Gönül Eğlence: „Die Mutter aller Probleme ist nicht die Migration“

Zum Antrag der "AfD"-Fraktion zur Brandmauer

Portrait Gönül Eglence

Gönül Eğlence (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Zunächst einmal möchte ich kurz sagen: Ob jemand woke ist oder nicht, ist mir herzlich egal; das interessiert immer nur Sie in Ihrer Blase.

Ihren Antrag kann man ganz gut in wenigen Sätzen ablehnen. Der erste wichtige Satz lautet: Die Mutter aller Probleme ist nicht die Migration.

(Volkan Baran [SPD]: Sondern die AfD!)

– Könnte man so sagen, genau.

Während ich diesen Satz sage, stelle ich fest: Im Grunde genommen würde sogar dieser eine Satz reichen, den Antrag abzulehnen. Ich nenne trotzdem noch ein paar Punkte.

Sie beziehen sich auf den Fünf-Punkte-Plan. In der Tat – es wurde schon festgestellt – ist dies das falsche Parlament. Es ist letztlich ein billiger Versuch, Ihre kruden Vorstellungen dadurch zu legitimieren, dass ein CDU-Antrag auf Bundesebene herangezogen wird.

Jetzt mag man zu diesem Antrag stehen, wie man will; wie ich dazu stehe, brauche ich, glaube ich, nicht zu erklären. Der Punkt ist aber: Das, was Sie hier vorlegen, geht weit darüber hinaus. Sie sprechen immer davon, dass Sie illegale Migration begrenzen wollen; das haben Sie heute Morgen in der Aktuellen Stunde auch sehr leidenschaftlich gesagt. Sie sagen das, meinen aber eigentlich, dass Sie jedwede Migration begrenzen wollen. Sie wollen einfach Zuwanderung in dieses Land nicht mehr ermöglichen.

(Christian Loose [AfD]: Mehr Unwahrheit geht wohl nicht!)

Das machen Sie in Ihrem Antrag deutlich, in dem Sie auch noch darüber sprechen, nicht nur die Landesunterkünfte komplett abzuschaffen, sondern auch die Förderung integrationspolitischer Maßnahmen komplett zu streichen. Letztlich wollen Sie einfach das komplette Asylsystem und damit das Asylrecht aushebeln. Dass Sie geschichtsvergessen sind, wissen wir, aber das Asylrecht hat tatsächlich etwas mit historischer Verantwortung Deutschlands zu tun. Wir alle stehen zu dieser Verantwortung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Noch einmal zu den integrationspolitischen Maßnahmen, die Sie streichen wollen: In den 1990er-Jahren hat man eine ähnliche Politik verfolgt und erklärt, dass diese Leute nicht hierbleiben können, dass man am besten nichts macht. Daraus sind mehrere Generationen in Kettenduldung entstanden, die keinerlei integrationspolitische Maßnahmen erfahren haben. Diese Menschen leben jetzt in dritter oder vierter Generation in unserem Land und fühlen sich nicht mehr als Teil dieser Gesellschaft.

Gerade gestern habe ich noch eine Studie dazu gelesen, wie wenig Vertrauen migrantisierte Menschen in deutsche Politik haben. Das hat etwas damit zu tun.

Wir lernen aus den Fehlern und werden sehr wohl und auch zu Recht die integrationspolitischen Maßnahmen weiterhin fördern, soweit es geht.

Noch ein Punkt, weil das Thema „Menschenrechte“ offensichtlich nicht mehr auszureichen scheint, um Menschen Schutz zu gewähren: Schon aus unserem eigenen wirtschaftlichen Interesse ist es notwendig, dass wir Zuwanderung in dieses Land bekommen. Viele Untersuchungen zeigen, wie wenige Menschen bzw. ausländische Arbeitskräfte in Länder auswandern, in denen rechts gewählt wird oder in denen es rechtsextreme Übergriffe gibt. Allein zum eigenen Wohlstandsschutz müssen wir uns also gegen alles, was von rechtsextremer Seite kommt, wehren. Wir brauchen diese Menschen zur Sicherung unseres Wohlstands.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Zu den Landesunterkünften hatte ich schon was gesagt, aber vielleicht noch einen Satz dazu: Wenn Sie anfangen, Landesunterkünfte zurückzubauen und abzubauen – in Ihrer eingebildeten Welt gibt es niemanden mehr, den man schützen muss, aber so ist die Realität nicht, sondern es werden Leute kommen, und sie kommen, weil sie ein Recht dazu haben –, dann schieben Sie die Verantwortung auf die Kommunen, und die werden es Ihnen sicherlich danken.

Noch ein letzter Gedanke zum Thema „Demokratie“, weil Sie Ihr krudes Demokratieverständnis hier mehrfach deutlich gemacht haben: Demokratie ist nicht, wenn alle faktenfrei alles sagen können, was sie wollen.

(Lachen von Zacharias Schalley [AfD])

Damit ist nämlich niemandem geholfen; es ist nichts gewonnen. Demokratie dient der Machtbegrenzung, liebe Frau Seli-Zacharias – streichen Sie das Wort „liebe“.

(Heiterkeit von der SPD – Enxhi Seli-Zacharias [AfD]: Oh Gott!)

Es geht nicht darum, wer am lautesten schreit und die meisten Lügen verbreitet. Das ist nicht Demokratie.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

– Vielen Dank.

Demokratie ist, Recht und Gesetz zu wahren und in diesem Rahmen Macht zu begrenzen. Ich hoffe, dass wir alle gemeinsam Ihre Macht dezimieren können. Wir lehnen den Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)