Gönül Eğlence (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Die schnelle Schlagzeile macht das Rennen. Diesen Eindruck bekomme ich jedenfalls immer, wenn ich den Diskurs über Migration und Flucht verfolge. Er ist leider oft geprägt von Annahmen, Vermutungen, Emotionen und ja, oft auch von Unterstellungen.
Inzwischen wird fast nur noch von „Migration“, selten von „Flucht“ und noch seltener von „Schutz“ gesprochen. Diese Unterscheidungen sind aber nicht nur inhaltlich, sondern auch rechtlich von zentraler Bedeutung.
Auch der Unterschied, ob jemand flieht oder flüchtet, ist relevant. Wer flieht, tut dies aufgrund eines selbstgefassten Entschlusses, beispielsweise bei einer sicherheitsbedrohlichen Lage. Wer flüchtet, tut dies meist gegen seinen Willen. Man flüchtet vor Krieg und Verfolgung. Es geht also um das blanke Überleben. Wer migriert, sucht hingegen aus freien Stücken nach besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen. Das alles sind legitime Wanderungsgründe. Sie erfordern aber eine Differenzierung in der politischen Gestaltung.
Im Hinblick auf die gesteuerte Migration hat die Bundesregierung mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz bereits einen wichtigen Schritt getan. Unser Bedarf an Arbeitskräften und das Bedürfnis von Menschen nach einer wirtschaftlichen Perspektive können so in Einklang gebracht werden.
Andererseits verpflichten uns internationales Recht und unser Grundgesetz, Schutzsuchenden auch Schutz zu gewähren. Ich frage mich allerdings oft, seit wann ich mich dafür rechtfertigen muss, Menschenrechte zu verteidigen. Um nichts Geringeres geht es in der Flüchtlingspolitik.
Dabei ist es unsere erste und oberste Aufgabe, Menschen vor Obdachlosigkeit zu bewahren. Deshalb ist es eine gute Nachricht, dass das Land Nordrhein-Westfalen die Unterbringungskapazitäten für Geflüchtete auf 41.000 Plätze ausbauen konnte.
(Volkan Baran [SPD]: Dafür kürzt ihr bei der sozialen Beratung um 73 %!)
Damit entlasten wir, lieber Herr Baran, die Kommunen und halten unsere Zusagen ein.
Lassen Sie mich aber auch klar sagen, dass unsere Verantwortung nicht bei der Gewährleistung von Obdach endet. Wer die Integration dieser Menschen anstrebt, muss auch Perspektiven schaffen. Darin sind wir uns einig.
Beratung und Orientierung sind die ersten Schritte auf einem Weg in unsere Gesellschaft. Deshalb stärken wir die psychosoziale Erstberatung und die Arbeit der Psychosozialen Zentren. Wir stehen zu unserer Verantwortung bei der Integration. Allein rund 66 Millionen Euro fließen in das Kommunale Integrationsmanagement; weitere 7,5 Millionen Euro fließen in Integrationspauschalen für die Kommunen.
Gleichzeitig wollen wir die Expertise der Zivilgesellschaft nutzen. Deshalb sichern wir die Arbeit von Integrationsagenturen und Antidiskriminierungsstellen durch eine Erhöhung der Mittel auf 16,7 Millionen Euro. Dabei haben Migrantenselbstorganisationen eine besondere Bedeutung. Sie fungieren als Brückenbauer zwischen Communitys und der Mehrheitsgesellschaft.
Die migrationspolitische Debatte hat sich nach dem schrecklichen Anschlag in Solingen weiter zugespitzt. Klar ist, dass Prävention der beste Schutz vor Hass und Gewalt ist. Die wirksamste Prävention ist eine Gesellschaft, in der sich alle Menschen angenommen und zugehörig fühlen; eine Gesellschaft, die Demokratie nicht nur fordert, sondern auch vorlebt.
Mit rund 18 Millionen Euro stärkt die Landesregierung deshalb die Präventionsarbeit innerhalb und außerhalb von Einrichtungen. Wir bauen Beratungsstrukturen aus und fördern Projekte der Zivilgesellschaft sowie ehrenamtliches Engagement. Herr Baran, falls Sie es nicht nachlesen konnten: Es handelt sich um rund 4,3 Millionen Euro.
(Volkan Baran [SPD]: Sie sollten mal in Ihren Haushalt gucken, was eingespart wird! Sand in die Augen streuen und Nebelkerzen werfen bringt nichts!)
Wir schaffen damit Räume für gelebte Demokratie. Sie ist die beste Antwort auf eine Radikalisierung in jedwede Richtung. In einer Zeit, in der der gesellschaftliche Diskurs oft von national-rechtskonservativen Ideologien überlagert wird, ist es unsere Aufgabe, einen klaren Blick zu bewahren.
Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf setzen wir genau hier an und verbinden pragmatische Maßnahmen mit einem klaren Wertefundament. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam weitergehen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN, Peter Blumenrath [CDU] und Heike Troles [CDU])