Dr. Julia Höller: „Von steigendem Vertrauen in staatliches Handeln profitieren wir alle, ganz besonders die Polizistinnen und Polizisten, die jeden Tag für unsere Sicherheit auf der Straße sind“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zu einem/einer unabhängigen Polizeibeauftragten

Portrait Dr. Julia Höller

Dr. Julia Höller (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Liebe SPD, vorab drei Punkte, bevor ich zu den Inhalten komme:

Erstens. Es braucht sich hier wirklich niemand Sorgen darum zu machen, dass wir Grüne uns nicht ausreichend für den unabhängigen Polizeibeauftragten einsetzen.

(Zuruf von der SPD: Oh! – Nina Andrieshen [SPD]: Davon merkt man nichts! – Zuruf von der SPD: Dann können Sie ja zustimmen!)

Ich verspreche Ihnen: Die unabhängige Stelle des Polizeibeauftragen beim Landtag kommt.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir haben das vereinbart, und wir in der schwarz-grünen Koalition halten uns an Vereinbarungen und Zusagen.

(Jochen Ott [SPD]: Warten wir es ab!)

Zweitens. Man soll keine negativen Vokabeln wiederholen; das habe ich gelernt. Hier musste ich aber lachen. „Selbstblockade beenden“ schreiben Sie in Ihrem Antragstitel. Sie machen sich zur Hüterin über unseren Koalitionsvertrag und sorgen sich, ob wir uns zu viel streiten. Diese Sorge nehme ich Ihnen gerne: Wir streiten nicht, sondern arbeiten konzentriert an einem Gesetzentwurf.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Drittens. Wir hätten in NRW schon längst, seit vielen Jahren einen unabhängigen Polizeibeauftragen beim Landtag, wenn die SPD unter Rot-Grün nicht dagegen gewesen wäre. Sie wollten das nicht!

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Norwich Rüße [GRÜNE]: Jawohl! Wir hätten es gemacht! – Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Man darf doch schlauer werden, oder?)

Darüber können Sie sich Sorgen machen.

Umso schöner ist es, dass Sie unseren Gesetzentwurf aus der 17. Wahlperiode, dem Sie dann aus der Opposition heraus – das ist immer einfacher – zugestimmt haben, quasi als Vorlage für Ihren Antrag genommen haben. Ich freue mich, wenn wir mit guten Argumenten überzeugen und die Opposition mitnehmen können.

Dass Sie aber versuchen, uns mit einer namentlichen Abstimmung vorzuführen, ist wirklich platt.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vielleicht versuchen Sie, mal eigene Ideen in die Innenpolitik in NRW einzubringen und sich nicht immer nur an dem abzuarbeiten, was wir machen oder nicht machen. Das würde das Ganze in der Sache voranbringen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Gordan Dudas [SPD])

Jetzt spreche ich zur Sache: Rechtstaatlich, bürgerorientiert und professionell – das ist unsere Polizei in NRW. Genau diese Werte verkörpert die unabhängige Polizeibeauftragte. Die Polizei trägt das Gewaltmonopol des Staates. Darauf haben wir als Gesellschaft uns geeinigt, damit nicht das Recht des Stärkeren gilt, sondern alle Menschen in Sicherheit leben können. Das ist eine große rechtsstaatliche Errungenschaft.

Mit dem Gewaltmonopol und den damit verbundenen starken Eingriffsrechten müssen wir besondere Ansprüche an die Polizei formulieren. Wir als Gesellschaft erwarten von unserer Polizei in jeder Situation absolute Professionalität. Egal wie körperlich anstrengend ein Einsatz ist, egal ob er in der letzten Stunde der Schicht stattfindet, egal wie provozierend das Gegenüber agiert und egal wie konfrontiert mit menschlichem Leid sie ist – die Polizei muss professionell handeln. Das und vieles mehr macht die Arbeit der Polizei zu einem Job wie keinem anderen. Dafür gilt den Polizistinnen und Polizisten unser Dank und unsere Anerkennung.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Es ist doch klar, dass da, wo mehr als 40.500 Menschen arbeiten – es sind Menschen –, Fehler passieren. Das ist keine Kritik und kein Misstrauen. Das ist eine Selbstverständlichkeit in einem so großen Apparat. Was einen freiheitlichen Rechtsstaat aber ausmacht, ist nicht die Abwesenheit von Fehlern, sondern die Frage, wie damit umgegangen wird.

(Beifall von den GRÜNEN und Matthias Kerkhoff [CDU])

Das gilt grundsätzlich für jedes staatliche Handeln. Es gilt für das Handeln der Polizei aber besonders. Neben den großen Herausforderungen hat das Handeln von Polizist*innen aufgrund der tiefen Eingriffsrechte nämlich stärkere Auswirkungen als anderes Verwaltungshandeln.

Es macht etwas mit einem Menschen, wenn er oder sie sich durch die Polizei ungerecht behandelt fühlt – egal ob es berechtigt war oder nicht. Das kann das Vertrauen in die Polizei und auch in andere staatliche Institutionen schwächen.

Seien wir ehrlich: Sich bei der Polizei über die Polizei zu beschweren, ist eine Hürde. – Diese Hürde werden wir nehmen und tragen so zur Bürgerorientierung bei.

Wesentliche Ziele des unabhängigen Polizeibeauftragen sind, gegenseitiges Verständnis zu erzeugen, zur Verständigung beizutragen sowie Mediation und Moderation. Die Erfahrungen in anderen Bundesländern zeigen genau das. Ganz häufig lösen sich Konflikte, ohne dass es zu einem Verfahren kommt. Damit ist der einzelnen Polizistin genauso geholfen wie der Person, die die Eingabe gemacht hat.

Der unabhängige Polizeibeauftragte ist aber nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger Ansprechperson, er ist auch für die Polizistinnen und Polizisten als direkte Ansprechstelle da.

Als ehemalige Beamtin weiß ich ganz genau, wie wichtig der sogenannte Dienstweg für eine funktionierende Verwaltung ist. Ich weiß aber auch, was für eine Hürde der Dienstweg sein kann, wenn es um Verbesserungsprozesse geht oder darum, auf Fehler hinzuweisen. Neben dem Dienstweg eine andere Möglichkeit zu haben, auf Fehler und Probleme hinzuweisen, stärkt die Fehlerkultur und die Polizei. Deshalb: unabhängig, beim Landtag und nicht Teil des Apparats.

Immer noch unter dem Eindruck der rechtsextremen Chats in Essen oder Münster und auch der Vorfälle in Lügde: Wenn es eine Chance gibt, dass eine solche Stelle Missstände aufdeckt und Leid nicht entstehen lässt, dann packen wir das an.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Thorsten Klute [SPD])

Wir haben diese professionelle Fehlerkultur sogar im Koalitionsvertrag festgehalten. Wir fordern diese Fehlerkultur von allen Führungskräften in der Polizei ein. Damit legen wir sehr viel Verantwortung auf die Schultern derer, die ohnehin schon viel Verantwortung tragen. Diese Verantwortung können und wollen wir den Führungskräften in der Polizei nicht nehmen. Aber mit der Stelle des unabhängigen Polizeibeauftragten unterstützen wir diejenigen in der Polizei, die eine solche Fehlerkultur leben wollen, vom Kommissarsanwärter bis hin zur Polizeipräsidentin. Wir gehen einen Schritt weiter, um nicht immer nur nach individuellem Fehlverhalten zu schauen, sondern aus einem Gesamtbild zu lernen. Das stärkt die Polizei.

Die Polizei genießt ein sehr hohes Vertrauen mit Umfragewerten von um die 80 %. Dieses Vertrauen genießt sie zu Recht. Ich gehöre zu den 80 %. Sie in diesem Raum sicherlich auch.

Aber was ist mit den anderen 20 %? Ein Teil dieser Menschen gehört besonders verwundbaren Gruppen an, die eigentlich einen ganz besonderen Schutz brauchen, die es aus Fluchtursachen, Familienhintergründen, Armuts- oder Rassismuserfahrung oder aus ganz anderen Gründen schwerer haben und die der Polizei nicht so vertrauen, wie wir das hier alle tun. Es ist unser Anspruch und unser besonderes Anliegen, auch diesen Menschen ein niedrigschwelliges Angebot, eine niedrigschwellige Kontaktmöglichkeit zu geben. Ich bin mir sicher: Von steigendem Vertrauen in staatliches Handeln profitieren wir alle, ganz besonders die Polizistinnen und Polizisten, die jeden Tag für unsere Sicherheit auf der Straße sind.

Bürgerorientiert, professionell, rechtsstaatlich – das sind die Grundsätze der Polizei in NRW. Darauf können wir und darauf kann die Polizei stolz sein. Genau das wird der oder die unabhängige Polizeibeauftragte beim Landtag verkörpern. Der unabhängige Polizeibeauftragte beim Landtag kommt, und zwar nicht, weil Sie, liebe SPD, diesen Antrag geschrieben haben, sondern weil wir als schwarz-grüne Koalition uns die Zeit nehmen, einen Gesetzentwurf zu schreiben, der alle überzeugt.

(Beifall von den GRÜNEN – Jochen Ott [SPD]: Das werden wir ja sehen!)

Übrigens ist es auch Ihre SPD-nahe Gewerkschaft, die uns ganz scharf dafür kritisiert, was Sie fordern. Wenn Sie wirklich so sehr an der Sache interessiert sind,

(Jochen Ott [SPD]: Was haben Sie denn für ein Gewerkschaftsverständnis? Unfassbar! – Kirsten Stich [SPD]: Unsere Gewerkschaft?)

wie Sie uns hier glauben machen wollen, dann gehen Sie doch dort in die Gespräche und überzeugen Sie dort.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Antrag ist zum jetzigen Zeitpunkt, wenn auch sachlich richtig, überflüssig. Die namentliche Abstimmung ist wohlfeil und zeigt, dass Sie an der Sache weniger interessiert sind als an politischen Spielchen, die, ehrlich gesagt, noch nicht mal besonders clever sind.

Wir als Koalition brauchen Ihre Aufforderung nicht. Deshalb lehnen wir den Antrag ab. Den Rückenwind für unser Anliegen nehmen wir aber natürlich gerne mit. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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