İlayda Bostancıeri: „Für uns Grüne ist die Selbstbestimmung der Frauen über ihren eigenen Körper nicht verhandelbar“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zum Selbstbestimmungsrecht von Frauen

Portrait Ilayda Bostancieri_klein

İlayda Bostancıeri (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Mit „Gehsteigbelästigungen“ wird ein Phänomen beschrieben – das haben die Kolleginnen vorhin erklärt –, bei dem Abtreibungsgegner*innen vor einer Beratungsstelle, in der Schwangerschaftskonfliktberatungen durchgeführt werden, oder vor Praxen und Kliniken, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, das Demonstrationsrecht schamlos ausnutzen und für das sogenannte ungeborene Leben demonstrieren.

In diesen vermeintlichen Demonstrationen wird oft laut für das ungeborene Leben gebetet. Passant*innen werden Schilder und Transparente mit falschen und irreführenden Informationen entgegengehalten, zum Beispiel zur Entwicklung von Föten. Patientinnen und Mitarbeiter*innen werden aktiv angesprochen, belästigt und teilweise bedroht. In vielen Fällen sind auch Akteur*innen vom rechten Rand und christliche Fundamentalist*innen involviert. Diese Demonstrant*innen wollen Schwangere aktiv davon abhalten, einen Abbruch durchführen zu lassen, und Mitarbeiter*innen einschüchtern.

Ende vergangenen Jahres gab es eine solche Kundgebung vor einer neu eröffneten Dortmunder Klinik, in der unter anderem Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden. Online wurde mit Videos zu dieser Kundgebung aufgerufen. Die Informationen, die dort verbreitet wurden, waren falsch und teils verstörend. Auf einer Homepage wurden zukünftige potenzielle Mitarbeitende bedroht, auch mit Gewalt. Sie sollten sich gut überlegen, ob sie dort überhaupt arbeiten wollten.

Wie viele gesellschaftspolitische Themen rund um die Selbstbestimmung von Frauen über ihren eigenen Körper sorgen Schwangerschaftsabbrüche immer wieder für besonders viel Diskussionen. Denn neben dem ethischen Aspekt, wann menschliches Leben eigentlich beginnt, geht es immer wieder auch um die Macht über den weiblichen Körper und darum, wer über den Körper einer Schwangeren mit welchen Mitteln bestimmen darf. Für uns Grüne ist die Selbstbestimmung der Frauen über ihren eigenen Körper nicht verhandelbar.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich bin dankbar dafür, dass alle demokratischen Fraktionen im vorigen Plenum Haltung gezeigt und deutlich gemacht haben, dass legale und sichere Schwangerschaftsabbrüche überlebensnotwendig sind und dass der Zugang dazu allen Schwangeren ermöglicht werden muss.

Kommen wir noch einmal dazu, was vor Beratungsstellen und gynäkologischen Praxen und Kliniken zuweilen los ist: Da werden Frauen, die sich nicht immer, aber manchmal in einem vulnerablen Ausnahmezustand befinden, auf einem möglicherweise schweren Gang zur Klinik oder Praxis belästigt und beschimpft. Der Deutsche Juristinnenbund positioniert sich hierzu sehr klar und fordert, dass Gehsteigbelästigungen – denn nichts anderes sind diese als Demonstrationen getarnte Ansammlungen von wütenden Menschen – als Ordnungswidrigkeit geregelt und mit Bußgeldern bestraft werden können.

Uns Grünen ist an einer rechtssicheren Lösung sehr gelegen. Es handelt sich jedoch um einen schwierigen Balanceakt auf einem sehr schmalen Grat. Es ist eine wichtige und mehr als berechtigte Forderung, Frauen in ihrer ohnehin schon schwierigen Situation vor den Belästigungen der Abtreibungsgegner*innen zu schützen. Es müssen Wege gefunden werden, Gehsteigbelästigungen an Orten zu verbieten, die Schwangere aufsuchen, um sich beraten zu lassen oder Schwangerschaften zu beenden.

Diese müssen aber so konzipiert werden, dass sie nicht im Ergebnis darin münden, das Versammlungsgesetz grundsätzlich für alle zu verschärfen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ein vom Gunda-Werner-Institut in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kommt zu dem Schluss, dass das Persönlichkeitsrecht einer schwangeren Person in der Regel schwerer wiegt als die Meinungsfreiheit, die Religionsfreiheit oder das Versammlungsrecht der Abtreibungsgegner*innen. Daher braucht es gezielte und spezifische Regelungen eben für solche Fälle.

Nicht nur NRW ist davon betroffen. Auf Bundesebene wird bereits an diesem juristisch komplizierten Thema gearbeitet, damit es schnell zu einer bundeseinheitlichen Lösung kommt.

Liebe SPD, in der Sache sind wir uns absolut einig, aber mit Blick auf eine baldige bundesweite Lösung für die ernste Problematik kommt Ihre Forderung einfach zu spät. Ich freue mich aber schon darauf, dass wir uns, sobald die rechtssichere Bundesregelung vorliegt, schnell an die Umsetzung auch in NRW machen können. Den vorliegenden Antrag lehnen wir daher ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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