Gönül Eğlence: „Das traditionelle System der Zuständigkeiten und der Finanzierung ist überfordert“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zur Bildungsfinanzierung

Portrait Gönül Eglence

Gönül Eğlence (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Der vorliegende Antrag greift den Wunsch der kommunalen Spitzenverbände auf, die Schulfinanzierung grundsätzlich neu zu regeln. Um die Pointe vorwegzunehmen: Wir stehen zur Reform der Bildungsfinanzierung. Deshalb haben wir diesen Punkt auch explizit im Koalitionsvertrag verankert.

(Zuruf von der SPD)

Wir sind uns auch einig in der Analyse, dass sich die Anforderungen in der Schulpolitik deutlich ausgeweitet haben. Das traditionelle System der Zuständigkeiten und der Finanzierung ist überfordert.

Seit jeher gelten zwei Grundsätze für die Schulpolitik in Deutschland: Erstens. Schule liegt in der Zuständigkeit der Bundesländer. Zweitens. Für die inneren Schulangelegenheiten ist das Land zuständig, für die äußeren der Schulträger, also in der Regel die Kommune.

So klar und eindeutig das klingt, so wenig hat es mit der Realität zu tun. Zu dieser Realität gehört auch, dass in der alten Formel der Bund gänzlich fehlt. Angesichts der vielfältigen Herausforderungen war es daher nur folgerichtig, dass das Kooperationsverbot der 00er-Jahre aufgehoben wurde. Damit konnte sich der Bund am Ganztagsausbau, an der Schulsozialarbeit und an der Digitalisierung beteiligen.

Eine nachhaltige Unterstützung ist damit aber nicht gewährleistet; denn die Förderprogramme sind zeitlich befristet, und es findet keine systematische Förderung statt.

Auf Bundesebene gibt es im Koalitionsvertrag die Verständigung darauf, gemeinsam mit den Ländern die Finanzierung neu regeln zu wollen. Inzwischen liegen erste konkrete Vorschläge des Bundesbildungsministeriums zur Auswahl der rund 4.000 Schulen deutschlandweit vor, die vom Startchancen-Programm profitieren sollen. Damit haben wir eine gute Grundlage für die weiteren Verhandlungen zwischen Bund und Ländern. Trotzdem ist der Weg hin zu einer systematischen Beteiligung damit noch nicht abgeschlossen.

Auch das Land finanziert Bereiche, die traditionell äußere Schulangelegenheiten sind: digitale Infrastruktur, Schulsozialarbeit, Schulbau und vieles mehr. Das ist deshalb notwendig und daher auch richtig, weil klar ist, dass die Kommunen als Schulträger überlastet sind. Es ist aber unsere Verantwortung, sicherzustellen, dass die Schülerinnen und Schüler in NRW möglichst gleiche Bedingungen vorfinden, unabhängig von der Finanzkraft der jeweiligen Kommune.

Aber wie so oft bei tradierten Wegen verschwinden sie leider nicht durch bloßen Pragmatismus. Stellenweise büßen wir sogar eher Transparenz ein, was dann weder gerecht noch zielführend ist.

Noch komplexer wird es, wenn wir – wie im vorliegenden Antrag der Fall – nicht nur über Schulfinanzierung sprechen, sondern gleich das ganz große Fass der Bildungsfinanzierung aufmachen. Als Mensch mit zivilgesellschaftlichem Hintergrund im Bildungswesen kenne ich zahlreiche Beispiele von Akteur*innen an, in und um Schule herum, deren Finanzierungen sowohl über Vorgaben des Schulministeriums als auch über Landesfinanzierungen hinausgehen.

Als grüne Fraktion ist es uns insbesondere ein Anliegen, den steigenden Finanzbedarf im Bildungsbereich im Blick zu behalten und Ungleiches ungleich zu behandeln.

Auch wenn in NRW der Bildungsetat in den letzten 20 Jahren aufgestockt wurde, sind wir im Ländervergleich noch immer hintenan.

In der Gesellschaft gibt es einen breiten Konsens darüber, dass wir in Bildung investieren müssen. Aber wir sind gefordert, Strukturen und Zuständigkeiten so zu organisieren, dass die Mittel auch sinnvoll und effizient eingesetzt werden.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Abschließend will ich festhalten: Wir sind uns alle einig, dass die Komplexität der Fragen rund um die Neuregelung von Finanzierungssachverhalten auf allen Ebenen weitreichend bekannt und erkannt ist. Nun gilt es, systematisch an die Entflechtung der vielen Stränge heranzugehen und Schritt für Schritt voranzukommen.

Dafür setzen wir uns als Grüne ein. Ich bin zuversichtlich, dass wir zu einer gemeinsamen, klaren, transparenten Lösung kommen werden. Entscheidend wird dabei sein, dass die gefundene Lösung nachhaltig ist und weit über wenige Jahre hinaus hält. Das sind wir unseren Schülerinnen und Schülern schuldig.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

Gönül Eğlence (GRÜNE): Lieber Herr Ott, schön, dass Sie so laute Worte für ein unfassbar komplexes Thema finden.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Sven Wolf [SPD]: Aber auch die richtigen Worte! – Jochen Ott [SPD]: Ich war noch leise!)

– Das stimmt. Vielleicht waren Sie heute sogar sehr leise. Das ist wohl wahr.

Der Punkt ist aber doch, dass angesichts des Vorwurfs, wir würden unserer Verantwortung hier nicht gerecht, ein so kleiner Vorschlag, ein Gutachten zum Ist-Zustand zu erstellen, für ein solch komplexes Thema sehr hoch gegriffen ist. Sie wollen jetzt suggerieren, das sei die Lösung, die ein Thema, das seit 200 Jahren existiert, lösen könne.

(Zuruf von Gordan Dudas [SPD]

Das ist einfach nicht wahr, und letzten Endes passt das nicht.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU –Jochen Ott [SPD]: Vor einem Jahr wolltet ihr das auch noch! – Gordan Dudas [SPD]: Das haben Sie doch selber vorgeschlagen!)

Einen Begriff wie „New Deal“ – auch das ist sehr hoch gegriffen – zu bringen und dann vorzuschlagen, wir machen ein Gutachten zum Ist-Zustand – auch das sind aus meiner Sicht sehr kleine Vorschläge mit sehr großen Begriffen, die nach vorne gestellt werden. Lautstärke hilft da am Ende auch nicht.

(Beifall von den GRÜNEN – Andrea Busche [SPD]: Eine gute Grundlage ist das!)

Es gibt immer nicht nur eine Wahrheit. Die Ministerin hat vorgetragen, dass sie ein Rechtsgutachten zur Erfüllung des schulischen Bildungs- und Erziehungsauftrags in Auftrag gegeben hat. Auch das kann eine Antwort sein.

Die Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden führen wir, wie versprochen, nach wie vor.

(Sven Wolf [SPD]: Vielleicht muss man bei den Gesprächen auch mal zuhören!)

Ich würde Ihnen empfehlen, dass Sie, wenn Sie keine Vorschläge haben, die etwas mehr sind als eine Ist-Zustands-Beschreibung, die Begriffe etwas kleiner wählen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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