Mehrdad Mostofizadeh: „Machen Sie das nicht in parteipolitischen Spielchen kaputt“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der SPD-Fraktion zu kommunalen Finanzen

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vorweg ein Satz zu dem Abgeordneten Tritschler: Die AfD sieht sich bis jetzt nicht in der Lage, einer Aufforderung der Stadt Essen nachzukommen, faschistische und verfassungsfeindliche Äußerungen auf dem Parteitag zu unterbinden. Das und nicht die Kündigung des Vertrags durch die Stadt Essen ist die Sachlage.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP – Zurufe von Dr. Christian Blex [AfD] und Dr. Hartmut Beucker [AfD] – Zuruf von Jens-Peter Nettekoven [CDU])

– Ja, ja, schreit rum, ist alles in Ordnung.

Ich komme jetzt zum Sachverhalt, von dem Sie hier im Plenum abzulenken versuchten.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Einfach mal die Unwahrheit sagen!)

Ich möchte SPD und FDP zurufen: Wir haben mit dem Altschuldenfonds die – und ich nutze dieses Wort sehr selten – historische Chance,

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

die Altschulden der Kommunen in Höhe von 20 Milliarden Euro, was die Kassenkredite betrifft, abzubauen. Wir haben jetzt die historische Chance; 250 Millionen Euro ausschließlich vom Land stehen zur Verfügung.

Zu diesen 250 Millionen Euro Landesgeld kämen noch Auslagen der Kommunen hinzu, die ohnehin im Moment für diese Schulden aufkommen müssen. Und dann könnte der Bund, wenn man das addierte … Sie kennen die Konzepte alle; zumindest der Kollege Dahm kennt sie – da bin ich ganz sicher –, und viele andere in der SPD-Fraktion kennen sie bestimmt auch. Dann wären wir in bzw. nahe eines Milliardenbereichs des Entschuldungsabbaus pro Jahr. Diese Chance, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte Nordrhein-Westfalen nicht durch parteitaktische Spielchen vergeben. Das sollten wir jetzt nutzen!

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Ich will es noch einmal betonen: Diese 250 Millionen Euro sind der Grundstein für dieses Entschuldungsmodell. Alle anderen Punkte kann man ja besprechen.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Diese 250 Millionen Euro sind eine Hausnummer, die dieses Land seit 2010 nicht mehr gesehen hat. Bitte reden Sie das nicht klein und machen Sie das nicht in parteipolitischen Spielchen kaputt. Sonst müssen wir uns vorwerfen lassen – und zwar alle miteinander –, dass Ziel, das wir vorgeben, nämlich die Handlungsfähigkeit der Kommunen wie Oberhausen oder Mühlheim,

(Zuruf von Frank Müller [SPD])

aber auch vieler anderer Städte im Rhein-Sieg-Kreis usw. wiederherzustellen, nicht zu erreichen.

Es nutzt überhaupt nichts, Herr Wedel, auf die mangelnden Investitionen hinzuweisen. Das stimmt, aber wenn wir diesen Ballast nicht wegräumen, dann werden diese Kommunen niemals handlungsfähig werden. Das müssen wir jetzt und sofort tun!

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Stefan Zimkeit [SPD]: Das hätten Sie schon vor Jahren tun müssen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, was die Grundgesetzänderung betrifft, haben Sie schlicht nicht zugehört. Ich habe gesagt: Das, was Nordrhein-Westfalen tut, bedarf nicht erst einer Grundgesetzänderung im Bund. Wir können das hier regeln, wie wir das wollen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das hätten Sie schon lange tun müssen!)

Wenn eine Grundgesetzänderung in Berlin erforderlich ist – und ich glaube, dass sie notwendig ist –, dann hat Christian Lindner zweieinhalb Jahre Zeit gehabt, sie vorzubereiten. Ich kenne keinen Text. Warum legt er ihn nicht vor? Warum geht er nicht in die Besprechung rein, um diese Grundgesetzänderung mit den Kolleginnen und Kollegen zu diskutieren? Was hindert ihn denn daran?

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Frank Müller [SPD])

Jetzt noch mal in Richtung SPD: Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele von Ihnen haben Direktmandate im Ruhrgebiet bekommen. Bitte hört in euch hinein: Haltet ihr es für wichtiger, diesen Erfolg der Landesregierung zu zerreden, um parteipolitische Geländegewinne vor Ort zu machen?

(Justus Moor [SPD]: Das hat keiner gemacht!)

Oder glaubt ihr nicht, dass es wichtiger wäre, jetzt die Gelegenheit zu nutzen, um nach vorne zu gehen und diese Chance auszubauen?

(Zurufe von Carsten Löcker [SPD] und Kirsten Stich [SPD])

Lassen Sie uns das doch gemeinsam machen!

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir, die wir hier im Parlament sitzen, sind ja alle nicht von gestern.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Natürlich birgt die Grundgesetzänderung Risiken. Wir haben Kolleginnen und Kollegen in Baden-Württemberg, die sind nicht begeistert davon. Aber wenn wir uns jetzt in Nordrhein-Westfalen gegenseitig vorwerfen, wer im Bund möglicherweise dagegen steht, liefern wir doch den Beleg dafür, dass wir es gar nicht richtig wollen. Wir müssen zusammenstehen, um mit den anderen Bundesländern einen Kompromiss finden zu können, sonst wird das nichts, liebe Leute.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Herr Kollege Wedel, wenn ich das einmal durchdekliniere: Sie haben Ihre beiden Reden in einem – wenn ich das mal so beschreiben darf – sehr ruhigen Ton vorgetragen.

(Benedikt Falszewski [SPD]: Das war wesentlich angenehmer!)

Aber ich kenne ja die Geschichte dieser Fraktion, und Herr Witzel ist bestimmt nicht dafür bekannt, für eine Vergemeinschaftung der Schulden – so nennen Sie so etwas ja immer – bereitzustehen und das hier zu machen. Das ist sehr schade. Es gab mal Vorgänger, die ordnungspolitisch nun wirklich nicht am linken Rand der FDP und schon gar nicht des politischen Spektrums waren, nämlich Gerhard Papke und Kai Abruszat, die trotz dieser Bedenken damals dazu bereit waren, mit klaren Auflagen für die Kommunen beim Stärkungspakt mitzumachen. Warum stehen wir nicht zusammen und machen das gemeinsam? Warum machen wir eine Aktuelle Stunde, die das zerreden soll?

(Christian Dahm [SPD]: Ne, ne, ne, das stimmt überhaupt nicht!)

Warum sind wir nordrhein-westfälischen Abgeordneten nicht gemeinsam bereit,

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

dieses Projekt nach draußen zu tragen, für einen großen Erfolg in Nordrhein-Westfalen zu sorgen, dieses Land nach vorne zu bringen und endlich für einen Erfolg in der Altschuldenfrage zu sorgen? Das frage ich mich. Lassen Sie es uns anpacken, das gemeinsam tun. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

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