Dr. Robin Korte: „Dass Kommunalpolitiker*innen bestmöglich geschützt werden, darf kein Zufall sein“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zum "Heißen Herbst"

Portrait Michael Röls

Dr. Robin Korte (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Thematik, die Sie, liebe FDP, in Ihrem Antrag ansprechen, ist ohne Zweifel – das haben schon mehrere meiner Vorredner*innen gesagt – sehr relevant. Es ist wichtig, dass wir hier darüber reden.

Denn unsere Demokratie wird vor Ort gestaltet, und zwar von Kommunalpolitiker*innen, die dies in der überwältigenden Mehrheit im Ehrenamt tun. Sie übernehmen damit eine hohe Verantwortung für die Entwicklung in unseren Städten und Gemeinden, nicht zuletzt für den politischen Diskurs dort. Dafür opfern sie – und das gehört zur Wahrheit – in nicht wenigen Fällen ein großes Stück ihrer Freizeit und damit Lebensqualität. Dafür möchte ich zunächst einmal in Richtung unserer Kommunen ganz herzlich Danke sagen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wenn aber diese Menschen, die sich so engagieren, zunehmend von Hasskriminalität und Hetze betroffen sind, dann obliegt es allen Demokratinnen und Demokraten in diesem Haus, dem entschieden entgegenzutreten.

In den letzten Jahren mussten wir leider in mehr als einem Fall beobachten, dass kommunale Amts- und Mandatsträger*innen bedroht, angefeindet und sogar angegriffen wurden.

Spätestens der Mord an Walter Lübcke hat uns vor Augen geführt, dass virtuelle Bedrohungen zur realen Gefahr für Leib und Leben werden können.

Wir können hier in Nordrhein-Westfalen von Glück reden, dass die Anschläge auf Andreas Hollstein in Altena und auf Henriette Reker in Köln nicht tödlich ausgegangen sind.

Dass Kommunalpolitiker*innen bestmöglich geschützt werden, darf kein Zufall sein. Dies muss ein gemeinsames Ziel aller demokratischen Fraktionen in diesem Haus sein und bleiben.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und der FDP)

Es ist nun einmal kein Zufall, dass die Fälle von Bedrohungen oder Angriffen gerade in den Jahren ab 2015, also im Zusammenhang mit der nicht selten rassistisch geführten Debatte um die Zuwanderung vieler Geflüchteter, massiv zugenommen haben und dass es darüber hinaus während der Coronapandemie und den Verschwörungsmythen darum herum einen weiteren deutlichen Anstieg des Aggressionspotenzials gab.

Wenn man sich diese Fälle und die dahinter liegende politische Motivation der Täter anschaut, muss man leider feststellen, dass Ihr Antrag, liebe FDP, an der Realität und den tatsächlichen Bedarfen der Betroffenen vorbeigeht.

Das liegt vor allem an einer völlig irrigen Grundannahme schon zu Beginn Ihres Papiers, bei der Sie sich, lieber Herr Höne, gerade nicht zu schade waren, sie in Ihrer Rede noch einmal zu wiederholen, nämlich der Gleichsetzung von Rechtsextremismus und Linksextremismus – diesem alten Mantra, dass wir es hier mit zwei Phänomenen mit vergleichbarem Gefährdungspotenzial zu tun hätten. Das ist ein Punkt, der sich einfach der Realität verweigert und der in die Irre führt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Henning Höne [FDP])

Denn es ist nicht etwa so, dass von beiden Milieus gleich viele Straftaten gegen Kommunalpolitiker*innen ausgehen. Ganz im Gegenteil!

(Henning Höne [FDP]: Das habe ich nicht behauptet! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Aber nahegelegt, Herr Kollege! – Henning Höne [FDP]: Das ist doch Schwachsinn!)

Sie selbst, lieber Herr Höne, nehmen in Ihrem Antrag Bezug auf das kommunale Monitoring von MOTRA aus dem letzten Jahr. Die Zahlen darin sind eindeutig. 4 % der Angriffe werden dem linken Spektrum zugeordnet, dagegen 18 % dem rechten Spektrum, also mehr als viermal so viele.

(Henning Höne [FDP]: Die 4 % wollen Sie hinnehmen?)

Hinzu kommt: 70 % der Angriffe kommen aus dem Coronaprotestspektrum, von dem wir wissen, dass es eng mit der rechten Szene verwoben ist.

(Henning Höne [FDP]: Also, Leute!)

Das BKA gibt zudem an, dass im Jahr 2019 – Sie haben selbst das BKA zitiert – 73 % der Hasspostings politisch rechts motiviert waren.

Wenn Sie aber, liebe FDP, nicht anerkennen, dass die größte Gefahr für unsere Demokratie von rechts kommt: Wie wollen Sie dann den Opfern sinnvoll helfen? Wie wollen Sie dem weiteren Hass begegnen? Wie wollen Sie Angriffen vorbeugen?

(Beifall von den GRÜNEN)

Ein weiterer Punkt, den Sie in Ihrem Antrag leider vernachlässigen, ist, dass bestimmte Personengruppen viel häufiger Opfer von Hass und Hetze werden als andere. Betroffen von Hate Speech im Internet sind vor allem schwarze Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund und Frauen, also genau die Gruppen von Personen, die in den meisten kommunalen Vertretungen schon heute unterrepräsentiert sind und dadurch noch weiter davon abgeschreckt werden, sich hier zu engagieren.

Erlauben Sie mir noch einige Worte zu Ihrem Forderungskatalog. Darin finden sich durchaus ein paar gute Ansätze, wie etwa, zu überlegen, wie man Ratsleute in die Studienlage einbeziehen kann. Andere Forderungen hingegen verstehe ich nicht, zum Beispiel die Forderung nach Aktualisierung der Handreichung „Mehr Schutz und Sicherheit von Beschäftigten im öffentlichen Dienst“. Die Handreichung ist mit Stand Anfang dieses Jahres online zu finden. Was wollen Sie denn da aktualisieren?

Es gibt also noch einiges zu besprechen. Deshalb ist es gut, dass wir in den Ausschüssen noch mehr Zeit haben werden, miteinander über Ihren Antrag und das grundsätzlich sehr wichtige Thema, das Sie hier aufgreifen, zu reden. Vielleicht ergeben sich ja in den Beratungen gute Ansätze, die es dann für die Regierung aufzugreifen gilt.

Vielleicht möchten Sie umgekehrt auch den Hinweis aufgreifen, endlich die unsägliche Hufeisentheorie über die Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus ad acta zu legen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Der Überweisung stimmen wir selbstverständlich zu. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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