I. Präambel
Der gewaltsame Tod des zwölfjährigen Mädchens aus Freudenberg löste bundesweit bei vielen Menschen tiefe Trauer und Erschütterung aus. Insbesondere der Umstand, dass sie von Gleichaltrigen getötet wurde, sorgt für Entsetzen. Es ist unbeschreiblich, welchen Schmerz und welche Trauer ihre Eltern, Verwandten und Freundinnen und Freunde durch den Verlust erleiden müssen.
Der Landtag von Nordrhein-Westfalen trauert um das getötete Mädchen und ist in Gedanken bei der Familie, ihren Angehörigen und Freundinnen und Freunden.
II. Ausgangslage
Gestiegene Kinder- und Jugendkriminalität im Bund und Nordrhein-Westfalen
Tötungsdelikte unter Kindern und Jugendlichen sind selten. Die Fallzahlen der Kinder- und Jugendkriminalität insgesamt erfassen weit überwiegend geringfügigere Delikte, die in ihrer Gravität nicht mit dem Tötungsdelikt in Freudenberg vergleichbar sind. Übereilte politische Entscheidungen aufgrund der furchtbaren Tragödie in Freudenberg sind unangemessen.
Gleichwohl müssen wir ernstnehmen, dass die Zahlen in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) bei der Kinder- und Jugendkriminalität für das Jahr 2022 bundesweit und auch in Nordrhein-Westfalen angestiegen sind, nachdem sie in den vergangenen Jahren stetig zurückgingen.
Inzwischen existiert an sieben Standorten in Nordrhein-Westfalen ein „Haus des Jugendrechts“. In diesen arbeiten Bedienstete der Polizei, der Jugend(gerichts-)hilfe und der Staatsanwaltschaft multiprofessionell zusammen. Ziel ist es, Kernkompetenzen miteinander zu verbinden und die Rückfallquote straffällig gewordener jugendlicher Intensivtäter zu verringern, ihnen schnell und konsequent Grenzen aufzuzeigen und sie zugleich in ihrer persönlichen und sozialen Lage zu unterstützen.
Ein weiterer Baustein der Arbeit der Landesregierung gegen Kinder- und Jugendkriminalität ist die Initiative „Kurve kriegen.“ Das Ziel des Projektes ist es, besonders kriminalitätsgefährdete Kinder und Jugendliche, die polizeilich bereits in Erscheinung getreten sind, so früh wie möglich zu erkennen und ihnen aus der Kriminalität zu helfen. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet die Polizei mit pädagogischen Fachkräften zusammen, und findet individuelle Angebote, um an den Ursachen für ihre Kriminalität anzusetzen. Daneben findet ein enger Austausch mit Angehörigen, Jugendämtern und Schulen statt.
Den Anstieg von Kinder- und Jugendkriminalität nehmen wir ernst und er bereitet uns Sorge. Für die Ausübung von Gewalt gibt es Risikofaktoren, die schließlich zu Straftaten führen können. Gewalt und Aggressionen unter Kindern und Jugendlichen kann verschiedene Dimensionen, Ausprägungen und Formen annehmen und an allen Orten stattfinden. Präventionsmaß-nahmen müssen einen nachhaltigen Beitrag dazu leisten, das Entstehen von Kriminalität bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern. Dabei ist auch das Internet als Plattform von Hassund Cyberkriminalität in den Blick zu nehmen.
Für diese aktuelle Entwicklung gestiegener Zahlen in kurzen Zeiträumen gibt es wenig wissenschaftlich fundierte Erklärungen. Um festzustellen, ob es sich um eine Trendumkehr oder um eine statistische Ausnahme handelt, ist es notwendig, diese Entwicklung zu untersuchen. Sie muss hinsichtlich ihrer Ursachen, Hintergründe und Kontexte wissenschaftlich unabhängig untersucht werden, um auf Grundlage der Ergebnisse im Sinne einer evidenzbasierten Politik geeignete Maßnahmen ergreifen zu können.
III. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
- Gewalt im Kindes- und Jugendalter, insbesondere unter Gleichaltrigen, ist eine gesamtgesellschaftliche Realität.
- Die Gründe und Ursachen für den aktuell deutlichen Anstieg von Kinder- und Jugendkriminalität sind nicht hinreichend untersucht.
- Weitere Handlungsoptionen in Bezug auf den gestiegenen Umfang von Kinder- und Jugendkriminalität müssen auf Basis von wissenschaftlich belastbaren Erkenntnissen zu ihren Gründen und Ursachen auf den Weg gebracht werden.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
eine unabhängige wissenschaftliche Studie durch die Landesregierung in Auftrag zu geben, die Erkenntnisse zu den Gründen und Ursachen für den Anstieg der aktuellen Fallzahlen von Kinder- und Jugendkriminalität und auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse ressortübergreifende Handlungsempfehlungen erarbeiten soll.