kam im Oktober 2024 von Robert Habeck

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Am Küchentisch!)

und wurde dann von Scholz eins zu eins kopiert.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Ich hatte die Hoffnung, dass wir als Fortschrittskoalition auf Bundesebene gerade auch sozial- und bildungspolitische Dinge nach vorne hätten bringen können. Es ist schon einiges passiert, aber es wäre noch deutlich mehr gegangen, wenn die SPD ein klares Profil gehabt hätte. Dieser Antrag ist reine Wahlkampftaktik und der Versuch, mit sehr billigen Forderungen Stimmen zu kaufen und vor allem die eigene Verantwortung auf Bundesebene zu verschleiern.

(Zurufe von der SPD: Billig sind die nicht! Das ist doch nicht billig! Für einen Milliardär ist das billig, sonst nicht!)

Es wäre schön, wenn Sie hier nicht nur fordern würden, sondern auch erzählen, wie Sie es konkret hier in Nordrhein-Westfalen finanzieren würden. Aber – Überraschung! – diese Antworten bleiben Sie schuldig.

(Zurufe von der SPD)

Daher lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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