Dr. Robin Korte: „Die Sanierung unserer Kommunalfinanzen ist ein gemeinsames Anliegen“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der SPD-Fraktion zu kommunalen Finanzen

Portrait Robin Korte

Dr. Robin Korte (GRÜNE): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! 50 Milliarden Euro Investitionsstau in den Kommunen in Nordrhein-Westfalen sind eine Hausnummer – und mehr als das; denn hinter dieser Zahl steht eine immense Belastung für die Menschen, die in einer Kommune leben, die nicht in neue Schulgebäude investieren kann, die daran sparen muss, marode Straßen und Radwege zu reparieren, die kein Geld hat, um Dienstleistungen für Bürger*innen zu digitalisieren oder gute Bildungs- und Kulturangebote für Kinder und Familien anzubieten.

Kein Mensch möchte, dass dieser im Antrag beschworene Zustand des Investitionsstaus Normalität wird. Deswegen stimmt es auch so hoffnungsvoll, dass diese Landesregierung ihren Fokus jetzt so deutlich auf die Sanierung der kommunalen Finanzen legt, und zwar vor allem dort, wo die Not am größten ist und die Auswirkungen für die Menschen am stärksten spürbar sind.

Ab dem kommenden Jahr greift in Nordrhein-Westfalen erstmals in der Landesgeschichte eine Altschuldenlösung. Das heißt ganz konkret: Wir unterstützen die Kommunen, und zwar insbesondere diejenigen, die besonders vom Investitionsstau betroffen sind, mit 250 Millionen Euro jährlich. Dafür nehmen die regierungstragenden Fraktionen in Zeiten, die – das wissen Sie alle – für den Landeshaushalt extrem herausfordernd sind, in einem auf Jahrzehnte angelegten Versprechen eigenes Geld in die Hand. Wir werden die Kommunen über die nächsten 30 Jahre hinweg mit insgesamt 7,5 Milliarden Euro entlasten.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Allein diese Entscheidung, dieses Bekenntnis zu diesen 7,5 Milliarden Euro, bewegt schon 15 % der im Antrag benannten und infrage stehenden Summe.

Damit schreibt diese Koalition aus CDU und Grünen Geschichte. Denn nach einem jahrelangen Hin und Her, in dem die Altschulden der nordrhein-westfälischen Kommunen in Höhe von insgesamt ca. 20 Milliarden Euro zwischen unseren staatlichen Ebenen nur wie eine heiße Kartoffel hin und her geschoben wurden – Herr Wedel versucht immer noch, dieses Hin- und Herschieben fortzusetzen –, ist nun endlich eine greifbare Entlastung für die betroffenen Kommunen in Sicht.

Wenn nun auch der Bund sein Versprechen einer hälftigen Kofinanzierung einlöst und dazu steht, kommen ganz substanziell weitere Milliarden Euro hinzu. Diese Milliarden Euro treffen die Richtigen. Es handelt sich bei den sogenannten Altschulden nämlich um Schulden, die aus Strukturumbrüchen und einer historischen Fehlkonstruktion in der Finanzierung unserer Sozialsysteme und der deutschen Einheit entstanden sind und ganz überwiegend eben nicht von den betroffenen Kommunen selbst verschuldet sind.

In den betroffenen Kommunen – sei es Oberhausen, sei es Heimbach, sei es Nümbrecht – lasten sie aber wie eine Fessel auf ihrer Handlungsfähigkeit und führen vor Ort dazu, dass die Investitionsfähigkeit seit Jahrzehnten auf ein Minimum eingeschränkt ist.

Die Ergebnisse dessen sehen wir heute in dieser Pressemitteilung des Städte- und Gemeindebunds. Denn etliche Jahre haben die betroffenen Kommunen an Kreditwürdigkeit eingebüßt mit dem Effekt, dass sich noch weniger finanzieren ließ. So wird die Infrastruktur immer maroder – das ist klar.

Doch je kaputter etwas ist – das ist genauso beim Klimawandel –, desto teurer wird am Ende die Reparatur. Je länger man mit Investitionen in der aktuellen Finanzlage wartet, desto höher werden die Zinsen, desto mehr verliert eine Kommune auch an Standortqualität für Unternehmen, die sich ansiedeln wollen, und damit letztendlich auch an Steuerkraft. So entsteht eine Abwärtsspirale; so ist in einigen Kommunen bei uns im Land eine Abwärtsspirale entstanden, die für diese Kommunen in existenziellem Maße gefährlich geworden ist.

Deshalb ist die Altschuldenlösung auch nicht das Einzige, was wir als Landesregierung tun, um die kommunale Investitionsfähigkeit zu stärken. Ende letzten Jahres erst hat unsere grüne Fraktion gemeinsam mit der CDU-Fraktion einen Antrag auf den Weg gebracht unter dem Titel „Kommunale Investitionen erleichtern – öffentliches Vermögen nachhaltig sichern und aufbauen“. Darin haben wir aufgezeigt, wie mit einer Modernisierung und Flexibilisierung der kommunalen Haushaltswirtschaft Investitionen in wichtige Zukunftsaufgaben wie Klimaschutz, Klimafolgenanpassung, Ressourceneffizienz, Barrierefreiheit, Digitalisierung – ich könnte noch weitere nennen – deutlich erleichtert werden können.

Wenn die Landesregierung ihre Arbeit an der Umsetzung unseres Antrags insbesondere in der kommunalen Haushaltsverordnung erst abgeschlossen hat, dann wird auch das als ein Baustein dazu beitragen, den kommunalen Investitionsstau aufzulösen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Eine weitere wichtige Änderung, die ich zumindest kurz ansprechen will, haben wir mit dem NKF-Weiterentwicklungsgesetz auf den Weg gebracht, in dem wir unter anderem die Fesseln in der Haushaltssicherung gelockert haben, damit auch Kommunen in der Haushaltssicherung weiter investieren, ohne gesetzliche Restriktionen an Förderprogrammen teilnehmen und auch die entsprechenden Eigenanteile aufbringen können. Damit werden gerade in den Kommunen, die in ihrer Infrastruktur heute schon von den letzten Reserven leben, wieder neue Investitionen möglich.

Zentral aber bleibt, dass wir der Abwärtsspirale einer immer weiter zerbröselnden Infrastruktur mit einem Abbau der alten Liquiditätskredite – und damit komme ich zurück zum zentralen Thema der Altschuldenlösung – etwas wirklich Substanzielles entgegensetzen und den Kommunen damit wieder echte Handlungsfähigkeit zurückgeben.

(Christian Dahm [SPD]: Ich würde sagen: Thema verfehlt!)

Wer in der letzten Woche die Presse verfolgt hat, der hat deutlich gesehen, dass der neue Vorschlag zur Altschuldenlösung in der kommunalen Familie sehr positiv aufgenommen und aufgegriffen wird. Das ist wichtig, und das zeigt auch ganz deutlich, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Positiv stimmen mich auch die zumindest teilweise konstruktiv unterstützenden Töne aus der Opposition. Damit meine ich insbesondere die SPD – nicht die etwas exzentrische Inszenierung, die Herr Ott hier eben der Debatte vorgeschoben hat und die im Ton und in der Sache, denke ich, völlig überzogen war –,

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Widerspruch von der SPD)

sondern – um zum Thema und zur guten Zusammenarbeit zurückzukommen – die sehr konstruktive Debatte, die wir gerade in der vergangenen Woche mit der SPD-Fraktion im Ausschuss für Heimat und Kommunales hatten. Sie, liebe SPD, haben immer gesagt: Wenn die Landesregierung einen guten Lösungsvorschlag vorlegt, dann ziehen Sie mit uns an einem Strang.

(Zuruf von der SPD)

Ich habe den Eindruck, dass wir etwas vorgelegt haben, das für Sie anschlussfähig sein wird und auf dessen Grundlage Ihre Partei uns auch unterstützen kann und unterstützen muss.

(Justus Moor [SPD]: Vielleicht haben Sie die Rede gehört?)

Denn die Sanierung unserer Kommunalfinanzen ist ein gemeinsames Anliegen über Parteigrenzen hinweg – gerade für die Parteien, die in diesem Land in unseren Kommunen Verantwortung tragen, liebe SPD-Fraktion.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Deshalb kommt es jetzt umso mehr auf die Bundesregierung an, denn die hat in ihren Verlautbarungen immer die feste Zusage gegeben, die Hälfte der Altschulden übernehmen zu wollen, wenn die Länder für die andere Hälfte sorgen. Lassen Sie uns also bitte alle daran arbeiten, dass Bund und Land dieses Projekt gemeinsam zum Gelingen bringen! Setzen wir uns bitte bei unseren Parteikolleginnen und -kollegen in der Bundesregierung, im Bundestag, in der parlamentarischen Opposition und auch im Bundesrat dafür ein, dass auf diese Worte Taten folgen.

Christian Lindner als Bundesfinanzminister muss nachziehen. Der Bundeskanzler muss an dieser Stelle Führungsqualitäten zeigen und Klartext sprechen, dass die Arbeitsverweigerung im Finanzministerium aufhört. Lassen wir den Bund nicht aus der Verantwortung! Für diesen gemeinsamen Einsatz bedanke ich mich herzlich bei Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

Dr. Robin Korte (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe in der letzten Stunde versucht, der Debatte, den inhaltlichen Punkten zu folgen, um daraus ablesen, wie wir es gemeinsam schaffen können, diese historische Lösung für die nordrhein-westfälischen Altschulden auf den Weg zu bringen.

Dabei ist mir eine Aussage von Ihnen, Herr Moor, im Gedächtnis geblieben, dass Sie eben ganz lässig und selbstverständlich gesagt haben, die Zusage von SPD, Grünen und FDP im Bund stehe doch.

Ich muss sagen: Ja, das gilt vielleicht für eine vage Festlegung im Koalitionsvertrag, das gilt auch für regelmäßige Pressemitteilungen der Fraktionen im Bundestag, zumindest der von Grünen und SPD – von der FDP habe ich es noch nichts gesehen –, aber man muss der Ehrlichkeit halber schon sagen, wenn Sie sagen, die Zusage stehe doch: Vom zuständigen Bundesfinanzministerium kommt nichts. Da will man auch nichts vorlegen. Das wissen auch Sie genau. Sie sagen es aber nicht,

(Justus Moor [SPD]: Das ist falsch!)

sondern Sie eiern hier herum. Sie verlieren sich in Ausflüchten, Herr Moor, warum eine bundesweite Altschuldenlösung gar nicht kommen kann, warum auf keinen Fall der Bundeskanzler am Ende dafür verantwortlich sein kann.

(Christian Dahm [SPD]: Stimmt doch gar nicht!)

Im letzten Jahr haben Sie noch auf uns gezeigt, weil unser Angebot angeblich nicht gut genug war. Jetzt zeigen Sie, nachdem wir einen sehr substanziellen Vorschlag für eine Altschuldenlösung in NRW gemacht haben,

(Stefan Zimkeit [SPD]: Wo ist der? Können Sie uns den mal schicken?)

auf Bayern. Sie zeigen auf Bayern, um die Messlatte möglichst hochzuhängen. Aber das ist doch keine Argumentationslinie, die zu einer konstruktiven Lösungssuche beitragen kann.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Deshalb will ich noch einmal ganz deutlich sagen: Man braucht Bayern nicht unbedingt für eine bundesweite Altschuldenlösung. Was wir brauchen, ist die Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat, und die wäre mit den hier vertretenen demokratischen Parteien zu schaffen. An dieser Mehrheitsfindung, an dieser Mehrheitsschaffung müsste aber endlich auch seitens des Bundeskanzlers gearbeitet werden, sofern die SPD ihren Regierungsanspruch als Kanzlerpartei und als stärkste Partei im Deutschen Bundestag noch ernst nimmt.

Dass so ein Machtwort des Kanzlers notwendig ist, insbesondere angesichts des kleinsten Koalitionspartners in der Ampel, das hat eben Herr Wedel wieder mit dieser kleinkarierten Debatte bewiesen. Ich will mich gar nicht einlassen auf die vielen vorgeschobenen Argumente im Kleinen, warum denn jetzt das nordrhein-westfälische Modell im letzten Mikrodetail nicht konform sein könnte.

Es ist offensichtlich, dass Sie, Ihre Partei und insbesondere Ihr Vertreter im Bundesfinanzministerium kein Interesse an einer bundesweiten Altschuldenlösung zeigen und dass Steuergeschenke für gut Verdienende im Bundesfinanzministerium sehr viel weiter oben auf der Prioritätenliste stehen als die Sicherung der öffentlichen Infrastruktur und die Daseinsvorsorge für die Schwächsten in diesem Land.

(Beifall von den GRÜNEN und Thorsten Schick [CDU])

Umso wichtiger ist es, dass wir hier in Nordrhein-Westfalen anpacken, dass diese Landesregierung aus CDU und Grünen die Herausforderungen der Sanierung unserer Kommunalfinanzen annimmt, einen sehr substanziellen Vorschlag, ein Angebot für eine Lösung der kommunalen Altschuldenlösung vorgelegt hat.

Ich danke allen, die derzeit daran mitarbeiten, dass wir dabei zumindest hier im Land und in der Landesregierung auf einem guten Weg sind, und zwar mit Ihrer Unterstützung, liebe SPD, wenn Sie das wollen und wenn Sie das ernst meinen, auch mit der Bundesregierung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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