Norika Creuzmann: „Kinderrechte sollten respektiert, geschützt und gefördert werden“

Portrait Norika Creuzmann

Der Antrag „Auf Grundlage des Landeskinderschutzgesetzes den Kinderschutz in Nordrhein-West­falen weiter stärken: Eine unabhängige Beauftragte oder einen unabhängigen Beauftragten für die Belange von Kinderschutz und Kinderrechte für Nordrhein-Westfa­len einrichten“

Norika Creuzmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ich stehe heute hier vor Ihnen, um ein Thema anzusprechen, dass so viele Herzen bewegt und doch immer noch zu oft im Verborgenen bleibt: die Erfahrungen von Kindern, die geschlagen, vernachlässigt, nicht geliebt oder missbraucht werden; häufig eine Kombination von allem.

Das ist die traurige Realität, der sich viele Kinder jeden Tag stellen müssen. Es ist an uns, diese Realität zu ändern und jedem Kind ein Leben ohne Angst und Sorgen zu ermöglichen. Ich spreche über die Umsetzung von Kinderrechten, die uns alle angehen und in unserer gemeinsamen Verantwortung sind. Jedes Kind auf der Welt hat das Recht, geschützt und geachtet zu werden, unabhängig von seinem Wohnort, seiner Hautfarbe, seiner Religion oder seines Geschlechts.

Passenderweise war vergangenen Sonntag der Tag der gewaltfreien Erziehung. Ein zentrales Anliegen dieses Aktionstages ist es, Kinder vor Gewalt zu schützen und dafür zu sorgen, dass sie in einer sicheren und geborgenen Umgebung aufwachsen können.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Kinderrechte sollten respektiert, geschützt und gefördert werden. Die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen hat die Bedürfnisse und Rechte von Kindern auf der ganzen Welt betont, aber es gibt immer noch viele Herausforderungen bei der Umsetzung dieser Rechte. Die UN-Kinderrechtskonvention gilt auch in Deutschland. Auch das Grundgesetz, das BGB, das SGB, das FamFG, die Istanbul-Konvention, das Landeskinderschutzgesetz und das Bundeskinderschutzgesetz benennen eben genau diese Rechte.

Man könnte meinen, dass der Kinderschutz und die damit verbundenen Kinderrechte gut geregelt sind, doch es bestehen trotz allem in der Umsetzung erhebliche Lücken. Wir müssen dazu beitragen, diese Lücken zu schließen und ein Bewusstsein für die Rechte der Kinder zu schaffen.

Kindeswohl, Kinderschutz, Kinderrechte, Kindeswohlgefährdung – es vergeht keine Plenarwoche, in der diese Begriffe nicht auf der Tagesordnung stehen. Aus gutem Grund: Dem Statistischen Bundesamt lagen für 2021 194.500 Verdachtsmeldungen bei Behörden vor. 59.900 Kinder und Jugendliche waren tatsächlich von einer Kindeswohlgefährdung durch Vernachlässigung, psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt betroffen.

Jedes zweite gefährdete Kind war jünger als acht Jahre, jedes vierte sogar jünger als vier Jahre. In gut jedem fünften Fall wurden gleich mehrere Arten von Vernachlässigung festgestellt, und dieser Anteil steigt. Dabei ist das Dunkelfeld enorm groß, und viele Fälle werden nicht erkannt.

Zur Wahrheit gehört auch: Die meisten Meldungen kamen von der Polizei und der Justiz, die zuverlässigsten Meldungen aber von den Kindern selbst.

Die Wahrung der Kinderrechte sind ein Thema, das uns alle betrifft. Die Coronapandemie hat die Situation von Kindern weltweit noch weiter verschlechtert und hat uns gezeigt, wie dringend notwendig es ist, die Verwirklichung der Kinderrechte voranzutreiben.

Wir als Gesellschaft müssen gemeinsam daran arbeiten, dass jedes Kind auf der Welt seine Rechte genießen kann. Doch wir müssen nicht nur auf globaler Ebene, sondern auch hier in Nordrhein-Westfalen handeln. Wir müssen weitere Maßnahmen ergreifen, um den Kinderschutz zu verbessern. Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sowie andere Fälle von Kindeswohlgefährdung zeigen uns, dass Handlungsbedarf besteht. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen sollte für uns oberste Priorität haben.

Es ist ermutigend, dass in den letzten Jahren in Nordrhein-Westfalen viel unternommen wurde, um den Kinderschutz zu verbessern. Die Einrichtung des Untersuchungsausschusses zum Kindesmissbrauch und der Kinderschutzkommission waren wichtige Schritte in die richtige Richtung.

Mit der Verabschiedung des ersten und bundesweit stärksten Landeskinderschutzgesetzes im Jahr 2022 wurde hier in NRW ein Zeichen gesetzt – aber: Der Schutz von Kindern und Jugendlichen muss ständig weiterentwickelt werden. Wir müssen sicherstellen, dass alle Strukturen und Positionen, die eingerichtet werden, sinnvoll in das bestehende System integriert werden, um die Wahrnehmung der Kinderrechte und den Schutz von Kindern und Jugendlichen zu verbessern und Doppelstrukturen zu vermeiden.

Die Einrichtung des oder der unabhängigen Beauftragten für die Belange von Kinderschutz und Kinderrechten in Nordrhein-Westfalen ist ein weiterer wichtiger Schritt.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hat die grüne Fraktion mehrfach die Schaffung einer oder eines Kinderschutzbeauftragten gefordert. Dieser Idee konnten sich schließlich alle demokratischen Fraktionen mittels eines Entschließungsantrags zum Landeskinderschutzgesetz anschließen. Die Stelle wird dazu beitragen, die gesamtgesellschaftliche Sensibilisierung für die Themen der Kinderrechte und des Kinderschutzes zu fördern, Bestrebungen und Prozesse zu unterstützen und Impulse zu setzen. Dazu gehört vor allem die Prävention. Jeder Einzelne von uns trägt Verantwortung dafür, den Schutz von Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten. Kinderrechte müssen für alle Menschen in NRW in ihrer täglichen Arbeit, in ihrem Leben sichtbarer werden.

Es ist wichtig, dass jedes Bundesland eine Kinderschutzbeauftragte oder einen Kinderschutzbeauftragten hat, die oder der sich für die Rechte und für das Wohl von Kindern einsetzt, kritisch hinterfragt, den Finger in die Wunde legt, die Öffentlichkeit sensibilisiert und mit Expertise unterstützt.

Auf Bundesebene gibt es die sogenannte UBSKM: die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Wir wollen uns auf Landesebene breiter aufstellen und werden das fünfte Bundesland sein, das einen Kinderschutzbeauftragten haben wird. NRW kann neben Hessen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen fortan ein gutes Beispiel geben.

Wir müssen sicherstellen, dass die bzw. der Kinderschutzbeauftragte in allen Fragen des Kinderschutzes gehört und einbezogen wird und mit der Kinderschutzkommission im Land zusammenarbeitet.

Diese Person sollte eine unabhängige Ansprechperson für Belange des Kinderschutzes sein, die nicht nur auf Beschwerden reagiert. Sie soll auch proaktiv arbeiten, sich für Verbesserungen im Bereich des Kinderschutzes einsetzen und Bestands- und Defizitanalysen durchführen, um notwendige Handlungsfelder zu identifizieren.

Auch möchten wir den Betroffenen hier in NRW eine Stimme geben. Es sollen Beteiligungsformate entwickelt werden, damit ihre Perspektiven und Belange besser wahrgenommen werden.

Lassen Sie uns gemeinsam eine gerechte und nachhaltige Welt schaffen, in der jedes Kind seine Rechte genießen kann. Ich appelliere an Sie, sich aktiv an der Umsetzung von Kinderrechten zu beteiligen und die Position eines unabhängigen Kinderschutzbeauftragten in Nordrhein-Westfalen mit Ihrer Stimme zu unterstützen.

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass Kinderrechte nicht nur auf dem Papier stehen, sondern auch in der Praxis umgesetzt werden. Lassen Sie uns gemeinsam die Verantwortung übernehmen, die Bedürfnisse unserer Kinder zu erkennen und darauf zu reagieren. Lassen Sie uns ihre Rechte achten, ihre Stimmen hören und auf ihre Bedenken eingehen. Lassen Sie uns zeigen, dass wir uns um das Wohlergehen unserer Kinder kümmern und bereit sind, uns für ihre Zukunft einzusetzen. Schützen Sie die Rechte und das Wohl unserer Kinder; denn sie sind unsere Zukunft!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und Ihre Unterstützung in diesem wichtigen Anliegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Mehr zum Thema

Kinder & Familie