Dagmar Hanses: „Es geht um das Gelingen des Rechtsstaats“

Zum Entwurf der Landesregierung zum Haushaltsgesetz 2023, Einzelplan Justiz - zweite Lesung

Portrait Dagmar Hanses

Dagmar Hanses (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Die Erwartungen an die Rechtspolitik sind hoch, zu Recht, denn es geht um mehr als um das reine Funktionieren der Justiz. Es geht um das Gelingen des Rechtsstaats, dem alle Menschen in Nordrhein-Westfalen vertrauen können, unabhängig davon, woher sie kommen, welche Religion sie haben, welchen Aufenthaltsstatus sie haben, welches Alter sie haben, wo sie leben, welche geschlechtliche Identität sie haben oder wen sie lieben. Das Vertrauen in den Rechtsstaat baut auf einer gerechten, leistungsfähigen und modernen Justiz auf.

Damit das aber nicht nur leere Worte sind, stellen wir uns die Frage, wie das Justizwesen in NRW genau aussehen soll. Es soll vielfältig und divers sein und Gleichstellung berücksichtigen. Das sind wichtige Themen. Wir freuen uns sehr, dass darauf künftig ein Schwerpunkt gelegt wird. Wir brauchen viele engagierte und gute Mitarbeiterinnen in der Justiz. Die Justiz als große Arbeitgeberin kann es sich nicht erlauben, ganze Gruppen der Gesellschaft nicht anzusprechen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Unsere Gesellschaft profitiert nämlich von dieser Vielfalt. Wir müssen Diversität auch dringend in der Justiz besser abbilden. Wir wollen mehr Menschen mit Migrationsgeschichte gewinnen, mögliche diskriminierende Strukturen und Hürden abbauen, die Justiz barrierefreier gestalten und auch Frauen in Führungspositionen fördern.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Der Bereich, der schon angesprochen wurde, nämlich die Bekämpfung der Umweltkriminalität, ist wirklich eines der größten Kriminalitätsfelder der Organisierten Kriminalität und mit erheblichen wirtschaftlichen Schäden für unsere Gesellschaft verbunden. Wir werden das Ministerium bei der Bekämpfung der Umweltkriminalität und der Einrichtung der Schwerpunktstaatsanwaltschaft deutlich unterstützen, denn mit diesen 18 Stellen – Frau Bongers, die sind natürlich zusätzlich in diesem Haushalt verankert – werden natürlich auch die bestehenden Staatsanwaltschaften ein Stückchen entlastet, damit wir dem Ziel „PEBB§Y 100“ gemeinsam näherkommen können.

Damit wird den kriminellen Machenschaften im Bereich der Umweltdelikte entgegengewirkt. Große Umweltskandale der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass das dringend nötig ist und dass so die Verursacher juristisch belangt und zur Rechenschaft gezogen werden können.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Aber auch eine wirksame Bekämpfung der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche wollen wir als Schwerpunkt fortführen. Eine kinder- und jugendgerechte Justiz muss sich mehr und besser auf Jugendliche einstellen, die Zeugen sind, die Opfer im Strafverfahren sind. Sie müssen besser begleitet, betreut und gehört werden. Wir brauchen audiovisuelle Vernehmungen, Fortbildungen, kindgerechte Vernehmungen, gesonderte Zeugen-Opfer-Räume. Außerdem benötigen wir weitere Childhood-Häuser in Nordrhein-Westfalen.

Sie wissen, der Strafvollzug liegt mir besonders am Herzen, weil sich da viel konzentriert, was uns an gesellschaftlichen Krisen begegnet. Mit dem Justizvollzugsmodernisierungsprogramm, das die Vor-Vorgängerregierung auf den Weg gebracht hat, die letzte Regierung fortgesetzt hat, werden wir diesen Schritt weitergehen, weil da ein großer Bedarf besteht. Wir werden weiter an der Modernisierung der JVAn arbeiten, was mit Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 889 Millionen Euro hinterlegt ist.

Im Vollzug geht es auch um die Behandlung psychisch und körperlich kranker Gefangener. Das ist wichtig, weil der Gesundheitszustand vieler Gefangener nicht gut ist und psychische Erkrankungen zunehmen. Die Ausdehnung der Behandlungsplätze am JVK Fröndenberg mit ergänzendem Teilausbau der Telemedizin und Gewinnung von Ärzt*innen im Vollzug unterstützen wir mit Nachdruck.

Die gesamte Justiz funktioniert eben nur durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sie tragen. 43.000 Menschen arbeiten an unterschiedlichen Orten, Berufsgruppen und diversen Qualifikationen. Ich danke allen Wachtmeisterinnen, allen Richterinnern und Richtern, allen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern, Staatsanwältinnen, Amtsanwältinnen, pädagogischen Fachkräften, dem Allgemeinen Vollzugsdienst und vielen, vielen weiteren, die ich hier nicht alle nennen kann. Sie alle leisten eine wertvolle Arbeit für das Gelingen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Bei einer kleinen Berufsgruppe – ich habe nur noch wenige Sekunden Redezeit –, bei den Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern, weiten wir die Ausbildungsmöglichkeiten auf 350 Plätze mit einer Nebenstelle aus. Das ist ein wichtiger Baustein.

In diesem Haushalt sind nicht alle politischen Wünsche dargestellt, keine Frage, denn die aktuellen Rahmenbedingungen in dieser krisenhaften Zeit erlauben das nicht.

Für viele Beschäftigte hätte ich mir an einigen Stellen mehr gewünscht. Auch in Zukunft muss die Justiz eine faire Arbeitgeberin sein. Sie muss modern, digital und divers aufgestellt sein. Dieser Einzelplan ist ein Fundament dafür, dass das im Justizwesen auch in Zukunft gelingt. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)