Eileen Woestmann: „Um Chancengerechtigkeit zu erreichen, brauchen nicht alle die gleiche Unterstützung“

Zum Antrag der SPD-Fraktion

Portrait Eileen Woestmann

Eileen Woestmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Die Angebote der frühkindlichen Bildung sind enorm wichtig für die weitere Lebensbiografie. Gerade dort wird das Fundament gegossen, auf dem die spätere Bildung aufbauen wird. Wird hier nicht sauber gearbeitet, stimmt die Qualität der Bildung und der Betreuung nicht, hat das langfristige Auswirkungen.

Dabei ist auch klar, dass gerade Kinder, die aus einem Elternhaus kommen, in dem sie wenig Förderung und Unterstützung erhalten und unter Umständen erhalten können, von guter Betreuung profitieren. Sie können aber eben auch deutlich schlechter ausgleichen, wenn die Qualität nicht so ist, wie sie sein sollte.

Gerade das sollte bei all unseren Planungen unsere Richtschnur sein. Genau in den Stadtteilen, in denen die Armut hoch ist, in denen es viele Probleme gibt, müssten die besten Kitas und Schulen, die besten Bildungs- und Betreuungsangebote für unsere Kinder entstehen. Auch wenn die Gießkanne oft das einfachste Mittel der Wahl ist, müssen wir gezielter fördern und unterstützen können. Um Chancengerechtigkeit zu erreichen, brauchen nicht alle die gleiche Unterstützung. Manche brauchen mehr, und andere brauchen weniger, und das ist auch in Ordnung so.

Es fehlen momentan aber nicht nur Kitaplätze, sondern vor allem Fachkräfte, die unsere Kinder betreuen und ihnen Bildung ermöglichen. Dazu müssen wir gemeinsam etwas an den Rahmenbedingungen ändern. Die Arbeit als Erzieherin und Erzieher braucht gesamtgesellschaftlich mehr Anerkennung und Wertschätzung. Es muss endlich klar sein, dass das Betreuen und Bilden von kleinen Kindern nicht nur nettes Chichi ist, was eigentlich jeder erwachsene Mensch leisten könnte.

Die pädagogische Ausbildung hat vielmehr ihre vollste Berechtigung. Gerade durch die Coronapandemie hat die Belastung für die Kinder weiter zugenommen. Damit das gut aufgefangen werden kann, braucht es gut ausgebildete, motivierte und vor allem gesunde Fachkräfte, die mit den aktuellen Herausforderungen umgehen und pädagogisch sinnvolle und nachhaltige Lösungsstrategien entwickeln können.

Dabei sprechen wir nur von den fehlenden Fachkräften in der frühkindlichen Bildung. Mit dem Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz, der – keine Frage – absolut begrüßenswert ist, fehlen weitere Fachkräfte im System. Es fehlen Fachkräfte, damit der Rechtsanspruch umgesetzt werden kann, denn allein ein Gesetz löst dieses Problem nicht.

Nur, wenn Kinder auch in der Grundschule weiter verlässlich betreut werden, können Familien die Vereinbarkeit mit ihren Berufen auch gewährleisten. Nur, wenn die Kinder im Rahmen von OGS gut betreut werden, kann ein wichtiger Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit geleistet werden. Nur dann, wenn OGS weiter mitgedacht werden kann und nicht, wie in der letzten Legislatur bei der FDP, nur das „sonstige Personal“ in der Schule darstellt, kann ein solches Gesetz seine Notwendigkeit erfüllen.

Aber auch in dem Bereich braucht es eine deutliche Aufwertung der Wahrnehmung der pädagogischen Arbeit. Auch dort geht es nicht nur darum, ein bisschen das Mittagessen zu beaufsichtigen oder dafür zu sorgen, dass Kinder in Ruhe ihre Hausaufgaben machen. Vielmehr geht es darum, ein Bindungs- und Beziehungsangebot zu machen.

Wenn Schule und OGS zusammengedacht werden, dann werden auch Lehrerinnen und Lehrer entlastet.

Genau dafür brauchen wir aber Fachpersonen; Menschen, die wissen, was sie tun, die sich täglich Gedanken machen, die wissen, was pädagogisch notwendig ist, die eben nicht nur einen Ball auf den Hof werfen und sagen: „Hier, bitte, spielt ein bisschen Fußball“, sondern die sich überlegen, welche Spiele den Klassenzusammenhalt oder die Dynamik in der Krippe positiv beeinflussen.

(Zurufe von Frank Müller [SPD] und Dr. Dennis Maelzer [SPD])

Dabei muss uns auch klar sein, dass es für dieses Problem keine schnelle Lösung gibt. Auch ein jetzt durchgeführter Betreuungsgipfel schafft keine einzige zusätzliche Fachkraft, liebe SPD. Natürlich finden wir das Gespräch mit den Expertinnen und Experten und den Akteuren in diesem Bereich äußerst sinnvoll, es aber als große Lösung des Problems zu benennen, bleibt einfach etwas kurz gedacht.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir als Koalition haben uns darauf verständigt, dass das Problem des Fachkräftemangels anzugehen ist. Genau deshalb ist es wichtig und richtig, dass im Ministerium bereits jetzt die Stabsstelle zur Fachkräfteoffensive eingerichtet wurde. Vorhandene Ressourcen und Ideen können damit an einer Stelle gebündelt, bearbeitet und vor allem weiterentwickelt werden.

Mit der Stabsstelle hat das Ministerium den Startpunkt für den Marathon gesetzt. Wir haben den Mut, diesen langen Weg, der vor uns liegt, zu gehen. Dieser wird nicht einfach – das hat niemand behauptet –, aber wir als Koalition gehen das Problem an und verschließen nicht die Augen davor.

Zu der KiBiz-Reform habe ich in den letzten Sitzungen auch schon etwas gesagt. Ich kann mich nur wiederholen. Auch hier gilt: Eine ordentliche Reform braucht Zeit. Wir möchten nicht in dieser Legislatur schnell, schnell eine Reform durchbringen, die nach zwei Jahren neu aufgelegt werden muss.

(Frank Müller [SPD]: Nicht in dieser Legislatur oder nicht schnell?)

Ich freue mich auf die Fachdiskussion im Ausschuss. – Vielen Dank.

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