Arndt Klocke: „Das Thema ist viel zu wichtig, als dass es hier zu einem Hin und Her zwischen Opposition und Regierung kommen sollte“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNEN im Landtag zur Einsamkeit

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Soziale Isolation und Einsamkeit – das hat die Kollegin Oellers eben angesprochen – nehmen in Nordrhein-Westfalen zu. Fast 20 % der Menschen hier im Land sind betroffen; das ist eine hohe Anzahl. Wir alle wissen spätestens seit der Coronapandemie, wie wichtig persönliche Kontakte und der persönliche Austausch für jeden Einzelnen sind und wie sehr es Menschen schaden kann, wenn dies nicht vorhanden ist.

Einsamkeit ist nichts Gefühliges. Das muss man wissen, wenn man sich fragt, warum wir über Einsamkeit reden. Vielmehr geht es darum, gesund oder nicht gesund zu sein, es geht um Depressionen, es geht um Stressphänomene. Bei einsamen Menschen werden deutlich höhere Entzündungswerte im Körper festgestellt. Es geht natürlich auch um Suizidtendenzen. Dem soll entgegengewirkt werden.

Das alles wollen wir ändern. Deswegen gab es in der letzten Legislaturperiode eine sehr aktive und erfolgreiche Enquetekommission mit einer großen Fülle an Handlungsempfehlungen, nämlich 65 Expertenratschlägen. Die wollen wir jetzt umsetzen.

Es geht darum, Öffentlichkeit zu schaffen. Alleine das Schaffen von Öffentlichkeit und das Reden über dieses Thema sind ein großer Schritt, und das hilft Menschen. Dabei wollen wir nicht stehen bleiben. Schon die Tatsache, dass der Landtag in Nordrhein-Westfalen über das Thema „Einsamkeit“ spricht und dass unser Ministerpräsident dieses Thema immer wieder in relevanten, großen Reden adressiert, ist ein großer Schritt, um Menschen zu signalisieren: Ihr seid nicht alleine! Es ist völlig okay, das im Freundeskreis, in der Familie zum Thema zu machen, zum Arzt zu gehen und sich beraten zu lassen! – Das ist der erste große Schritt, um hier voranzukommen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Es ist gut, dass die Landesregierung mit der Einrichtung der Stabsstelle „Einsamkeit“ in der Staatskanzlei einen ersten Schritt getan hat. Wir wollen einen landesweiten Aktionsplan gegen Einsamkeit mit konkreten Schritten erstellen. Die entsprechenden 65 Handlungsempfehlungen werden uns hier weiterhelfen.

Wir wollen eine Studie in Auftrag hinsichtlich der Zunahme von Einsamkeit gerade bei Kindern und Jugendlichen geben. Das war für mich in der Enquetekommission eines der spannendsten Ergebnisse. Wenn man gesagt hätte: „Ältere Menschen sind von Einsamkeit betroffen“, dann würden sicherlich fast alle zustimmen. Es war aber ein spannendes Ergebnis dieser Enquetekommission, dass es in der Übergangsphase von Schule zu Ausbildung und Studium fast genauso starke psychische Phänomene gibt – Menschen, die eine Therapie aufsuchen, die sich medikamentös behandeln lassen, weil sie sich einsam fühlen.

Wir wollen mit einer Tiefenstudie reagieren, die darauf eingeht, was die Gründe dieser schlimmen Situation von Jugendlichen und jungen Menschen sind, um genau zu wissen, wie man hier agieren kann.

Das soll natürlich mit Fachexpertise erstellt werden. Das wird eine sehr wichtige Studie sein.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

An die Kolleginnen und Kollegen der SPD gerichtet. In einer Pressekonferenz in der vorletzten Woche hat die SPD der Landesregierung Untätigkeit vorgeworfen. Ich war nun lange genug selbst in der Opposition und kenne das Hin und Her. Es ist ja auch die Aufgabe der Opposition, Themen zu setzen.

(Thorsten Klute [SPD]: Ah! Richtig!)

Das große Plus dieser Enquetekommission war eine absolut gute fraktionsübergreifende Zusammenarbeit, bei der SPD mit Josef Neumann, der da wirklich sehr viel Herzblut und sehr viel Zeit investiert hat. Natürlich ist es total legitim, auf Mängel und Defizite hinzuweisen. Das ist logischerweise die Aufgabe. Aber ich würde mir wünschen, dass es an dieser Stelle nicht zum Parteienstreit kommt. Das Thema ist viel zu wichtig, als dass es hier zu einem Hin und Her zwischen Opposition und Regierung kommen sollte.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Wir haben diese 65 Handlungsempfehlungen gemeinsam verabschiedet. Die große Aufgabe für diese Legislaturperiode nach der Enquetekommission ist, das entsprechend umzusetzen. Die SPD ist herzlich eingeladen – natürlich die anderen Fraktionen auch –, daran mitzuwirken.

(Zuruf von Lena Teschlade [SPD])

Vizepräsident Christof Rasche: Lieber Herr Kollege Klocke, eine Zwischenfrage von der Kollegin Kapteinat.

Arndt Klocke (GRÜNE): Ja, selbstverständlich.

Vizepräsident Christof Rasche: Dann legen wir los, bitte.

Lisa-Kristin Kapteinat (SPD): Herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Es geht auch ganz schnell. Warum hat es dann keine Überweisung gegeben, damit wir das gemeinsam fortführen können, was gerade angesprochen wurde?

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Christof Rasche: Bitte schön.

Arndt Klocke (GRÜNE): Vielen Dank. – Unser Ziel ist, dass wir genau dieses Thema im federführenden Ausschuss regelmäßig, mindestes einmal im Jahr, aufrufen. Die ersten Schritte sind in diesem Antrag skizziert. Die Konferenz ist angesprochen worden. Das entsprechende Ehrenamtsprogramm „2.000 x 1.000 Euro“ ist eben von Kollegin Oellers angesprochen worden. Die Studie ist in dem Antrag enthalten, also die Jugendlichen-Studie, die jetzt in Auftrag gegeben wurde.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Aber dann wäre doch eine Überweisung möglich! – Zuruf von Thorsten Klute [SPD])

Das sind erst mal fünf Punkte, die wir auf den Weg bringen wollen und die wir in den nächsten Tagen und Wochen auch auf den Weg bringen werden.

Wir werden das ganze Thema im federführenden Ausschuss und sicherlich auch im Plenum sukzessive wieder aufrufen, um miteinander – natürlich auch mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD- und der FDP-Fraktion – Bilanz zu ziehen und zu gucken, wie wir an der Stelle weiterkommen können.

Wir wollen heute mit diesem Antrag ein wichtiges Signal setzen. Wir wollen auch über den Antrag abstimmen und ihn nicht erst an die Ausschüsse überweisen. Die Enquetekommission hat im letzten Frühjahr geendet. Das ist ein Jahr her. Heute wollen wir den Aufschlag machen für die zentrale, wichtige Arbeit der Landesregierung und der koalitionstragenden Fraktionen. In dem Antrag sind fünf zentrale Punkte aufgeführt. Lassen Sie uns jetzt die Arbeit machen!

Ich sehe, meine Redezeit ist abgelaufen.

Vizepräsident Christof Rasche: Aber es liegt noch eine weitere Zwischenfrage vor.

Arndt Klocke (GRÜNE): Dann lasse ich die natürlich auch zu.

Vizepräsident Christof Rasche: Das habe ich mir gedacht. – Herr Klute.

Thorsten Klute (SPD): Vielen Dank, geschätzter Herr Kollege Klocke. Vielleicht habe ich gerade nicht richtig zugehört. Dann wiederholen Sie es bitte noch einmal.

Wenn doch das Ziel ist, das Thema immer wieder in den Ausschuss – oder vielleicht auch in die Ausschüsse; eigentlich sind mehrere Ausschüsse betroffen – zu bringen und wenn uns doch allen an fraktionsübergreifender Zusammenarbeit so gelegen ist, warum haben wir dann hier eine direkte Abstimmung und keine Überweisung in den Ausschuss?

Ich möchte es gern noch mal hören. Warum überweisen wir es heute nicht, wo doch gerade von Ihnen gesagt wurde, dass es das Ziel sei, es in den Ausschuss zu bringen?

Vizepräsident Christof Rasche: Lieber Arndt Klocke, bitte.

Arndt Klocke (GRÜNE): Gern. – Herr Kollege Klute, das habe ich eben ausgeführt.

(Lena Teschlade [SPD]: Nein!)

– Doch. Ob Sie damit einverstanden sind, was ich Ihnen antworte oder nicht, das ist Ihnen überlassen. Ich habe auf die Frage von Frau Kapteinat eben geantwortet, und ich antworte auch Ihnen entsprechend.

Wir haben eine klare, konkrete Zusammenstellung, was wir konkret vorhaben.

(Zuruf von Lisa-Kristin Kapteinat [SPD])

Das wollen wir heute mit den Stimmen der koalitionstragenden Fraktionen verabschieden und auf den Weg bringen. Dass uns das Thema erhalten bleibt, dass wir es regelmäßig wieder aufrufen wollen, das ist uns doch allen klar. Das ist heute ein Startschuss, aber wir wollen nicht über Wochen und Monate hinweg Dinge diskutieren, sondern heute soll der Startschuss genau für die fünf Punkte gegeben werden.

(Zurufe von Lena Teschlade [SPD] und Thorsten Klute [SPD])

– Ja, das mag Ihnen nicht gefallen. So ist Politik halt manchmal.

Wir haben uns das vorgenommen, und wir werden dieses Thema regelmäßig weiter aufrufen. Es ist der SPD unbenommen, zur nächsten oder übernächsten Plenarwoche einen eigenen Antrag vorzulegen.

(Thorsten Klute [SPD]: Hatten wir sogar gestern schon!)

Den können wir auch durch alle Ausschüsse ziehen. Wir haben ein anderes Ziel. Deswegen haben wir das heute vorgelegt. Für uns ist wichtig: öffentlich sprechen, öffentliche Signale geben, Veranstaltungen, Maßnahmenprogramme, genauso, wie das im Antrag aufgeführt ist. Das Signal soll heute vom Plenum als Startschuss ausgehen. Ich bin sicher, dass es in der Öffentlichkeit so auch aufgenommen wird.

Wir werden zum Thema „Einsamkeit“ handeln. Wir würden uns sehr wünschen, dass Sie das aktiv unterstützen würden.

(Zuruf von Thorsten Klute [SPD])

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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