Julia Eisentraut: „Die freie Entfaltung unserer Persönlichkeit erfordert es, dass wir uns auch frei und unbeobachtet fühlen“

Zum Bericht der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit

Portrait Julia Eisentraut Februar 2023

Julia Eisentraut (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Erinnern Sie sich noch an das Schamgefühl, welches viele von uns hatten, als wir das erste Mal positiv auf Corona getestet wurden? Hätten Sie gewollt, dass diese Information in der Zeitung steht oder alle Nachbar*innen von Ihrem positiven Test wissen, vielleicht sogar, wo Sie sich angesteckt haben? Zeigen Sie jeder beliebigen Person Ihren Browserverlauf, oder lassen Sie Fremde dabei zusehen, wie Sie mit einer guten Freundin schreiben? Wie geht es Ihnen, wenn Ihre Mutter Ihre alten, peinlichen Kinderfotos, am besten auf dem Töpfchen, in den sozialen Netzwerken teilt und Sie verlinkt?

All diese Beispiele zeigen doch, wie wichtig Datenschutz als Thema ist –

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

vor allem, wenn man bedenkt, dass das Internet nie vergisst. Trotzdem sehen viele den Datenschutz als Blockierer und nicht als Ermöglicher.

Dabei wahrt der Datenschutz die Rechte auf Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung, welche sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ergeben. Das Bundesverfassungsgericht schreibt diesen Rechten in ständiger Rechtsprechung einen Menschenwürdekern zu. Ein Teil dieser Rechte wurzelt demnach im wichtigsten Grundrecht unserer Verfassung und ist somit gegen jeden Eingriff geschützt.

Doch warum ist das so? Die freie Entfaltung unserer Persönlichkeit – also das zu tun, was wir wollen und wann wir es wollen – erfordert es, dass wir uns auch frei und unbeobachtet fühlen. Jeder Mensch verhält sich in Abhängigkeit davon, ob man sich beobachtet fühlt oder nicht, anders.

Das Bedürfnis, sensibelste Informationen zu unserer Persönlichkeit, unserem Verhalten, unseren Vorlieben oder unseren Schwächen vor dem unbefugten Zugriff Dritter sicher zu wissen, macht den Menschenwürdekern im Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus. Diese Basis ermöglicht es uns allen, so zu leben, wie wir es möchten.

Doch Datenschutz geht darüber hinaus. Er garantiert auch, dass mein Konsumverhalten nicht beliebig durch Algorithmen automatisiert erfasst und kategorisiert werden kann, um mich in meiner Entscheidungsfähigkeit zu beeinflussen. Alle von uns kennen wahrscheinlich die aufploppenden Werbeanzeigen von Produkten, nach denen wir gerade eben noch gesucht haben.

Die Menschenwürde bedeutet im Kern, dass der Mensch als solcher einen Wert hat und nicht zum Objekt des Handelns des Staates oder anderer gemacht werden darf. Besonders in Bezug auf neue Technologien und automatisierte Datenverarbeitungsprozesse müssen wir daher darauf achtgeben, Menschen nicht als Summe ihrer Daten, sondern als freie Individuen wahrzunehmen. Darin liegt eine der wichtigsten Aufgaben des Datenschutzes.

Wir als schwarz-grüne Koalition sehen uns dem verpflichtet, wenn wir vertrauenswürdige digitale Systeme schaffen wollen. Deshalb werden wir auch im Dialog mit Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft für transparente und diskriminierungsfreie Algorithmen werben und darauf achten, nur solche einzusetzen.

Vor diesem Hintergrund danke ich den Beschäftigten der LDI und ganz besonders ihrer Leitung, Frau Gayk, als Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit des Landes Nordrhein-Westfalen für die Wahrnehmung ihrer wichtigen Aufgabe in unserem Land.

(Beifall von den GRÜNEN)

Mit der Kontrolle über die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben, der Bearbeitung von Datenschutzbeschwerden und Ihrer beratenden Tätigkeit für Bürger*innen, Unternehmen und öffentliche Stellen leisten Sie eine unerlässliche Arbeit für einen umfassenden Datenschutz und die Verwirklichung der bereits erörterten Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger.

Mit Blick auf die zu hohe Belastung wegen der unverändert hohen Eingangszahlen brauchen Sie eine geeignete Personalausstattung. Deshalb haben wir uns als Koalition darauf verständigt, Sie in Ihrer Beratungsleistung neben Ihrer Aufsichtsfunktion auch personell zu stärken.

Ich begrüße es daher ausdrücklich, dass wir uns mindestens einmal im Jahr die Zeit dafür nehmen, hier auch Ihre Arbeit zu würdigen. Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

In Ihrem Bericht zeigen Sie die Vielfalt der datenschutzrechtlich relevanten Themenfelder auf, die von digitalen Lernformen in den Schulen über Teststationen bis zu polizeilichen Datenbanken und Ermittlungen reichen. Diese Themen sind aus unserer Sicht sehr wichtig, und wir danken Ihnen für Ihre Arbeit und Hinweise in diesen Bereichen. Es wird deutlich, wie Sie in Kooperation mit staatlichen Behörden Datenschutzlücken schließen und auch Bürger*innen auf Missstände hinweisen. Auch die privatwirtschaftlichen Akteure kontrollieren Sie und sorgen mit fachlicher Kompetenz und notfalls Bußgeldern dafür, dass auch bei diesen die Daten der Bürger*innen sicher sind.

Zum Schluss meiner Rede danke ich Ihnen daher noch mal sehr herzlich und freue mich auf die künftige Zusammenarbeit. Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)