Jan Matzoll: „Wir setzen um, woran die FDP damals gescheitert ist“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zur Wirtschaftspolitik

Portrait Jan Matzoll

Jan Matzoll (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der heutige Antrag der FDP bzw. des parteigewordenen Pyramidensystems, wie wir seit Kurzem wissen, erzeugt ein Déjà-vu. Viele der 20 Forderungen sind fast wortgleich mit dem Antrag, den die FDP bereits im Juliplenum vorgelegt hat. Die inhaltliche Wiederholung ist nicht nur ermüdend, sondern auch wenig zielführend. Sie hätten vielleicht letztes Mal schon zuhören sollen. Das wäre vorteilhaft gewesen.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Forderungen werden nicht besser oder wirksamer, indem man sie einfach öfter aufstellt. Das Gegenteil ist der Fall.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass wir uns hier weniger mit einem durchdachten Konzept als mit Wahlkampfgetöse beschäftigen. Dieser Antrag dient offenkundig dazu, die bevorstehende Bundestagswahl vorzubereiten. Die Polemik und die Vielzahl unzusammenhängender Forderungen zeigen, dass es der FDP nicht um einen ernsthaften Austausch geht. Diese Strategie spricht nicht für eine echte Diskussionsbereitschaft.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Im Juli haben wir Ihnen bereits dargelegt, warum wir Ihren Antrag als nicht hilfreich erachten. Ich werde es auch heute gerne noch einmal erläutern.

Zunächst möchte ich anerkennen, dass die FDP das Ziel Klimaneutralität in ihrem Antrag bekräftigt. Das ist erfreulich – gerade vor dem Hintergrund der bundespolitischen Aussagen aus den Reihen der FDP, die solche Ziele zunehmend infrage stellen.

Und ja, einige der Forderungen sind durchaus sinnvoll. Diese Themen gehen wir aber bereits an, beispielsweise die Digitalisierung der Verwaltung – gestern ausführlich diskutiert –, oder die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren.

(Zuruf)

Da sind wir auf einem guten Weg, ohne die falschen Schlüsse zu ziehen, die Ihr Antrag nahelegt.

Doch schauen wir noch mal genauer hin; Stichworte: „Grunderwerbsteuer“ und „Flächenpolitik“.

Die FDP fordert erneut, die Grunderwerbsteuer auf 3,5 % zu senken. Das ist finanzpolitisch weder tragfähig noch ein entscheidender Hebel für eine wirtschaftliche Wende. So ganz ernst scheinen Sie diese Forderung nicht zu nehmen, sonst hätten Sie das mit einem entsprechenden Haushaltsantrag eingebracht.

Auch die Kopplung der Flächenbedarfsplanung an die Nachfrageentwicklung ist problematisch. Wirtschaftswachstum allein durch Flächenverbrauch zu fördern, ignoriert ökologische und rechtliche Herausforderungen sowie das Urteil des Oberverwaltungsgerichts, das genau diese Ansätze kritisch bewertet hat.

Beim Thema „Bürokratieabbau“ ist der Vorschlag, eine Entlastungsallianz zu schaffen, redundant – freundlich formuliert. Die Landesregierung befindet sich längst im regelmäßigen Austausch mit Wirtschafts- und Kommunalverbänden. Sie arbeitet an konkreten Themen wie der Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung. Es braucht also keine weiteren Gremien, sondern Ergebnisse, und die liefern wir.

(Zuruf von der CDU)

Die Forderungen zum Digitalgesetz und zum Ausbau des Wirtschafts-Service-Portal.NRW sind längst Teil unserer Agenda; das wissen Sie. Es ist bemerkenswert, dass die FDP hierbei Versäumnisse anmahnt, die maßgeblich in die Amtszeit des ehemaligen Digitalministers fallen. Wir setzen konsequent auf medienbuchfreie Digitalisierung und das Once-Only-Prinzip. Wir setzen um, woran die FDP damals gescheitert ist.

Dieser Antrag ist nicht nur inhaltlich dünn, sondern auch provokant. Er verkennt bewusst die Erfolge der Landesregierung: den Ausbau der erneuerbaren Energien, die Ansiedlung globaler Unternehmen oder die Verbesserung beispielsweise bei Mobilfunk- und Windkraftanlagen. Auch der jüngste Kabinettbeschluss zum Bürokratieabbau wird in dem Antrag völlig ignoriert.

Wir stehen an der Seite unserer Wirtschaft. Das haben wir auch gestern in der Aktuellen Stunde und in der Debatte zum Einzelplan 14 deutlich gezeigt. Sie dagegen halten an Konzepten von vorgestern fest, verweigern vehement, sich ernsthaft mit den Herausforderungen dieser Zeit zu beschäftigen und führen damit – um mich Ihrer Rhetorik zu bedienen – eine „offene Feldschlacht“ gegen die deutsche Wirtschaft und gegen die Menschen in unserem Land.

Die FDP sollte sich entscheiden, ob sie sich ernsthaft in die Debatte einbringen oder nur Wahlkampf betreiben will. Herr Brockes, Sie haben uns eben aufgefordert, vom Sofa aufzustehen. Mein Sofa zu Hause bekomme ich wenigstens noch ab und zu Gesicht. Mit Blick auf den vollen Terminkalender unserer Wirtschaftsministerin, den sie hat, um dieses Land voranzubringen, ist das Sofa aber die falsche Metapher.

Angesichts Ihrer Metaphern und Wordings auf Bundesebene würde der FDP vielleicht ein bisschen mehr Sofa und ein bisschen weniger Kommandoraum mal ganz guttun. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

Jan Matzoll (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Herr Brockes, Sie haben mich direkt angesprochen und mir vorgeworfen, dass ich Ihnen Wahlkampf vorgeworfen hätte. Ich habe Ihnen das nicht vorgeworfen, sondern lediglich festgestellt.

Ich glaube, alle hier im Raum wissen, dass das kein ernsthaft durchdachter wirtschaftspolitischer Antrag ist. Vielmehr haben Sie alles zusammengeworfen, was Sie hatten und schön fanden, und daraus einen Antrag gemacht. Das wird der Lage nicht gerecht.

Und dann dieses Weinerliche: Die Menschen wollen doch, dass wir jetzt was tun. – Wir tun jetzt etwas. Einfach nur unzusammenhängend etwas zu tun und sich gerade bei einem großen Thema wie der Schuldenbremse – da müssen wir nicht einer Meinung sein; ich bin durchaus bereit, darüber zu diskutieren, wie eine Reform aussehen kann – komplett zu versperren, sich der Realität in diesem Land und der Debatte zu versperren,

(Ralf Witzel [FDP]: Sie wollen noch mehr Schulden machen!)

die auch von Wirtschaftsvertreterinnen und -vertretern geführt wird, wird der Lage nicht gerecht.

(Beifall von den GRÜNEN, Thomas Okos [CDU] und Raphael Tigges [CDU] – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Das ist ein Schlag ins Gesicht für diejenigen, die gerade unter der wirtschaftlichen Situation zu leiden haben. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Gucken Sie sich Frankreich an, was die für ein Schuldenproblem haben! Das ist doch dummes Zeug! – Jan Matzoll [GRÜNE]: Es gibt doch nicht nur Schwarz und Weiß!)

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