Christina Osei: „Wir stellen sicher, dass in Zukunft Kunstwerke auch als Zeugnisse von Gerechtigkeit und Erinnerung wahrgenommen werden“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und Grünen im Landtag zur Provenienzforschung

Portrait Christina Osei

Der Antrag „Nordrhein-Westfalen als Vorreiter der Provenienzforschung in Deutschland – Verstetigung der Koordinationsstelle für Provenienzforschung in Nordrhein-Westfalen“

Christina Osei (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute sprechen wir über ein Thema, das nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft unseres Umgangs mit Kunst und Kultur betrifft. Es geht um Provenienzforschung und die Koordinationsstelle für Provenienzforschung in Nordrhein-Westfalen, kurz KPF.NRW.

Zunächst aber möchte ich Ihnen ein Bild vor Augen führen, das wir wahrscheinlich alle kennen. Es geht um ein Bild von außergewöhnlicher Schönheit, von Kunst, von Geschichte, von Unrecht und Gerechtigkeit. Es geht um die „Goldene Adele“ von Gustav Klimt oder „Adele Bloch-Bauer I“, wie das Werk im Original heißt. Es ist ein Werk, das nicht nur die Kunstwelt begeistert, sondern auch ein Symbol für das Schicksal von Kunstwerken aus der Zeit des Nationalsozialismus geworden ist.

Dieses Bild, das wohl bekannteste Porträt der Wiener Gesellschaft, zeigt die Unternehmergattin Adele Bloch-Bauer, die in der Wiener Oberschicht des frühen 20. Jahrhunderts verkehrte. Ihre Geschichte und die ihrer Familie ist eine Geschichte von Kunst und Verlust. Als jüdische Familie gehörte sie zur wohlhabenden Wiener Großbürgerschaft, die nicht nur Kunst sammelte, sondern auch Künstler wie Gustav Klimt förderte. Die Werke, die Ferdinand Bloch-Bauer in Auftrag gab, gehörten zu den wertvollsten und bekanntesten in der Sammlung des Ehepaares.

Es sind Werke, die durch die Ereignisse der Zeit jedoch unrechtmäßig in den Besitz der Nationalsozialisten übergingen. Durch den Anschluss Österreichs an Nazideutschland 1938 wurde die Familie Bloch-Bauer zur Zielscheibe des Regimes. Ferdinand Bloch-Bauer floh, seine Frau war bereits verstorben, und die gesamte Kunstsammlung, darunter auch die goldene Adele, wurde von den Nazis konfisziert und gelangte über illegale Umwege in die österreichische Galerie Belvedere. Erst nach jahrzehntelangem Rechtsstreit wurde das Gemälde 2006 im Zuge der Restitution, also der Rückgabe, an die rechtmäßige Erbin zurückgegeben.

Die Geschichte dieses Gemäldes ist nicht nur eine Geschichte von Verlust, sondern auch von Rückgabe, von Recht und Gerechtigkeit, die sich über Jahrzehnte erstreckte. Es ist eine Geschichte, die zeigt, wie wichtig es ist, dass wir als Gesellschaft die Provenienz von Kunstwerken nachvollziehen und die Gerechtigkeit für die Opfer des Nationalsozialismus, des Kolonialismus und des DDR-Regimes einfordern.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Kleiner Side-Effect: Das Collier, das „Adele“ auf dem Bild trägt, gelangte in den Besitz von Hermann Görings Familie und ist seitdem verschollen.

Warum ist das Thema „Provenienzforschung“ so wichtig für uns in NRW? Nun, das Thema betrifft uns immer noch hier und heute; denn auch in NRW besitzen zahlreiche öffentliche Sammlungen Kunstwerke, deren Herkunft nicht immer lückenlos nachvollziehbar ist. Diese Kunstwerke haben oftmals eine Geschichte, die mit Gewalt, Enteignung und Flucht verbunden ist. In vielen Fällen sind die Besitzer dieser Kunstwerke Opfer des Nationalsozialismus und Kolonialismus, und noch immer warten viele der rechtmäßigen Erbinnen und Erben auf Anerkennung und Rückgabe ihrer Kulturgegenstände.

Deshalb ist es von größter Bedeutung, dass wir hier in NRW die erfolgreiche Arbeit der KPF.NRW verstetigen. Eine institutionalisierte, kontinuierliche und verlässliche Forschungsstelle, die sich der Herkunft von Kunstwerken und Kulturgütern widmet, ist unerlässlich. Sie stellt sicher, dass wir in unserem Land weiterhin die Herkunft von Kunstwerken transparent machen können und dass wir im Fall von Restitution gerecht handeln.

Die KPF.NRW ist ein entscheidendes Instrument, um nicht nur die Geschichte von Kunstwerken zu erforschen, sondern auch den Opfern und ihren Nachfahren Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Sie trägt dazu bei, dass wir die Spuren des begangenen Unrechts aufdecken und diejenigen, deren Eigentum und Kulturgut geraubt wurde, in den Mittelpunkt unseres Gedenkens stellen.

Wie gehen wir dabei konkret vor? Wir stellen durch unseren Antrag sicher, dass die KPF auch in Zukunft ausreichend Ressourcen erhält, um ihre erfolgreiche Arbeit fortzusetzen. Das bedeutet, dass wir mit dem vorliegenden Antrag für eine unbefristete und stabile Finanzierung sorgen.

In Zeiten, in denen die ursprünglichen Zeugen und Erben immer weniger werden, muss die Provenienzforschung auch durch moderne Technologien wie zum Beispiel KI fortgeführt werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

So stellen wir sicher, dass in Zukunft Kunstwerke auch als Zeugnisse von Gerechtigkeit und Erinnerung wahrgenommen werden.

Mein Fazit: Die Geschichte von Adele Bloch-Bauer und den Gemälden von Gustav Klimt steht stellvertretend für die Verantwortung, die wir heute tragen. Es ist unsere Pflicht, uns mit den dunklen Kapiteln der Geschichte auseinanderzusetzen, die Kunst und Kultur betroffen haben, und sicherzustellen, dass die Opfer des Kulturraubs auch heute noch gerecht behandelt werden.

Ich bitte für den folgenden Antrag um Ihre Unterstützung und möchte Sie darauf hinweisen, dass die „Adele“ seit 2006 in der New Gallery in New York City für die Öffentlichkeit zugänglich ausgestellt wird. Vielleicht haben Sie jetzt ja Lust, die „Adele“ mal zu besuchen,. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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