Verena Schäffer: „Wir brauchen den Dreiklang von Klimaschutz, Hochwasserschutz und Katastrophenschutz“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der FDP-Fraktion zum Hochwasserschutz

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Hochwasserkatastrophe von 2021 ist uns allen schmerzlich in Erinnerung. Jede und jeder von uns kennt jemanden, der oder die von diesem Hochwasser betroffen war. Ich persönlich werde die Begegnung mit einem Ehepaar in Euskirchen nie vergessen. Sechs Stunden lang klammerten sich die beiden in einem reißenden Sturzbach draußen vor ihrem Haus an die Fenster. Es gleicht einem Wunder, dass sie dieses Hochwasser überlebten.

Wir in Nordrhein-Westfalen wissen, was Hochwasser bedeutet. Deshalb möchte ich gerne vorab allen Betroffenen der aktuellen Hochwasser mein Beileid ausdrücken und allen Einsatzkräften von Katastrophenschutz, Polizei und Rettungsdiensten Danke sagen. Danke an alle helfenden Hände für das, was sie geleistet haben und leisten; dafür, dass sie Menschen in diesen Katastrophen helfen, über ihre Grenzen hinausgehen und dabei auch immer wieder ihr eigenes Leben riskieren. Dafür ein herzliches Dankeschön!

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Seit Beginn dieses Jahres sind bereits acht bzw. – um es anders zu sagen – die Hälfte aller Bundesländer von großflächigem Hochwasser betroffen gewesen. Das zeigt doch nur, wie dringlich die Aufgabe des Hochwasserschutzes ist. Eine Hochwasserdemenz, wie sie so oft nach Hochwassern eintritt, können und werden wir uns nicht leisten. Wir gehen den Hochwasserschutz in Nordrhein-Westfalen prioritär an.

Ich finde aber, man kann nicht über das Thema „Hochwasserschutz“ sprechen, ohne die Ursache zu benennen. Sie wissen, lieber Herr Dr. Pfeil, wie sehr ich Sie persönlich schätze, und trotzdem muss ich das hier sagen: Es gibt wohl nur eine demokratische Partei im Raum, die es schafft, einen Antrag zum Thema „Hochwasserschutz“ zu formulieren, ohne auch nur mit einer Silbe den menschengemachten Klimawandel als Ursache zu benennen, und das ist die FDP.

(Beifall von den GRÜNEN und Bianca Winkelmann [CDU] – Zurufe von der FDP: Oh!)

Natürlich hat es auch schon früher Hochwasser gegeben, aber …

(Zurufe von Marc Lürbke [FDP], Marcel Hafke [FDP] und Ralf Witzel [FDP])

– Wie bitte?

(Marc Lürbke [FDP]: Und deswegen müssen Sie mehr machen!)

– Wir sind dabei, mehr zu machen, im Gegensatz zu Ihnen. Wir machen nämlich Klimaschutz in Nordrhein-Westfalen. Sie haben den Klimaschutz über Jahre verhindert, Herr Lürbke.

(Beifall von den GRÜNEN – Marcel Hafke [FDP]: Wo denn?)

– Ja, wo denn? Wo hat die FDP den Klimaschutz in Nordrhein-Westfalen verhindert?

(Fortgesetzt Zurufe von der FDP – Glocke)

Sie lehnen doch bis heute noch den Kohleausstieg 2030 ab.

(Marcel Hafke [FDP]: Wo haben Sie denn gehandelt?)

Sie haben hier in Nordrhein-Westfalen über Jahre hinweg den Ausbau der Windenergie verhindert.

(Beifall von den GRÜNEN)

Und auf der Bundesebene haben wir einen FDP-Verkehrsminister, der sich weigert, auch nur eine Tonne CO2 einzusparen. Das ist die Klimapolitik der FDP!

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von Marc Lürbke [FDP] und Ralf Witzel [FDP])

So glaubwürdig, Herr Lürbke, sind also Ihre Aussagen zum Thema Hochwasserschutz.

(Ralf Witzel [FDP]: Mal zum Thema sprechen!)

Wir können doch nicht über Hochwasserschutz sprechen, ohne auch darüber zu sprechen, wie wir den Klimaschutz vorantreiben.

(Zuruf von Frank Müller [SPD])

Denn wir wissen, dass die Erderwärmung dazu führt, dass Starkregenereignisse häufiger und intensiver werden. Deshalb müssen wir auch über den Klimaschutz sprechen.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

Dazu dann auch zur SPD.

(Zuruf von Kirsten Stich [SPD])

Im Gegensatz zur FDP – und das erkenne ich hier sehr wohl an – hat Alexander Vogt die Herausforderungen im Klimaschutz benannt. Das ist auch richtig so. Aber ich will hier auch daran erinnern, was wir in den letzten zwei Jahren gemacht haben. Wie haben den Kohleausstieg 2030 vereinbart.

(Marcel Hafke [FDP]: Die Industrie geht flöten!)

Wir entfesseln die Windenergie. Wir treiben den Klimaschutz hier in Nordrhein-Westfalen voran. Wir bauen die Erneuerbaren aus. Wir sind da dran.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP]: Die Arbeitsplätze! – Zuruf von Frank Müller [SPD])

Ich will aber auch deutlich sagen, dass trotz aller Anstrengungen zum Klimaschutz die Auswirkungen der bisherigen Erderwärmung nicht verschwinden werden. Deshalb brauchen wir beides: Klimaschutz und Klimafolgenanpassung.

Dabei ist der Hochwasserschutz ein wichtiger Baustein. Wir legen die Priorität auf den Neubau und die Sanierung von Deichen. Wir wissen aber auch, dass wir hier einen jahrzehntelangen Sanierungsstau haben – wie so oft bei der öffentlichen Infrastruktur in Deutschland.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Es ist eine Generationenaufgabe, die wir hier vor uns haben. Aber wir gehen diese Aufgabe an. Wir setzen eine Priorität auf den Hochwasserschutz, weil wir wissen, dass Hochwasserschutz Leben rettet.

Dafür stellen wir eigene Landesgelder bereit, und wir rufen Bundesgelder ab.

(Marcel Hafke [FDP]: Ja!)

Die FDP pickt sich genau eine Säule von drei Säulen heraus. Also wirklich! Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! Die FDP benennt nämlich nicht die eigenen Landesgelder in Millionenhöhe. Ich will noch einmal daran erinnern, dass wir im Nachtragshaushalt 2022 über 100 zusätzliche Stellen für den Hochwasserschutz geschaffen haben – neben den Investitionsmitteln, die wir zur Verfügung stellen.

(Unruhe)

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, ich möchte Sie gerade einmal unterbrechen. Der Lärmpegel ist sehr hoch. Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, der Rednerin das Wort zu gönnen.

Verena Schäffer (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Wir stellen also Landesgelder zur Verfügung.

Was die FDP auch bewusst verschweigt, ist die hohe Abrufquote der regulären Mittel der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz, abgekürzt GAK. NRW ruft diese Mittel ab.

Sie thematisieren hier einzig und allein den Mittelabruf über den Sonderrahmenplan für Maßnahmen des präventiven Hochwasserschutzes.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Ja, es ist richtig: Auch wir können mit der aktuellen Abrufquote nicht zufrieden sein. Das hat Gründe – zum Beispiel, dass die Planfeststellungsverfahren so lange dauern, weil die Strukturen in Nordrhein-Westfalen komplexer sind als in anderen Bundesländern.

Dass Sie nur den Abruf dieser GAK-Sondermittel thematisieren, ist ziemlich durchschaubar. Denn während die FDP das hier im Landtag thematisiert, spitzt doch Christian Lindner in Berlin schon seinen Rotstift, um die Mittel mit Verweis auf die Abrufquote der Länder zu kürzen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zurufe von der FDP)

Wenn Sie wirklich etwas für den Hochwasserschutz tun wollen, liebe Kollegen von der FDP,

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

dann sorgen Sie lieber im Sinne der Menschen in Nordrhein-Westfalen mit uns dafür, dass diese Bundesmittel auch in Zukunft zur Verfügung stehen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Leider bleibt mir jetzt keine Zeit mehr für mein Herzensthema, das Thema „Katastrophenschutz“. Denn wir brauchen den Dreiklang von Klimaschutz, Hochwasserschutz und Katastrophenschutz. Sehr wohl gehen wir den Katastrophenschutz in Nordrhein-Westfalen an. Wir werden eine Landesfachstelle Katastrophenschutz auf Weg bringen. Das BHKG, also das Katastrophenschutzgesetz, werden wir novellieren, damit die vielen, vielen engagierten Einsatzkräfte im Katastrophenschutz im Einsatzfall optimale Voraussetzungen haben.

Lassen Sie uns also gemeinsam unserer Verantwortung auf allen Ebenen gerecht werden und uns nicht in so offensichtlich taktisch motivierten Manövern verheddern, wie die FDP das hier tut. Lassen Sie uns unserer Verantwortung gerecht werden. Dazu ist die Hochwassergefahr auch in Nordrhein-Westfalen viel zu ernst.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)