Meral Thoms (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD hat zum wiederholten Male einen Antrag zur GemeindeschwesterPlus eingebracht – dieses Mal in Zusammenhang mit dem Thema „Einsamkeitsprävention“. Es gab in der Anhörung positive Stimmen zum Konzept, aber es wurden auch zahlreiche Kritikpunkte angebracht, die wir im Kern alle schon kannten.
Der erste Kritikpunkt betraf den Begriff „Gemeindeschwester“. In der Anhörung wurde er als uralt bezeichnet. Es liegt die Frage nahe: Ist der Beruf „Gemeindeschwester“ eigentlich auch offen für Männer? Wie nennen sich männliche Gemeindeschwestern? Sind es Gemeindebrüder? Haben wir hierauf eine Antwort? Wir haben sie nicht.
(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Aber das ist doch nicht unser Problem!)
– Die Begrifflichkeit gehört aber auch dazu.
(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Bitte, geben Sie dem Kind einen anderen Namen, aber tun Sie was! – Thorsten Klute [SPD]: Wo sind denn die Community Health Nurses?)
Eine weitere, in dem Begriff mitschwingende Kritik lautet: Welche Erwartungen haben wir an Schwestern, wenn wir diesen Begriff „Schwester“ nutzen? Mit Schwestern wird gemeinhin auch die Pflege verbunden. Gerade die Gemeindeschwester ist aber eine Netzwerkerin und Begleiterin, aber sie übernimmt keine Pflegeaufgaben, die erwartet würden.
(Zuruf von Kirsten Stich [SPD] – Thorsten Klute [SPD]: Wo sind Ihre Community Health Nurses?)
Der zweite Kritikpunkt betrifft die Qualifikation. Auch das haben wir in der Anhörung gehört. Sowohl die Pflegekammer als auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe Nordwest sowie Professorin Halek von der Uni Witten/Herdecke zeigten in der Anhörung die Grenzen der GemeindeschwesterPlus auf.
(Lachen von Christina Weng [SPD])
Sie machten sich gleichzeitig für eine akademische Ausbildung in der Pflege stark, denn die GemeindeschwesterPlus verfügt gerade nicht über die erforderlichen Qualifikationen, um die zunehmenden Versorgungsbedarfe gerade der älteren Bevölkerung zu analysieren. Wir brauchen stattdessen hochqualifizierte Pflegefachpersonen, die breiter aufgestellt sind und gesundheitliche Bedarfe breiter analysieren, entdecken und bedienen können.
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Frau Kollegin, entschuldigen Sie, dass ich Sie an dieser Stelle unterbreche. Es besteht bei dem Kollegen Klute der Wunsch nach einer Zwischenfrage. Würden Sie diese zulassen?
Meral Thoms (GRÜNE): Ich beantworte sie sehr gerne im Anschluss an meine Rede.
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Ich erinnere Sie.
(Thorsten Klute [SPD]: Ich auch!)
Meral Thoms (GRÜNE): Genau. – Noch einmal zu dem Kritikpunkt aus der Anhörung: Wir brauchen also breiter aufgestellte gesundheitliche Berufe, in denen nicht nur in Bezug auf Einsamkeit beraten wird, sondern auch – das haben viele – in Bezug auf chronische Erkrankungen oder auch Mehrfacherkrankungen im höheren Alter.
Das präferierte Modell – Sie haben es eben schon genannt – ist die Community Health Nurse. Denn Community Health Nurses lernen im Masterstudiengang genau das: Sie lernen, wie man systematisch Versorgungslücken in der Bevölkerung bzw. bei älteren Menschen identifiziert, Unterstützungsbedarfe erkennt und Lösungen sucht.
Ein klarer Schwerpunkt von Community Health Nurses liegt auf Prävention und Gesundheitsförderung. Dazu kann zum Beispiel auch der Schutz unserer älteren Bevölkerung vor Hitzewellen gehören.
Der dritte Kritikpunkt betrifft die Zugangsbarrieren in Bezug auf die GemeindeschwesterPlus. Das Alter ist begrenzt. Die Zielgruppe sind Personen in einem Alter von 80 plus. Gerade wenn wir – das ist ja richtig – präventiv wirken wollen, dann müssen wir doch viel früher und nicht erst bei den Hochbetagten ansetzen.
Ich komme zum Thema „Einsamkeit“. Einsamkeit kann jeden und jede von uns betreffen, unabhängig von Alter, Herkunft oder sozialem Status.
(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Das ist richtig!)
Es ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung; sie betrifft nicht nur Seniorinnen und Senioren.
(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Aber besonders!)
Im Gegenteil – das wissen wir schon sehr lange –: Auch und gerade junge Menschen sind betroffen.
Sicherlich hat die Zielgruppe „80 plus“ auch Bedarfe; das ist klar. Wenn wir aber nur diese Zielgruppe in den Blick nehmen, dann setzen wir viel zu spät an. Wir wollen die Einsamkeit bekämpfen, bevor sie überhaupt entsteht, zum Beispiel durch Quartiersarbeit, die alle Altersgruppen umfasst.
Zudem soll die Prävention von Einsamkeit nicht isoliert, sondern als integraler Bestandteil eines umfassenden Unterstützungsangebots betrachtet werden. Es geht am Ende des Tages auch um den Erhalt und die Förderung der selbständigen Lebensführung. Es geht um Prävention von Pflegebedürftigkeit.
Wir haben den Einsatz von Community Health Nurses in unserem Koalitionsvertrag vereinbart, also von hochqualifizierten Fachkräften mit einer akademischen Ausbildung, wie sie auch von den Expertinnen und Experten gefordert werden, die an innovative Versorgungsformen wie multiprofessionelle Gesundheitszentren angebunden und in ganzheitliche Konzepte von Gesundheitsregionen eingebunden sind.
Wir folgen der Empfehlung des Ausschusses und lehnen diesen Antrag ab. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Danke sehr, Frau Kollegin Thoms. Ich komme zurück auf Ihre Zusage, jetzt eine Zwischenfrage beantworten zu wollen. Ich denke, das hat noch Bestand. – Somit hat der Kollege Klute das Wort. Bitte schön.
Thorsten Klute (SPD): Vielen Dank – auch Ihnen, liebe Kollegin Thoms. Wenn Sie die GemeindeschwesterPlus ablehnen, dann beantworten Sie mir doch bitte eine Frage: Wann kommen die von Ihnen für die erste Jahreshälfte angekündigten Community Health Nurses und die Gesundheitsregionen? Sie hatten für die erste Jahreshälfte ein Programm dafür angekündigt. Die ist nun vorbei. Wann kommt es endlich?
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Bitte schön, Frau Kollegin.
Meral Thoms (GRÜNE): Vielen Dank für die berechtigt Frage, Herr Klute. Natürlich sind die Community Health Nurses jetzt schon am Markt. Community Health Nurses sind in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern aktiv, zum Beispiel auch im öffentlichen Gesundheitsdienst.
An den Gesundheitsregionen arbeiten wir. Haben Sie noch ein bisschen Geduld.
(Thorsten Klute [SPD]: Die Frage ist, wann Ihr Programm kommt! Wann kommt Ihr für die erste Jahreshälfte angekündigtes Programm?)
In Kürze werden Sie dazu mehr hören. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)