Antje Grothus: „Den Wandel nachhaltig, sozialgerecht und ökologisch mitgestalten“

Zur Großen Anfrage der SPD-Fraktion zum Strukturwandel im Rheinischen Revier

Portrait Antje Grothus

Antje Grothus (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Strukturwandel ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ich zitiere aus der Antwort des Wirtschaftsministeriums:

„Der Strukturwandel ist und bleibt eine Gemeinschaftsaufgabe über Fraktionsgrenzen hinweg.“

Doch Sie, die SPD-Fraktion, nutzen die Antwort auf die Große Anfrage als Rundumschlag gegen die Landesregierung. Sie unterstellen, dass – ich zitiere – alle alles machen würden und dass eine übergeordnete Strategie fehle.

(Jochen Ott [SPD]: Stimmt ja auch! – Lena Teschlade [SPD]: Das steht in der Beantwortung!)

Dabei haben wir es in den letzten zwei Jahren geschafft, den Strukturwandel unter dem rollenden Rad zu evaluieren, und eine strategische Ausrichtung des Strukturwandels damit überhaupt erst ermöglicht.

Die Landesregierung hat den Projekthaufen, den sie vorgefunden hat, gewogen, gemessen und sortiert. Sie hat durch den Kassensturz ein Bild davon gewonnen, was bereits gut läuft und an welchen Stellen nachgebessert werden muss. Sie hat mit den Meilensteinen Ziele entworfen, an denen sich der Strukturwandel ausrichten und messen lassen kann. Sie hat mit dem Dialogverfahren Förder- und Qualifizierungsprozesse endlich handhabbarer gemacht: Förderzugänge – Frau Teschlade, Sie haben das verschwiegen – werden jetzt zeitgleich gesucht.

Da vieles von dem, was Sie geschildert haben, in die Zeit vor unserer Verantwortungsübernahme fällt …

Vizepräsidentin Berivan Aymaz: Frau Kollegin, es gibt eine Zwischenfrage von der Abgeordnetenkollegin Frau Teschlade. Möchten Sie diese gestatten?

Antje Grothus (GRÜNE): Gerne.

Vizepräsidentin Berivan Aymaz: Frau Teschlade, Sie haben das Wort.

Lena Teschlade (SPD): Vielen Dank, geschätzte Frau Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich möchte mich nur vergewissern: Haben Sie gerade gesagt, dass wir unterstellen würden, dass alle alles machten? Ich möchte nur darauf hinweisen, dass auf Seite 2 der Beantwortung der Großen Anfrage geschrieben steht, dass in der Landesregierung alle für den Strukturwandel zuständig seien. Das ist also keine Behauptung der SPD, sondern entstammt der Beantwortung der Landesregierung; nur als Hinweis.

Antje Grothus (GRÜNE): Danke, ich komme gleich gerne noch einmal auf den Punkt zurück. Wenn es darum geht …

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das ist aber nicht zulässig!)

Vizepräsidentin Berivan Aymaz: Ganz kurz: Es ist eine Zwischenfrage gewesen und kein Hinweis.

(Rodion Bakum [SPD]: Das war eine Frage! – Lena Teschlade [SPD]: Die Frage war, ob ich es richtig verstanden habe, dass Sie uns unterstellen, dass es von uns kommt! – Lachen von Christina Schulze Föcking [CDU])

Antje Grothus (GRÜNE): Ich habe es sozusagen aus der Großen Anfrage zitiert.

(Zuruf von den GRÜNEN: Ist doch beantwortet! – Lena Teschlade [SPD]: Dann sollten Sie aber den Zitatgeber richtig nennen! – Zuruf von Jochen Klenner [CDU])

Ich mache gerne weiter. Vieles von dem, was Sie geschildert haben, fiel vor die Zeit unserer Verantwortungsübernahme. Zeichnet man das Regierungshandeln jetzt mal auf einer Zeitachse ein, so wird schnell klar: Hier wird strategisch gehandelt.

2022 haben wir mit Regierungsübernahme und dem Eckpunktepapier das Ziel zu einem Kohleausstieg für 2030 gesetzt und für Planungssicherheit für Menschen und die Region gesorgt. 2023 haben wir die Strategiefähigkeit hergestellt, indem der Kassensturz gemacht und die Governance-Strukturen optimiert wurden.

Das Commitment der Regionen haben wir durch den Reviervertrag 2.0, den Sie, Frau Teschlade, mit unterschrieben haben, hergestellt und damit die Region als Partner im Schulterschluss mit der Landesregierung hinter dem Ziel des Kohleausstiegs 2030 vereint.

(Zuruf und Lachen von Lena Teschlade [SPD])

Wir stehen also gemeinsam hinter dem hohen Ambitionsniveau unserer Politik.

Mit den Meilensteinen machen wir den Strukturwandel messbar, indem wir ihn in Ziele und Zwischenziele herunterbrechen und mit konkreten Jahreszahlen hinterlegen.

Ebenso haben wir identifizierte Lücken adressiert. Das Programm der Zukunftsgutscheine hilft dabei mit, die Lücke im Zusammenhang mit der Transformationsberatung, Unterstützung und direkten Förderung von KMU zu schließen.

Im Rahmen des Gigawattpakts unterstützen wir die Kommunen im Rheinischen Revier seit diesem Jahr durch die Förderung von PV-Anlagen auf kommunalen Gebäuden.

Gemeinsam mit der Region wurden 19 Ankerprojekte identifiziert, die in den nächsten drei bis fünf Jahren in die Umsetzung gehen sollen. Es zeichnen sich erste Erfolge ab. Die Ansiedlung von Microsoft und Quanta Computer macht klar: Das Rheinische Revier ist hoch attraktiv für Unternehmen – zum einen durch die vorhandene Infrastruktur und die hohe Dynamik in der Region, aber eben auch, weil wir hier konsequent an der Umsetzung der Energiewende arbeiten.

Ohne unser klares Bekenntnis zum Ausbau der erneuerbaren Energien in NRW wären diese Ansiedlungen nicht möglich. Das Angebot an erneuerbaren Energien ist doch längst zu einem der wichtigsten Standortfaktoren geworden.

(Beifall von den GRÜNEN und Dr. Patricia Peill [CDU])

In Ihrem Statement via Presse fordern Sie, die SPD, einerseits strategisches Handeln und andererseits ganz opportunistisch dazu auf, nach der Microsoft-Ansiedlung nun alles auf eine Karte zu setzen.

Natürlich ist es wünschenswert, dass wir im Revier nun klug auf diesen Investitionen von Quanta Computer und Microsoft aufbauen. Ich möchte Sie allerdings darauf hinweisen, dass es Ziel des Strukturwandels ist, eine diversifizierte Wirtschaftsstruktur aufzubauen, um möglichst resilient Abhängigkeiten von bestimmten Branchen abzubauen. So steht es bereits im Strukturstärkungsgesetz.

Wir sehen ja, wohin uns und insbesondere die Beschäftigten in der Region die Abhängigkeiten von der Braunkohle geführt haben. Wir sprechen heute nur über diesen Strukturwandel, weil es eine so starke Fokussierung auf die Braunkohle gab. Für mich ist deshalb klar: Das Revier darf nicht von der einen in die andere Abhängigkeit rutschen. Wir dürfen also keine neuen einseitigen Abhängigkeiten aufbauen.

(Beifall von den GRÜNEN, Bianca Winkelmann [CDU], Dr. Patricia Peill [CDU] und Dr. Ralf Nolten [CDU])

Noch kurz zu Ihrer Fokussierung auf das Thema „Revierbeauftragte bzw. Revierbeauftragter“: Die SPD hat bereits im Oktober 2023, vor dieser Großen Anfrage, eine Revierbeauftragte gefordert.

(Lena Teschlade [SPD]:Stimmt!)

Jetzt, nach der Großen Anfrage, dürfen wir uns schon wieder diese ewig gleiche Leier anhören.

(Lena Teschlade [SPD]: Wir sind konsequent!)

Ich will es mal auf den Punkt bringen – so können Sie es ja auch in der Antwort nachlesen –: Wir brauchen keine neue Revierbeauftragte, denn wir haben bereits eine, nämlich unsere Landesregierung und die Stabsstelle im Wirtschaftsministerium.

(Beifall von den GRÜNEN und Dr. Ralf Nolten [CDU])

Ich muss ehrlich sagen: Ihre ständige Forderung nach dem immer Gleichen, einer Revierbeauftragten, zeugt von einem gewissen Maß an Ideenlosigkeit. Schlimmer noch: Sie sehen und wertschätzen die in den Ministerien geleistete Arbeit. Lassen Sie mich daher ganz klar sagen: Die Stabsstelle Strukturwandel und das gesamte Wirtschaftsministerium legen sich für das Revier und das Gelingen des Strukturwandels ins Zeug und leisten solide und gute Arbeit.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Zum Thema „Arbeitskräfte“ eine Frage: Wäre es angesichts der IW Consult-Studie aus dem Februar dieses Jahres nicht zielführender, gemeinsam um Lösungen zum Beispiel für den Fachkräftemangel zu ringen? Die Studie prognostiziert im Vergleich zu 2021 bis 2038 einen Beschäftigungseffekt von bis zu 33.000 neuen Arbeitsplätzen im Rheinischen Revier. Bei einer aktuellen Fachkräftelücke von 16.500 Stellen scheint der bloße Fokus auf die Anzahl von Arbeitsplätzen, so wichtig er auch ist, ein wenig zu kurz gesprungen.

Konstruktiv und verantwortungsvoll wäre es jetzt, Lösungsvorschläge anzubieten. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Modellregion für innovative Ausbildungs- und Umschulungskonzepte – Stichwort: modulare Ausbildung –,

(Lena Teschlade [SPD]: Ja, mach’ doch mal!)

die gemeinsam mit Arbeitsagenturen, Berufsschulen, HWKs und IHKs, Wissenschaft, Unternehmen und Gewerkschaften entwickelt werden könnten?

Wir als Fraktion und auch die Landesregierung kümmern sich konstruktiv darum und sprechen mit den Akteuren vor Ort, um diese zielgerichtet und nicht nur nach dem Gießkannenprinzip zu unterstützen.

(Lena Teschlade [SPD]: Wo denn?)

Ich komme zum Schluss. Die Antworten und das Handeln der Landesregierung zeigen, dass sie die aktuellen Herausforderungen im Rheinischen Revier im Blick hat und den Prozess nach einer Bestandsaufnahme gut nachjustiert hat und dies auch weiter tun wird. Dafür ist die Basis gelegt.

Für einen erfolgreichen Strukturwandel ist es daher dringend notwendig, die Diskussionen und den Blick gemeinsam und lösungsorientiert nach vorne zu richten und dass wir mutig zusammen für ein lebenswerteres Revier eintreten, das bei der Bekämpfung der größten Krisen dieser Zeit, der Klima- und der Biodiversitätskrise, vorangeht, das die Menschen dazu einlädt, in unsere Region zu ziehen, bei uns zu leben und zu arbeiten, und das es den Menschen ermöglicht, den Wandel nachhaltig, sozialgerecht und ökologisch mitzugestalten, denn unser aller Revier hat das verdient. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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