Dr. Julia Höller: „Wollen wir wirklich, dass die Ausübung wichtiger Grundrechte von dem Geldbeutel der Bürgerinnen und Bürger abhängt?“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zu Klimaprotesten

Portrait Dr. Julia Höller

Dr. Julia Höller (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Heute liegt uns also der Antrag der FDP zur Kostenübernahme von Polizeieinsätzen durch die „Letzte Generation“ vor. So weit, so vorhersehbar.

Wenn man die letzten Plenartage und die Sitzungen des Innenausschusses verfolgt hat, dann merkt man, wie sehr es Ihnen, Herr Lürbke, die Klimabewegung angetan hat. Jedes Thema drehen Sie so, dass Sie die Klimagerechtigkeitsbewegung in Ihren Anträgen, in Ihren Beiträgen kriminalisieren. Da überdeckt Polemik manch bedenkenswerte Idee.

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

Damit sich hier die Gemüter nicht hochkochen: Festkleben ist nicht meine Protestaktion, und es ist klar, dass Straftaten im Rahmen von Recht und Gesetz geahndet werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Steigen wir mal trotz sonderbaren Aufmachers mal etwas tiefer in den Antrag ein. Sie sagen, dass Personen, die einen Polizeieinsatz verursachen, dafür zahlen müssen. Ja, natürlich, das tun sie, durch Steuergelder wie wir alle.

(Ralf Witzel [FDP]: Oh!)

Rechtsverstöße werden natürlich auch geahndet. Menschen, die Ordnungswidrigkeiten begehen, zahlen Bußgelder,

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

und Menschen, die Straftaten begehen, müssen mit Strafverfolgung rechnen. Das ist doch klar, und das ist absolut richtig. Alles in Ihrem Antrag sind Allgemeinplätze. All das entspricht der alltäglichen Praxis. Was wollen Sie uns denn hier verkaufen?

Jetzt fordern Sie, dass neben Steuergeldern, Bußgeldern und von Gerichten festgestellten Strafen bestimmte Gruppen darüber hinaus zur Rechenschaft gezogen werden.

Dann denken wir den Gedanken doch mal weiter. Für welche Gruppen gilt das denn, dass diese für Polizeieinsätze zahlen? Die Forderung muss ja allgemein gefasst werden. Denn zahlen sollen ja wohl auch aus Ihrer Sicht nicht nur die, von denen es politisch gerade gewünscht ist. Sollen also alle Störer zahlen, oder werden die sogenannten Zweckveranlasser, also die den Anlass für die mögliche Störung bieten, zur Kasse gebeten? Das wären dann die Fußballvereine, die für den Einsatz zahlreicher Hundertschaften zahlen. Aber ab wann? Auch für kleinere Einsätze der Polizei, auch schon in der Oberliga, wo es den Vereinen finanziell gar nicht so gut geht?

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Oder zahlen die Fans im Stadion oder die Kirmesgängerinnen oder Anmelder von Schützenfesten? Ab 3 Hundertschaften, ab 7 oder ab 20?

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Öffnen wir damit die Büchse der Pandora?

Stellen wir uns vor, Bürgerinnen und Bürger wollen eine Demonstration anmelden, egal, zu welchem Thema, ob Demos für Steuersenkungen, für E-Fuels oder für bessere Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte. Auch hier stellt sich die Frage: Können sich alle möglichen Anmelderinnen den damit verbundenen Polizeieinsatz leisten?

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP]: Straftaten!)

Vermutlich die einen ja, die anderen nicht.

Wollen wir wirklich, dass die Ausübung wichtiger Grundrechte wie das Versammlungsrecht von dem Geldbeutel der Bürgerinnen und Bürger abhängt?

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Das ist nicht mein Demokratieverständnis.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Ralf Witzel [FDP]: Straftaten!)

Niemand in diesem Land soll jemals Angst haben, die Polizei zu rufen aus Sorge, wer dafür zahlt. Unsere Bürgerinnen und Bürger vertrauen zu Recht darauf, dass die Polizei in Gefahrensituationen unabhängig von der Kostenerstattung einschreitet. Sicherheit und Demokratie sind nicht umsonst. Sie sind uns aber viel wert.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Deshalb investieren wir in Polizistinnen und Polizisten. Die Polizei sorgt dann auch tatsächlich für mehr Sicherheit und sichert die Ausübung der Grundrechte. Das ist ihre Kernaufgabe.

Letzter Gedanke, zum Thema „Verhältnismäßigkeit und Verwaltungsaufgaben für die Polizei“. Man kann sich die Kostenübernahme ergebnisoffen gerne mal allgemein anschauen. Aber dann ist doch das Beispiel „Blockade von Straßen durch Klimaaktivisten“ vielleicht nicht der beste Aufhänger.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Denn das wichtigste Einsatzmittel in diesen Einsätzen ist – das haben wir in den letzten Monaten gelernt – Sonnenblumenöl, der Liter kostet 2,50 Euro.

(Marcel Hafke [FDP]: Können die selbst mitbringen!)

– Na ja. Wir wissen auch alle – das haben wir jetzt in den letzten Wochen auch gelernt –, niemand klebt so fest an den Autobahnen wie die FDP. Und auch da hilft kein Sonnenblumenöl.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Ihr Antrag ist keine gute Grundlage, um über das Thema „Kostenübernahme“ zu sprechen. Wir können das im Ausschuss gerne noch mal versuchen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Den Inhalt lehnen wir so, wie er dargestellt ist, ab. Der Überweisung stimmen wir gerne zu. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Jochen Ott [SPD]: Es ist wirklich lustig, CDU und SPD lauschen gespannt der Debatte!)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Es ist eine weitere Kurzintervention aus den Reihen der FDP angemeldet worden. Der Kollege Lürbke drückt bitte den Knopf, und ich schalte von hier aus frei. Jetzt das Statement der FDP.

Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident – Frau Kollegin Dr. Höller, ja, also ein bemerkenswerter Beitrag. Sie haben hier keinen Hehl daraus gemacht, wie sehr Sie die Klimakleber in Schutz nehmen wollen. Darum drehte sich ja die gesamte Argumentation.

(Beifall von der FDP)

Man muss sich schon wirklich anstrengen, das so bewusst zu verdrehen.

Es geht doch offensichtlich darum, dass hier Straftaten begangen werden, dass Straftaten mit Vorsatz begangen werden. Das ist eben ein klarer Unterschied. Herr Kollege Dr. Katzidis war ja zumindest noch ein bisschen abwägender unterwegs, auch zu dem Volksfest, zu einer Demonstration oder zum Fußballeinsatz. Hier geht es darum, dass bewusst im Vorfeld Straftaten in Kauf genommen werden.

Wenn Sie sagen, Sie wollen nicht, dass die Bürger Sorge haben, die Polizei zu rufen. Ja, das sehe ich auch so. Aber hier ist es doch genau andersherum. Hier ist doch das Gegenteil der Fall. Diejenigen, die sich da festkleben, wollen doch, dass die Polizei kommt,

(Beifall von der FDP)

die wollen doch diesen Polizeieinsatz bewusst provozieren, um damit größtmögliche Aufmerksamkeit zu erzielen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Lächerlich!)

Davon haben Sie sich null Komma null distanziert. Das lässt dann wiederum tief blicken.

Sie sagen, Sie wissen, dass das alltägliche Praxis ist,

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

dass das konsequent verfolgt würde. Die Realität ist doch anders. Woher wissen Sie das denn? Die Landesregierung weiß doch noch nicht einmal, wie viele Blockaden es denn überhaupt gab. Wie sollen wir denn überhaupt wissen, was verfolgt wurde? Also, das sind doch Luftschlösser.

(Beifall von der FDP)

Der letzte Hinweis: Ich empfehle den Blick nach Hessen. Sie können hier so viel schimpfen, das wäre alles nicht rechtsstaatlich, was wir hier fordern. In Hessen regiert Schwarz-Grün, und die machen das. Die Grünen sind dort in der Landesregierung. Vielleicht holen Sie sich da noch mal weitere Informationen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Lürbke. – Frau Dr. Höller, drücken Sie bitte den Knopf. Dann kann ich Sie für ein Gegenstatement freischalten.

Dr. Julia Höller (GRÜNE): Es ist immer wieder faszinierend, wie sehr Sie sozusagen diese ganze Frage der Klimabewegung und auch der Menschen, die die Protestform wählen, wo wir alle, glaube ich, die wir hier sitzen, denken, dass das nicht unsere Protestform ist …

(Ralf Witzel [FDP]: Das benennen Sie doch als Straftaten! – Zuruf von Marc Lürbke [FDP] – Gegenruf von Norwich Rüße [GRÜNE]: Hören Sie doch mal zu!)

– Sie dürfen gleich bestimmt auch noch mal reden. Jetzt bin ich dran.

Wir haben immer wieder betont – für Sie sage ich es gerne noch mal –, dass es natürlich so ist, dass Rechtsverstöße geahndet und Straftaten ermittelt werden.

Was Sie in Ihrem Antrag tun – ich sage es jetzt noch mal sehr deutlich –, ist: Sie vermischen Bußgelder mit Ordnungsgelder, mit Strafen, die durch Gerichte festgestellt werden. Sie werfen das alles in einen Topf, um eine Gruppe von Störerinnen und Störern herauszuziehen,

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

und die möchten Sie zusätzlich bestrafen. Auch hier gilt das Verbot von Doppelbestrafung. Sie vermischen alles, und das ist in diesem Fall einfach nicht korrekt.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Dazu gehört auch, dass es nicht richtig ist, hier eine Gruppe zu benennen.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Oh, Mann! – Weitere Zurufe von der FDP)

Mehr zum Thema

Innenpolitik