Dagmar Hanses_ „Das Verhältnis der AfD zum Rechtsstaat ist inakzeptabel“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der "AfD"-Fraktion zur Belastung in der Landesjustiz

Portrait Dagmar Hanses

Dagmar Hanses (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Diesen Montag hat das Oberverwaltungsgericht Münster eine Entscheidung getroffen, die nicht nur von rechtlicher, sondern auch von gesellschaftlicher Tragweite ist. Das Gericht hat bestätigt, dass die AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall vom Verfassungsschutz beobachtet werden darf.

Das ist das Ergebnis einer gründlichen höchstrichterlichen Beweiswürdigung und Prüfung, und diese Entscheidung basiert auf der Feststellung, dass die AfD Bestrebungen gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung verfolgt.

Ein wesentlicher Pfeiler dieser Grundordnung ist der Rechtsstaat. Er ist in unserem Grundgesetz verankert ist, garantiert jeder Person den Rechtsweg und sichert ein faires Verfahren vor unabhängigen Gerichten. Dieses Recht steht jedem und jeder zu. Die AfD weiß dieses Privileg nur dann zu schätzen, wenn es um ihre eigenen Interessen geht. Dennoch stellen Sie sich unverschämterweise als Beschützer des Rechtsstaats dar.

Das Verhältnis der AfD zum Rechtsstaat ist inakzeptabel,

(Beifall von den GRÜNEN)

und das zeigt sich besonders deutlich in Ihrer Reaktion auf das Urteil des OVG. Denn trotz Ihrer häufig kritischen Äußerungen gegenüber der Justiz hat die AfD sofort angekündigt, in die nächste Instanz zu ziehen.

(Christian Loose [AfD]: So etwas nennt man Rechtsstaat!)

Es ist bezeichnend, dass Sie jene Institution, die Sie sonst so wenig respektieren, nun für Ihre eigenen Zwecke nutzen wollen. Das entlarvt Sie als antidemokratisch.

(Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Dass ausgerechnet die AfD nun Rechtsnot beklagt, ist an Absurdität nicht zu überbieten. Wenn es nach der AfD ginge, hätten wir keine unabhängige Justiz, vor der alle Menschen gleich sind, sondern wir hätten eine Gesinnungsjustiz. Menschen würden aufgrund ihrer Herkunft, ihres Glaubens oder ihrer Identität verurteilt – so, wie das die AfD selbst tut.

(Zuruf von Dr. Martin Vincentz [AfD])

Das Erste, was Despoten und Rechtsextreme abschaffen wollen, ist eine starke unabhängige Justiz.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Anhand eines Zitats von Hans-Thomas Tillschneider von der AfD in Sachsen-Anhalt wird deutlich, wie diese nichtrechtsstaatliche Selbstjustiz der AfD. Er sagt: „Wer versucht, die AfD zu richten, den richtet die AfD.“

Es ist uns bekannt, dass die Justiz ebenso wie viele andere Bereiche vor großen Herausforderungen steht, Beschäftigte zu finden sowie die notwendigen Stellen zu schaffen und zu besetzen. Die ureigene Aufgabe eines Berufsverbands wie dem Bund der Richter und Staatsanwälte ist es, aus der Praxis heraus Forderungen an die Landesregierung zu stellen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Politik praxisgerechte, realistische Lösungen zur Bewältigung der Herausforderungen findet.

In NRW besteht ein großer Bedarf an Staatsanwältinnen und Staatsanwälten. Deshalb hat der Justizminister reagiert. Im Bereich der Richterschaft hat er dazu aufgerufen, sich freiwillig zu melden und in den staatsanwaltlichen Dienst abordnen zu lassen. 100 Richterinnen und Richter sind diesem Aufruf gefolgt. Das ist die größte Solidaritätsaktion in der Justiz Nordrhein-Westfalens.

Wenn sich jemand entscheidet, Richterin oder Richter zu werden, und nun als Staatsanwältin oder als Staatsanwalt arbeitet, ist das mit grundlegenden Änderungen verbunden. Denn es sind andere Arbeitsweisen; auf einmal steht man im Gerichtssaal auf einer anderen Seite.

Deshalb herzlichen Dank an alle Richterinnen und Richter, die sich zu diesem beispiellosen Einsatz bereiterklärt haben!

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Das kann man von der AfD nicht behaupten.

(Dr. Hartmut Beucker [AfD]: Aha? Ich helfe Ihnen mal!)

– Sie könnten sich an den Richterinnen und Richtern ein Beispiel nehmen. Keineswegs reißt das, wie Sie sagen, ein Loch in die Richterschaft. Denn vielmehr verstärken wir das Personal dort, wo es dringender gebraucht wird. Ohne staatsanwaltschaftliche Ermittlungen kommt es gar nicht zu gerichtlichen Verfahren. Deshalb ist es genau so notwendig, aber auch hinreichend.

Wir als regierungstragende Fraktionen haben bereits einiges auf den Weg gebracht, um dem Fachkräftemangel auch in der Justiz entgegenzuwirken. Die Landesregierung hat eine groß angelegte Imagekampagne auf den Weg gebracht. Die Ausbildungsoffensive wurde genannt. Kürzlich wurde auch bei den Voraussetzungen für den staatsanwaltschaftlichen Dienst die Examensnote leicht gesenkt, um befähigte, motivierte Volljuristinnen und Volljuristen für die Staatsanwaltschaft zu gewinnen.

Wir alle wissen, dass gegen Fachkräftemangel auch Zuwanderung hilft. Was die AfD davon hält, ist hinlänglich bekannt, und an einer echten Problemlösung ist die AfD nicht interessiert.

(Beifall von den GRÜNEN und Ina Blumenthal [SPD])

Ich habe jedoch einen Vorschlag, wie die AfD sofort dazu beitragen könnte, die Justiz zu entlasten. Sie könnte nämlich in ihrem Umfeld dafür sorgen, dass rechtsextremistische Straftaten zurückgehen. Das würde die Justiz wirklich entlasten. Allein 3.549 rechtsextremistische Straftaten im letzten Jahr sind eine erhebliche Belastung für die Justiz.

(Beifall von den GRÜNEN)

Festzuhalten ist, dass die AfD hier ihre Empörungsstrategie auffahren will, auch in anderen Bereichen, in denen Zuwanderung auch hilft. Das ist beschämend. Wie aufrichtig die Achtung des Rechtsstaats bei der AfD ist, zeigt sich daran, dass sie ihn nur in Anspruch nimmt, wenn es ihren eigenen populistischen, demokratiefeindlichen Bestrebungen nützt. Die Antwort kennen wir. Der AfD nützt es nicht. Und wir Demokratinnen und Demokraten stärken gemeinsam den Rechtsstaat. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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