Dr. Julia Höller (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bedanke mich ausdrücklich bei der FDP für die Möglichkeit, hier im Rahmen der Aktuellen Stunde noch einmal zu unseren Sicherheitsmaßnahmen, zu Islamismus, Terrorismus und vor allem zur Prävention ausführen zu können. Denn das gibt mir die Gelegenheit, deutlich zu machen, wie wir als Grüne, wie wir als schwarz-grüne Koalition mit Entschlossenheit und Konsequenz auf konkrete sicherheitspolitische Maßnahmen setzen und diese in eine rechtssichere und verfassungskonforme Umsetzung bringen.
Herr Lürbke, Sie beziehen sich in Ihrem Antrag zu dieser Aktuellen Stunde auf einen aktuellen Vorfall. Ein 15-Jähriger hat mutmaßlich einen islamistischen Anschlag auf jüdische Einrichtungen geplant. Das macht mich, ich glaube, das macht uns alle fassungslos.
Ich danke an dieser Stelle den Sicherheitsbehörden, die diese Tat aufgedeckt haben und es nicht so weit haben kommen lassen.
(Beifall von den GRÜNEN und Wilhelm Korth [CDU])
Selbstverständlich müssen wir als Politik uns diesen und auch andere Vorfälle anschauen, um zu lernen, noch besser zu werden, und uns noch besser aufzustellen. Wir müssen schauen, wo wir Radikalisierung besser erkennen, verhindern und mit Prävention reagieren können. So weit, so gut; da gibt es keinen Dissens.
Jetzt, Herr Lürbke, flanschen Sie an die Beantragung dieser Aktuellen Stunde zu diesem Vorfall des 15-Jährigen in Wuppertal einen Halbsatz dran. Er lautet: „und ausländische Gefährder konsequent abschieben.“
Da stellen Sie eine wirklich gewagte These auf. Noch einmal zum Mitschreiben: Wir haben in der Sache keinen Dissens. Selbstverständlich müssen wir Gefährder konsequent abschieben. Aber Moment einmal: Das Abschieben hat rein gar nichts mit diesem aktuellen Vorfall zu tun. Weder war die Person im Vorfeld als Gefährder bekannt, noch stand irgendwie eine Abschiebung im Raum. Dafür gibt es einfach keine Grundlage. Es ist einfach nur populistischer Blödsinn, diesen Halbsatz bei diesem Antragstitel dranzuhängen.
(Beifall von den GRÜNEN, Wilhelm Korth [CDU] und Dr. Christos Katzidis [CDU])
Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen: Es ist sogar ziemlich unrühmlich. Denn Sie reduzieren das Problem „Islamismus“ ausschließlich auf Migration und Flucht. Das ist nicht nur schäbig, sondern auch ganz schön unterkomplex.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Unsere innere Sicherheit wird durch Islamismus bedroht. Die Menschen erwarten, dass wir nicht ständig irgendwelche Nebelkerzen werfen, sondern in dieser Lage ernsthafte Antworten geben, die unser Land real sicherer machen.
Aufenthaltsrechtliche Regelungen können das Problem „Islamismus“ nicht komplett lösen.
(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])
Ein Großteil der Islamisten ist in Deutschland geboren und sozialisiert und besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft. Und sie wurden hier auch nicht als Islamisten geboren, sondern sie radikalisieren sich sehr häufig – das haben wir gerade gehört – im Netz, auf TikTok, schon in sehr jungen Jahren. Das Schlimme ist: Aktuell tun sie dies häufig ziemlich unbehelligt.
Das haben wir erkannt und deshalb mit dem Maßnahmenpaket nach Solingen Schwerpunkte gesetzt. Wir stellen virtuelle Ermittler, um ganz nah dran zu sein. Wir müssen wissen, was da passiert. Wer sind die Köpfe? Wie agieren sie? Gibt es Möglichkeiten, einzugreifen? Das geht mit Man- und Womanpower im Netz, aber auch mit Künstlicher Intelligenz, die den Ermittlerinnen und Ermittlern zeigt, wo sie genauer hinschauen müssen.
Wir reagieren natürlich auch darauf, dass die Täter immer jünger werden, und wir geben dem Verfassungsschutz die Möglichkeit, jetzt auch Daten über 14- und 15-Jährige zu erfassen. Wir sagen aber ganz klar: Prävention muss der Schwerpunkt sein. Es gilt, Bildungsprogramme zu stärken, Schulen und Lehrer*innen fit zu machen, Präventionsprogramme wie „Wegweiser“ so weiterzuentwickeln, dass sie in eine Onlinewelt passen, und Deradikalisierungsprogramme aufzusetzen.
Es besorgt uns, wenn Jugendliche sich radikalisieren und bereit sind, Gewalt auszuüben oder gar Anschläge zu planen. Daher werden wir im Rahmen des Maßnahmenpakets auch den Bereich der Jugendhilfe als eine Säule der Prävention stärken.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Jugendliche müssen in unserer Gesellschaft eine Perspektive und eine positive Identifikation mit unserer Demokratie und der offenen Gesellschaft finden. Das fängt bei den Kindern in der Schule an und endet bei langfristigen Investitionen in soziale Integration, damit gefährliche Ideologien gar nicht erst bei jungen Menschen verfangen. Zu den besten Präventionsprogrammen zählt auch eine umfassende Arbeitsmarktintegration. Genau diese Dinge müssen jetzt umgesetzt und finanziell abgesichert werden.
(Andrea Busche [SPD]: Aha!)
Wir müssen noch weitere, harte Maßnahmen ergreifen und Recht auch wirklich mal durchsetzen. Wie kann es denn bitte sein, dass die Plattformen diesen Hass und diese Hetze einfach dulden? Der Digital Services Act bietet dafür Möglichkeiten. Die Anbieter müssen zu Löschung und Meldung verpflichtet werden. Aber wir können niemandem erklären, dass hier ständig gezögert und gezaudert wird.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Prävention ist auch knallharte Sicherheitspolitik. Deswegen sorgen wir mit den Maßnahmen, die bereits auf den Weg gebracht wurden und jetzt noch auf den Weg gebracht werden, für mehr Sicherheit. Mit einigen geschieht dies sehr schnell, einige werden auch dauern. Was nicht zu mehr Sicherheit führt, ist aber, immer wieder zu suggerieren, es bräuchte einfach nur mehr Abschiebungen, dann sei schon alles irgendwie fein.
Natürlich – das ist übrigens überhaupt keine Neuigkeit – werden auch Gefährder abgeschoben, wenn es möglich ist. Aber ob es möglich ist, Herr Lürbke, entscheiden nicht Sie oder wir, sondern das entscheiden Gerichte. Das nennt sich dann Rechtsstaat.
(Beifall von den GRÜNEN und Claudia Schlottmann [CDU])
So ist es zum Beispiel auch im Fall des Salafistenpredigers Abdul Hamza, bei dem die Stadt Bonn unter Oberbürgermeisterin Katja Dörner Beschwerde gegen die Entscheidung des OVG einlegt, welches ein Verbot der Abschiebung verfügt hat. Das passt jetzt überhaupt nicht in Ihre Erzählung, so ist aber die Realität.
Zum Schluss: Innenpolitisch stehen wir vor großen Herausforderungen, die sich auch durch diese neuen Bedrohungen ergeben. Wir gehen sie mit diesem Maßnahmenpaket konzentriert und konsequent an, und zwar mit konsequenten Sicherheitsmaßnahmen. Darum geht es im Moment. Wir schaffen Sicherheit für Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)