Dr. Julia Höller: „Der große rosa Elefant in diesem Antrag ist das Damoklesschwert Atomkraft in Grenznähe“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zu grenzüberschreitendem Katastrophenschutz

Portrait Dr. Julia Höller

Dr. Julia Höller (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Als ich den Titel zu Ihrem Antrag „Katastrophen kennen keine Grenzen. Die gemeinsame Zusammenarbeit mit den Beneluxländern ausbauen.“ gelesen habe, lieber Kollege Herr Pfeil, dachte ich: Super, da ist es jetzt, das Bekenntnis der FDP, die Gefährlichkeit von Kernkraft zu benennen und als rückschrittliche Technologie mit so großem Gefährdungspotenzial anzuerkennen,

(Beifall von den GRÜNEN)

gerade jetzt, wo Belgien die Laufzeit bis quasi zum Sankt-Nimmerleins-Tag verlängert hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, woran denken Sie, wenn Sie die Begriffe „Katastrophenschutz“, „Belgien“, „Rhein-Maas-Region“, „Aachen“ hören? Vielleicht an das Sendai Rahmenwerk für Katastrophenvorsorge der UN, das übrigens ein wichtiges Dokument für Katastrophenvorsorge – weniger für Katastrophenschutz – ist. Oder Sie denken vielleicht an Pandemie oder an Hochwasser. Möglicherweise denken Sie auch daran.

Aber, der große rosa Elefant in diesem Antrag ist das Damoklesschwert Atomkraft in Grenznähe. Das sind die Kraftwerke Tihange und Doel. Obwohl die maroden Reaktoren Tihange 2 und Doel 3 endlich abgeschaltet sind, besteht hier über Tihange 3 und Doel 4 weiterhin noch über viele, viele Jahre hinweg ein enormes Risiko. Das müsste in einem solchen Antrag definitiv benannt werden.

(Beifall von den GRÜNEN und Thomas Schnelle [CDU])

Genau dafür braucht es eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Katastrophenschutz.

Deshalb ist Ihr Anliegen, sind die beschriebenen Ziele ja auch richtig.

Wir alle wissen, dass das sogenannte Window of opportunity, das vor allem nach der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 vorhanden war, nicht mehr so lange offen ist. Deshalb ist es so wichtig, dass wir alle gemeinsam immer wieder nach vorn gehen und sagen: Wir werden, wir müssen den Katstrophenschutz in NRW weiter stärken und ausbauen. Da sind wir uns alle einig.

Die Klimakrise sorgt dafür, dass Extremereignisse zunehmen: Flusshochwasser, Waldbrände und Starkregenereignisse; hinzu kommen Gefahren durch menschliches Versagen, durch Sabotage- und Cyberangriffe und in der Euregio MaasRhein die absolut reale Gefahr eines nuklearen Unfalls.

Vizepräsidentin Berivan Aymaz: Frau Dr. Höller, es gibt eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Pfeil. Möchten Sie die zulassen?

Dr. Julia Höller (GRÜNE): Gern.

Dr. Werner Pfeil (FDP): Sehr geehrte Frau Kollegin, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie wissen: Ich komme aus Aachen und bin dort Mitglied des Städteregionstags. Wir haben gemeinsam mit allen Fraktionen die Klagen gegen Tihange initiiert.

Meine Frage zu dem Thema – ich habe Tihange extra in meiner Rede genannt –: Kennen Sie gemeinsame Schutzziele der Grenzregionen bei einem atomaren Unfall in Tihange oder Doel?

Dr. Julia Höller (GRÜNE): Vielen Dank für Ihre Frage. Ich bin übrigens auch ein „Öcher Mäddche“. Auch ich bin in Aachen geboren. Deswegen liegt mir diese Grenzregion sehr am Herzen.

Wenn man über diesen Katastrophenschutz in dieser Grenzregion spricht, ist meines Erachtens der erste Punkt, der benannt werden muss, das größte Risiko in dieser Region.

Deswegen stimme ich auch völlig zu, dass wir da viel stärker werden müssen. Ich hätte es aber richtig gut gefunden, egal, von welcher Parteienseite … Ich weiß, dass sich auch die FDP klar zu den alten maroden Reaktoren positioniert hat. Das finden wir sehr unterstützenswert. Aber auch jetzt ist diese reale Gefahr vorhanden,

(Dr. Werner Pfeil [FDP]: Natürlich!)

auch jetzt durch Tihange 3 und durch Doel 4.

Deswegen müssen wir in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit noch besser werden, und ja, auch in der Erarbeitung von Schutzzielen. Ich hätte es als sehr angemessen gefunden, diese Dinge auch in dem Antrag vornweg zu benennen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Zurück zum Katastrophenschutz, der ja das Wesen einer Katastrophe impliziert. Das impliziert, dass betroffenen Regionen an ihre Kapazitätsgrenzen kommen, weil normale Verwaltungsabläufe, wie wir sie alle kennen, wie sie die Mitarbeitenden kennen, eben nicht mehr in Krisensituationen angewendet werden können. Gerade dann, wenn Ereignisse Grenzen überschreiten, ist das ein Problem. Deswegen ist es insofern ein alter, aber nicht falscher Hut, dass Katstrophen nicht an administrativen Grenzen haltmachen.

Keine innovative, aber eine durchaus richtige und wichtige Erkenntnis ist es, dass Katastrophenschutz in Grenzregionen wie der Euregio auch in NRW gesamt nur gelingen kann, wenn Einsatzpläne, Ressourcenplanungen und Übungen eben grenzüberschreitend geplant und umgesetzt werden.

Die gute Nachricht aber – es ist unsere Aufgabe, auch da hinzuschauen – ist, dass schon eine ganze Menge passiert. Ich verzichte auf die Nennung der Einzelpunkte. Das wird die Landesregierung vermutlich gleich machen.

Aber mal ganz konkret: Wer ist denn bei uns für Katastrophenschutz zuständig? Es sind die Kreise und Kreisfreien Städte; und das gilt auch für die Grenzregion. Genau da, in dem grenzüberschreitenden Katastrophenschutz in der Euregio Maas-Rhein, ist es bereits gelebte Realität. Da gibt es den großen Verbund EMRIC, die Euregio Maas-Rhein Einsatz- und Krisenbewältigung, mit mehr als 30 Partnern, darunter die Städteregion Aachen, Feuerwehren, Ordnungsämter, die Provinzen Limburg und Lüttich. Das zeigt uns auf eindrückliche Art und Weise, dass Katastrophenschutz eben vor Ort passiert.

Es gibt ein gutes Beispiel, dass die Feuerwehr da zusammenarbeitet, nämlich weil Schlauchsysteme grenzüberschreitend gültig sind. Eigentlich haben sie unterschiedliche Schlauchsysteme, aber die Feuerwehren haben gegenseitig Adapter. Das klingt erst einmal banal, aber das ist genau das, was gelebtes Europa, gelebten Katastrophenschutz ausmacht, und vielleicht – und da sollten wir hinschauen – mehr noch als das 13. und 14. Netzwerktreffen. Denn da passiert konkret etwas vor Ort.

Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir das BHKG ändern und damit diese ganz zentralen ganzheitlichen Planungen angehen und gesetzliche Vorgaben machen, wie sich Kommunen mit Katastrophenschutzbedarfsplänen auf Katastrophen und auch auf Szenarien, die – fünf Euro ins Phrasenschwein – nicht an Grenzen halt machen, vorbereiten sollen.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss zu diesem Thema und bin zuversichtlich, dass wir da auch noch mal sehen werden: Es findet eine gute Zusammenarbeit statt, und wir finden auch sicherlich noch weitere konstruktive Lösungen, um den Katastrophenschutz in NRW weiter zu stärken. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

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