Marc Zimmermann: „Das Nonplusultra einer schulischen Ausbildung darf nicht länger nur das Studium sein“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNEN im Landtag zur Arbeits- und Fachkräfteoffensive

Portrait Marc Zimmermann

Der Antrag

Marc Zimmermann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ich freue mich außerordentlich, heute meine erste Rede hier halten zu dürfen. Ich freue mich umso mehr, weil es dabei um ein so außerordentlich wichtiges Thema geht. Mit Blick auf die vielen Krisen, die wir zu bewältigen haben, müssen wir doch festhalten, dass wir diese nur mit der Power und dem Know-how der Fachkräfte und Betriebe meistern können.

Wir müssen mit allen Mitteln für diese Berufe werben. Uns allen ist klar, dass es keine Werbung für den Beruf Kranken- und Altenpflegerin oder Kranken- und Altenpfleger darstellt, wenn als Lohn für eine über die Maßen anspruchsvolle Coronazeit nichts bleibt als ein freundlicher Applaus.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Es ist auch keine gute Werbung für den Beruf Erzieherin oder Erzieher, wenn man für seine Ausbildung selber aufkommen muss und später nur ein kleines Gehalt bezieht. Genauso ist es keine gute Werbung für einen Beruf im Handwerk, wenn man für die Ausbildung weite Strecken zur Berufsschule oder zum Berufskolleg zurücklegen muss und die Anerkennung in der Gesellschaft oftmals fehlt.

Dabei sind es genau diese Berufe, die so enorm wichtig für unser soziales Leben, unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt und die notwendige Transformation zum klimaneutralen Wirtschafsstandort NRW sind.

Was, wenn aus Mangel an Pflegekräften unser Gesundheitssystem wie in der Coronazeit in die Knie geht oder gar kollabiert? Kranke Menschen kommen nicht schnell wieder auf die Beine und stehen als Fachkräfte nicht zur Verfügung.

Was, wenn aus Mangel an Erzieher*innen Kitas geschlossen bleiben und Kinder nicht betreut werden? Dadurch entstehen Defizite, die unsere Gesellschaft nachhaltig beschäftigen werden. Die Wirtschaftskraft der Menschen, die wegen fehlender Kinderbetreuung keinen Job annehmen können, fehlt schmerzlich. Da reden wir im Hauptfall leider immer noch von Frauen, denn von Gendergerechtigkeit sind wir noch weit entfernt.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ebenso zahlt eine Meisterprämie zur Finanzierung des Meisterbriefs in die Gleichwertigkeit von dualer und akademischer Ausbildung ein. Dazu kommt die Fortführung der sehr erfolgreichen Meistergründungsprämie. Aber auch eine verbesserte Inklusion von Menschen mit Behinderungen in den ersten Arbeitsmarkt und damit eine echte Chance auf Teilhabe gehört dazu. Das längst überfällige Auflösen von genderstereotypen Berufsbildern bietet Potenzial für neue Fachkräfte.

Aber selbst mit all dem Genannten werden wir die derzeit fehlenden 360.000 Fachkräfte in NRW nicht kompensieren, zumal die Tendenz steigt. Wir brauchen auch Fach- und Arbeitskräfte aus dem Ausland. Diesen und auch bereits hier lebenden Arbeitskräften soll eine schnelle Anerkennung ihrer Fähigkeiten in Form von Kompetenz zum Papier ermöglicht werden, um dem Arbeitsmarkt vollumfänglich und schnell zur Verfügung zu stehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es gibt viele Ansätze, aber noch mehr Notwendigkeiten, hier aktiv zu werden. Aus den genannten Gründen ist die geforderte interministerielle Steuerungsgruppe ein so wichtiges Element. Was, wenn wir keine Handwerker und Handwerkerinnen haben und Katastrophen an der Ahr und in der Eifel Infrastruktur zerstören? Solche Ereignisse werden mit fortschreitendem Klimawandel häufiger und heftiger. Dann brauchen wir die Handwerker und Handwerkerinnen, die schnell und fachgerecht unsere zerstörte Infrastruktur aufbauen; denn eine zerstörte Infrastruktur ist Gift für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Dazu kommt, dass wir „1,8 % Wind an Land“ und „PV auf jedes Dach“ noch so oft in Verträge schreiben können: Es braucht diejenigen, die es umsetzen. Nur dann können wir auch unsere Klimaziele erreichen.

(Beifall von den GRÜNEN und Frederick Cordes [SPD])

Wir brauchen also dringend Maßnahmen, um die duale Ausbildung mit der akademischen gleichzustellen. Das Nonplusultra einer schulischen Ausbildung darf nicht länger nur das Studium sein. Die Karrierechancen durch eine duale Ausbildung stehen dem in nichts nach.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Deshalb muss es verbesserte Berufsorientierung auch und insbesondere an Gymnasien geben, und wir müssen eine Absicherung kleiner Fachklassen in Berufsschulen und Berufskollegs sicherstellen.

Der Fachkräftemangel ist keine alleinige Aufgabe für das MAGS. Fachkräftemangel muss mit der Brille verschiedenster Ressorts betrachtet werden. Wir sollten wegen der gesellschaftlichen Brisanz alle zusammen konstruktiv auch in den Fachausschüssen Ideen und Initiativen gegen die bestehende Fachkräftekrise entwickeln, bevor diese zur Fachkräftekatastrohe wird. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Christof Rasche: Vielen Dank, Herr Zimmermann, und nochmals herzlichen Glückwunsch zu Ihrer ersten Rede.

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