Dr. Robin Korte: „Anlieger*innen wurden Dinge versprochen, die so gar nicht zu halten sind“

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung zum Vorteilsausgleich

Portrait Robin Korte

Dr. Robin Korte (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man könnte meinen, wenn man nicht gerade Jurist oder Verwaltungsfachwirt ist, kommunales Beitragsrecht sei eine trockene Angelegenheit. Das denkt man aber spätestens dann nicht mehr, wenn man diese bisweilen hitzige Debatte erlebt, denn hier geht es konkret um Fragen, die für viele Menschen und auch die Handlungsfähigkeit unserer Kommunen fundamental sind.

Einerseits ist es die Frage, wann und wie wir Familien, die Wohneigentum besitzen oder erwerben möchten, Rechtssicherheit und Klarheit über die Beiträge geben, die sie für die Erschließung ihrer Grundstücke zahlen müssen, damit für die Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt sicher feststeht, dass sie sich nicht darauf vorbereiten müssen, dass ihnen zukünftig noch hohe Beitragslasten in Rechnung gestellt werden, und dass ihr Grundstück und sie selbst frei von dieser Last sind.

Allerdings ist gleichzeitig eine andere Frage berechtigt, die Sie ausgeblendet haben, Herr Moor, nämlich: Wie geben wir den Kommunen die Sicherheit, dass sie diese Beiträge, für die sie mit Straßen- und Kanalbau zugunsten der Anlieger*innen in deutliche Vorleistung gegangen sind, rechtssicher erheben können?

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Angela Freimuth [FDP]: Zehn Jahre sind eine unhaltbare Frist!)

Zwischen diesen beiden Polen, den jeweils für sich völlig berechtigten Ansprüchen der Anlieger*innen und der Kommunen, gilt es, einen klugen und vernünftigen Ausgleich zu schaffen. Genau diesen Ausgleich schafft dieses Gesetz, indem es sich an das Bundesrecht und die meisten anderen Bundesländer anschließt, indem es mit der 20-jährigen Verjährungsfrist genau die goldene Mitte zwischen den von Grundbesitzverbänden geforderten zehn Jahren und der vom OVG gesetzten Obergrenze von 30 Jahren wählt.

Nicht zuletzt schafft dieses Gesetz eines, nämlich Rechtssicherheit und Klarheit sowie vor allem einen Schlussstrich unter eine schwierige Debatte, die derzeit – das muss ich leider dazusagen; das hat auch Ihr Beitrag gerade bestätigt, Herr Moor – ganz bewusst mit Halbwahrheiten bedient wird, wie Sie es eben getan haben, als Sie irreführenderweise wieder den Fall der Gemeinde Mechernich zitiert und dabei das OVG-Urteil aus 2021 völlig ignoriert haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Deshalb stimmen wir dem Gesetzentwurf zusammen mit unserem schon in der letzten Woche im Ausschuss eingebrachten Änderungsantrag auch heute guten Gewissens zu. Wer Verantwortung für unser Land, unsere Kommunen und die Menschen hier tragen möchte, dem kann ich nur dringend empfehlen, sich uns dabei anzuschließen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Gleichwohl, auch das muss hier gesagt werden, sind das Verfahren und die Historie dieses Gesetzes insgesamt natürlich nicht glücklich und die öffentliche Debatte somit auch verständlich. Es ist in der Tat ärgerlich, dass ein Gesetz nach weniger als einem Jahr schon wieder geändert werden muss. Es ist ärgerlich, dass das notwendig ist, weil der letzte Landtag noch kurz vor der Wahl – ein Schelm, wer Böses dabei denkt, liebe FDP – eine Regelung verabschiedet hat, die in der kommunalen Praxis schlicht nicht funktioniert und rechtswidrig ist.

(Henning Höne [FDP]: Sie haben doch mitgestimmt! Sie waren noch nicht dabei, aber Ihre Fraktion hat mitgestimmt! – Lachen von der SPD und der FDP)

– Ich war nicht dabei, aber meine Fraktion hat gegen die zehn Jahre gestimmt.

(Henning Höne [FDP]: Sie hätten bestimmt alleine dagegengestimmt!)

Ärgerlich ist auch, dass damit im letzten Jahr einigen Anlieger*innen Dinge versprochen worden sind, die so gar nicht zu halten sind. Man kann oder besser könnte das kritisieren, liebe Oppositionsparteien, wenn man nicht, wie im Fall der FDP, das aktuelle, völlig untaugliche und gegen Bundesrecht verstoßende Gesetz selbst maßgeblich mit vorangetrieben hätte.

Insofern bleibt Ihnen auch gar nichts anderes übrig, als uns heute per Änderungsantrag das alte, unausgegorene und offensichtlich rechtswidrige Gesetz als Änderungsantrag erneut vorzulegen. Diesen Änderungsantrag lehnen wir selbstverständlich ab.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ernsthaft wundert mich das Verhalten der SPD. Sie schließen sich ohne jede Not diesem Änderungsantrag der FDP an,

(Justus Moor [SPD]: Weil er gut ist! – Zuruf von Henning Höne [FDP])

der nichts anderes zur Folge hat – das muss hier deutlich gesagt haben –, als dass er den Einzug eines großen Teils der Erschließungsbeiträge für unsere Kommunen unmöglich machen würde, weil Sie nämlich eine für die Kommunen nicht praktikable Zehnjahresfrist beibehalten wollen und weil Sie die Spatenstichregelung wieder aus dem Grabe auferstehen lassen, ohne dass es dafür irgendwie ein rechtssichereres Fundament gäbe – die Spatenstichregelung, die aktuell dazu führt, dass viele Kommunen aufgrund fehlender Rechtsklarheit die Erhebung von Erschließungsbeiträgen vollständig ausgesetzt haben,

(Elisabeth Müller-Witt [SPD]: Gott sei Dank!)

und zwar mit einem absehbar eklatanten finanziellen Schaden in mindestens dreistelliger Millionenhöhe für die öffentlichen Haushalte, für die Allgemeinheit, für die öffentliche Daseinsvorsorge.

Liebe SPD, bei Ihrer Verantwortung in Kommunen, bei Ihrer Verankerung dort und bei Ihrem immer wieder ins Spiel gebrachten Gerechtigkeitssinn sollte man schon meinen, dass Sie es besser wissen sollten und dass Sie hier mehr Verantwortung zeigen könnten.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von der SPD: Verantwortung für die Menschen!)

Präsident André Kuper: Herr Kollege, ich muss unterbrechen. Es gibt aus der FDP den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Lassen Sie diese zu?

Dr. Robin Korte (GRÜNE): Die lasse ich gerne zu.

Henning Höne (FDP): Herr Kollege Korte, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich verspreche, dass ich nicht seitenlang aus OVG-Urteilen vorlesen werde.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich weise nur darauf hin, dass eine Rechnung, wie man sie als Handwerksmeister üblicherweise verschickt, nach drei Jahren verjährt. Da Sie eine zehnjährige Frist für nicht angemessen halten: Würden Sie sich auch dafür einsetzen, dass übliche Rechnungen im normalen Rechtsverkehr demnächst zehn oder 20 Jahre abgerechnet werden können, oder halten Sie das dort für zumutbar?

(Beifall von der FDP – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Warum hast du denn nicht drei Jahre beantragt?)

Dr. Robin Korte (GRÜNE): Lieber Herr Höne, ich glaube, dass Sie gerade ganz bewusst Äpfel mit Birnen vergleichen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich will es Ihnen kurz darlegen. Das wissen Sie aber auch selber; Herr Wedel könnte Ihnen das sicherlich noch mal erläutern. Es ist auch in der Sachverständigenanhörung ausführlich dargelegt worden, dass es bei der Abrechnung von Erschließungsbeiträgen und anderen kommunalen Abgaben zum Vorteilsausgleich natürlich ganz andere Hürden gibt als bei Rechnungen, die ein Handwerker stellt. Sie haben es da mit dem Abschluss der Baumaßnahme, Rechtsstreitigkeiten über verschiedene Sachverhalte, dem Bebauungsplan und der Erschließungsbeitragssatzung zu tun. All das verzögert nicht selten die Beitragsverfahren um viele Jahre. Es ist aus meiner Sicht der falsche Ansatz, hier jetzt auch noch die Frist bewusst so kurz zu setzen, dass sie durch Rechtsstreitigkeiten aufgehalten und überschritten werden kann.

(Marcel Hafke [FDP]: Zehn Jahre – ganz kurzfristig!)

Das ist aus meiner Sicht der falsche Ansatz.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Damit komme ich zum Schluss. Erschließungsbeiträge haben einen Sinn und Zweck. Sie sind sozial gerecht und verursachergerecht,

(Jochen Ott [SPD]: Sie sind nicht sozial gerecht!)

weil sie dafür sorgen, dass nicht die Allgemeinheit den Wertzuwachs eines privaten Grundstücks mit bezahlt. Wenn man hinter diesem Prinzip steht – und das tun ja zumindest offiziell alle demokratischen Fraktionen –, dann muss man auch dafür sorgen, dass ihre Erhebung rechtssicher und nach guten Regeln möglich ist. Das tun wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf in der von uns im Ausschuss beschlossenen, geänderten Fassung.

Ich appelliere noch mal an alle Demokratinnen und Demokraten, diesen verantwortlichen Weg mit uns zu gehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Jochen Ott [SPD]: Wortbruch kann man nicht mitgehen!)

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