Norika Creuzmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Die Position der AfD zu sexualpädagogischen Konzepten in Kitas zeugt von einem erschreckenden Unverständnis moderner Erziehungskonzepte und einem Rückfall in überholte, engstirnige Denkweisen.
Wir hatten bereits im Februar zu einem inhaltsähnlichen Antrag eine schriftliche Anhörung. Zudem war es auch Thema in der Anhörung zu Peer-to-Peer-Gewalt der Kinderschutzkommission.
Nun gut, manchmal muss man wichtige Themen mehrmals ansprechen, damit die Lernkurve steigt.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die Haltung, die sich in diesem Antrag und in den Reden der AfD widerspiegelt, entspringt einer fundamentalen Ignoranz gegenüber der wissenschaftlich fundierten Tatsache, dass frühkindliche Sexualpädagogik keineswegs eine Frühsexualisierung ist, sondern vielmehr eine altersgerechte, respektvolle Vermittlung von Körperbewusstsein und Grenzachtung. Sexualpädagogische Konzepte sind Teil von Prävention und stellen eine soziale Verantwortung dar.
Indem sich die AfD gegen solche Ansätze stellt, verweigert sie sich nicht nur der Realität der kindlichen Entwicklung, sondern sie fördert auch das Fortbestehen von Scham- und Tabustrukturen, die erwiesenermaßen nachteilige Auswirkungen auf das Selbstbild und auf die Persönlichkeitsentfaltung junger Menschen haben können.
Die Stellungnahme des Vereins Zartbitter aus Köln zum genannten AfD-Antrag verdeutlicht den Schutzcharakter von sexualpädagogischen Konzepten. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:
„Die AfD-Fraktion geht davon aus, dass im Rahmen sexualpädagogischer Angebote Kinder altersunangemessen – sprich: zu früh – mit Sexualität konfrontiert werden. Diese Argumentation blendet aus, dass sexualpädagogische Konzepte für Kindertagesstätten eine Grundlage darstellen zur Entwicklung einer gemeinsamen fachlichen Haltung und eines abgestimmten pädagogischen Umgangs mit kindlicher Sexualität, die Kinder von sich aus in den Alltag von Kindertagesstätten einbringen.“
Es ist bezeichnend, dass eine Partei, die für sich in Anspruch nimmt, das Wohl unserer Kinder zu schützen, in Wahrheit mit veralteten Konzepten operiert, die nicht dem Schutz, sondern der Verhinderung einer gesunden psychosexuellen Entwicklung dienen. Die Diffamierung aktueller sexualpädagogischer Ansätze als Frühsexualisierung ist nichts weiter als ein populistisches Schlagwort, mit dem darauf abgezielt wird, Ängste und Unsicherheit zu schüren, anstatt eine faktenbasierte und differenzierte Auseinandersetzung zu fördern.
Dabei bleibt unberücksichtigt, dass eine auf Dialog, Offenheit und Sensibilität basierende Sexualpädagogik nachweislich dazu beiträgt, Kinder vor sexualisierter Gewalt zu schützen, indem sie frühzeitig lernen, bei sich und auch bei anderen Menschen Grenzen zu erkennen. So geht Präventionsarbeit.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und Marcel Hafke [FDP])
Kurz zusammengefasst: Die AfD agiert in dieser Debatte aus einer Position der intellektuellen Kurzsichtigkeit und der dogmatischen Sturheit. Es wäre schön, wenn auch Sie im 21. Jahrhundert ankämen.
(Heiterkeit von der SPD)
Ihr Widerstand gegen zeitgemäße sexualpädagogische Konzepte in Kitas liegt weder im Interesse der Kinder noch im Interesse einer modernen, aufgeklärten Gesellschaft. Mit Ihrem Beitrag verunsichern Sie die Menschen im Land. Sie erzeugen eine Stimmung, die der tagtäglichen Präventionsarbeit in den Kindertageseinrichtungen nicht dienlich ist. Wir lehnen Ihren Antrag ab.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und Marcel Hafke [FDP])
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Norika Creuzmann (GRÜNE): Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist immer müßig, auf die AfD zu reagieren, aber die Vorwürfe, die im Raum stehen, sind einfach unverschämt. Ich hatte vorhin davon berichtet, dass wir gerne helfen, die Lernkurve zu steigern. Sie ist gerade jäh abgebrochen und abgeknickt. Zuhören ist manchmal eine Kunst, die leider nicht jedem gegeben ist.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)
In der frühkindlichen Bildung ist die Sexualpädagogik ein wichtiges grundlegendes Instrument. Kinder müssen lernen, was schlechte Geheimnisse und gute Geheimnisse sind. Kinder müssen lernen, dass sie eine Sprache dafür haben, wenn ihnen etwas geschieht, bei dem sie denken: Das fühlt sich komisch an, das ist nicht richtig. – Sie müssen das formulieren können, denn wenn sie es nicht formulieren können, können sie sich auch keine Hilfe holen. Wenn sie diese Formulierungen nicht gelernt haben, ist das eben nicht möglich. Dann laufen die Kinder in eine Entwicklung hinein, die sie ihr Leben lang verfolgt und auch beeinträchtigt.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Unsere Kitas leisten eine so wichtige elementare Arbeit. Die AfD versucht, diese Arbeit immer wieder in den Dreck zu ziehen, zunichtezumachen, in den Schmutz zu ziehen und darauf herumzutrampeln. Ich glaube, da sind wir uns einig: Das können wir so nicht stehen lassen.
Uns ist der Schutz der Kinder ein wichtiges Anliegen. Wir tun alles dafür. Daher bitte ich Sie, sich weiterhin dafür einzusetzen und starkzumachen, dass genau die Arbeit in den Kitas den Respekt bekommt, den sie braucht. – Danke.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)