Astrid Vogelheim: „Das Gesetz wird den aktuellen klimatischen Herausforderungen nicht mehr gerecht“

Portrait Astrid Vogelheim

Astrid Vogelheim (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der Ruhrverband sichert mit dem Ruhrtalsperrensystem die Trink- und Brauchwasserversorgung für etwa 4,6 Millionen Menschen in den Regionen Münsterland, Ruhrgebiet und Sauerland. Dies ist eine enorme Verantwortung, insbesondere in Zeiten der Klimakrise.

Für die meisten Talsperren in Deutschland existieren individuelle Betriebspläne, die regeln, wie viel Wasser bei welchem Füllstand abgelassen werden soll. Anders ist es im Ruhreinzugsgebiet, wo dies seit 1990 durch das Ruhrverbandsgesetz geregelt ist. Das Gesetz schreibt vor, dass die Talsperren so zu steuern sind, dass an zwei definierten Pegeln in der Ruhr immer ein gesetzlich festgelegter Mindestabfluss einzuhalten ist.

Die Rahmenbedingungen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten jedoch massiv verändert. Auch wenn man es beim Blick aus dem Fenster gerade nicht vermuten würde: Vor dem Jahr 2023 waren 14 Jahre in Folge zu trocken. Das heißt: Es hat weniger geregnet als im langjährigen Mittel. Das gab es noch nie, seitdem Niederschlagsaufzeichnungen registriert werden, also seit Ende des 19. Jahrhunderts.

Das gesamte Talsperrensystem wies Anfang Dezember 2018 einen Füllstand von nur noch 43 % auf, weil es zehn Monate in Folge viel zu wenig geregnet hatte. Das war eine ungewöhnlich lange Dürreperiode.

Bisher waren die Wintermonate immer regenreich. In Zeiten der Klimakrise aber wissen wir, dass sich das bisher Normale schnell ändern kann. Das hat auch die Flutkatastrophe im Jahr 2021 gezeigt, die untypischerweise im Hochsommer stattgefunden hat.

Die im Gesetz von 1990 festgelegten Mindestabflüsse sind in Zeiten der Klimakrise oft schwer einzuhalten. Daher musste der Ruhrverband seit 2018 fast jedes Jahr mehrfach Ausnahmegenehmigungen beantragen, um die Mindestabflüsse zu senken und die Talsperrenvorräte zu sichern. Dies zeigt, dass das Gesetz den aktuellen klimatischen Herausforderungen nicht mehr gerecht wird.

Bereits zum Ende der vergangenen Legislaturperiode gab es einen Änderungsentwurf, in dem jedoch die Umweltstandards nicht hoch genug angesetzt waren. Mein Kollege Norwich Rüße hat damals in seiner Plenarrede darauf hingewiesen, dass die Absenkung der Grenzwerte nicht dem Zielerreichungsgebot der Wasserrahmenrichtlinie bzw. des Wasserhaushaltsgesetzes widersprechen dürfe, dass verbindliche Monitoringmaßnahmen zur Sicherung einer hohen Wasserqualität notwendig seien und dass die Ertüchtigung der Kläranlagen um eine vierte Reinigungsstufe zügig umgesetzt werden müsse. All dies ist in dem neuen Gesetzentwurf enthalten.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Deshalb waren das auch keine zwei vertanen Jahre, liebe Kollegin.

Der Gesetzentwurf verpflichtet den Ruhrverband nun zu Maßnahmen, die nicht nur die Wasserversorgung sicherstellen, sondern auch hohe ökologische Standards gewährleisten. Zu den Maßnahmen gehören unter anderem die Ausstattung von zehn Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe zur Behandlung von Mikroschadstoffen, ein begleitendes Monitoring von Gewässerchemie und Fischpopulationen in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz und eine ökologische Aufwertung von Nebengewässern zur Unterstützung der Populationen von Groppe und Bachneunauge. Außerdem darf die Abflussmenge während der Laichphase dieser Populationen im April, Mai und Juni nicht weiter abgesenkt werden.

Mit der Änderung dieses Gesetzes erhöhen wir die Klimaresilienz des Talsperrensystems und stellen die Trink- und Brauchwasserversorgung entlang der Ruhr unbürokratisch und langfristig sicher. Wir geben dem Ruhrverband mehr Spielraum und ermöglichen schnellere Reaktionsmöglichkeiten auf Extremwetterereignisse. Wir verpflichten den Ruhrverband aber auch zu einer nachhaltigen und umweltverträglichen Wassernutzung, verbunden mit einer Wiederherstellung des naturnahen Zustands unserer Gewässer.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, Jochen Ritter [CDU] und Bianca Winkelmann [CDU])

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