Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wir haben in Nordrhein-Westfalen 271 Lehrkräfte für islamische Religionslehre; 271 Personen auf rund 470.000 Schüler*innen muslimischen Glaubens. Das ist offensichtlich ein Verhältnis, das nicht alle Bedarfe abdecken kann. Das einmal vorweg.
Selbstverständlich muss ergründet werden, wie es zu den gefälschten Idschazas kam, und es muss dafür gesorgt werden, dass sich eine solche Situation nicht wiederholt. Die gefälschten Lehrbeauftragungen dürfen keinen Auslöser für eine Debatte darüber sein, ob wir den islamischen Religionsunterricht abschaffen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Auf diese Debatte werde ich mich auch nicht einlassen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
In unserem Grundgesetz ist die Religionsfreiheit fest verankert, und diese Freiheit werden wir nicht schwächen.
(Beifall von den GRÜNEN und Dilek Engin [SPD])
Durch § 132a Landesschulgesetz ist der islamische Religionsunterricht geregelt und wird es bleiben. Auf keinen Fall werden wir 470.000 Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit entziehen, einen ihrer Konfession entsprechenden Religionsunterricht zu besuchen, während das Angebot christlichen Religionsunterrichts eine Selbstverständlichkeit ist.
(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE] und Gönül Eğlence [GRÜNE])
Über Verbesserungen und Weiterentwicklungen spreche ich hingegen gerne. Ich bin der Ministerin ausdrücklich dankbar, dass sie für das kommende Schulrechtsänderungsgesetz die Weiterführung des IRU bis 2031 angekündigt hat.
Ich möchte betonen, wie wichtig die bereits vorhandenen Studiengänge gerade in diesem Fachbereich sind. In Münster, hier sogar im Exzellenzcluster „Religion und Politik“, und in Paderborn erfolgt eine qualitativ hochwertige Ausbildung für das Fach der islamischen Religionslehre. Eine universitäre und perspektivenreiche Ausbildung stellt eine gute Basis für die Bewerbung um eine Idschaza dar. Da die FDP davon spricht, dass eine ordentliche Durchführung des islamischen Religionsunterrichts gewährleistet werden soll, möchte ich auf diese bereits eingerichteten Studiengänge in Münster und Paderborn und erneut darauf verweisen, dass wir hier nicht ein gesamtes System infrage stellen.
Wenn wir eine Frage stellen, dann doch lieber die, wie wir mehr gut ausgebildete Lehrkräfte für den islamischen Religionsunterricht gewinnen können. Wir haben ein Interesse daran, dass religiöse Unterweisungen nicht hinter verschlossenen Türen und nicht über das Netz passieren, sondern von dafür ausgebildeten Menschen übernommen werden.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Das System grundsätzlich infrage zu stellen, würde – im Gegenteil – bedeuten, dass wir den starken Nachfrageaufwuchs im Bereich des IRU nicht ernst nehmen. Selbstverständlich ist eine wissenschaftliche Begleitung essenziell und wichtig. Ebenso ist es wichtig, zu hinterfragen, ob und welche eventuell religiös-extremistischen Positionen existieren und wie man diesen begegnen kann.
Die besagte Studie, die die FDP hier gerne heranzieht, wird von ihr nicht vollumfänglich dargestellt. Ja, es ist richtig, dass die Studie aufzeigt, dass bei Studierenden zu Beginn des Bachelors teils antisemitische und extremistische Ansichten da sind. Ja, sehr geehrte Damen und Herren, das ist ein Problem.
(Beifall von Gönül Eğlence [GRÜNE])
Damit endet die Studie aber nicht, denn sie zeigt auch Tendenzen auf, die darauf hinweisen, dass die Studierenden, die in den Master gehen, weniger fundamentalistische Ansichten haben.
(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])
Die Einordnung, die Perspektivübernahme und der Kontakt zum liberalen Islam führen dazu, dass die Studierenden einen Haltungswandel durchlaufen.
(Beifall von Gönül Eğlence [GRÜNE])
Die Konsequenz liegt also auf der Hand:
(Zuruf von Sven Wolf [SPD])
Je früher und je intensiver Menschen muslimischen Glaubens mit einem Islam in Kontakt treten, der mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung übereinkommt, desto besser. Wir können uns keine demokratiefeindlichen und antisemitischen gesellschaftlichen Tendenzen erlauben, egal, aus welcher Richtung sie kommen. Für Hass und Hetze ist an unseren Schulen kein Platz.
Dass wir an Extremismusprävention definitiv nicht nur im religiösen Spektrum zu arbeiten haben, zeigten unter anderem die für mich sehr erschreckenden Wahlergebnisse in den letzten Wochen und die Debatte eben.
(Beifall von Gönül Eğlence [GRÜNE])
Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, dass wir Sachverhalte nicht vermischen. Die FDP wirft hier Betrugsfälle und Extremismus in einen Topf. Sie zusammenzubringen, wird ihnen nicht gerecht. Es ist zu Betrugsfällen gekommen, und die müssen aufgeklärt werden. Das kann ich nur unterstreichen, das ist unstrittig.
Das andere ist die gesellschaftliche und politische Frage, die wir intensiv bearbeiten müssen. Wir müssen die Demokratieförderung insgesamt voranbringen. Hier möchte ich auf unsere Anhörung zu diesem Thema verweisen, in der deutlich wurde, welchen Herausforderungen Lehrerinnen und Lehrer täglich begegnen und mit welchen problematischen Haltungen und Einstellungen sie konfrontiert werden. Wir brauchen an dieser Stelle die Lehrkräfte für islamischen Religionsunterricht an unserer Seite.
Wir haben eine große und komplexe Verantwortung. Deshalb ist es gut, dass aufgedeckt werden konnte, dass Lehrerlaubnisse in drei Fällen gefälscht wurden. Zu dieser Verantwortung gehört es aber auch und vor allem, allen Schülerinnen und Schülern Bildung, Schulunterricht und damit auch einen Religionsunterricht zu ermöglichen, der ihren Bedürfnissen und unserer gemeinsamen Lebensrealität entspricht. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)