Eileen Woestmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sprache hat eine enorme Bedeutung für unsere Gesellschaft. Sie ist das Medium des täglichen Umgangs. Sie unterstützt Teilhabe, fördert die zwischenmenschliche Kommunikation. Sie ist entscheidend für den beruflichen Werdegang.
Gerade die sprachliche Entwicklung in den ersten Lebensjahren ist entscheidend für spätere Lernerfolge und Bildungsbiografien. Das Bundesprogramm Sprach-Kitas setzt genau dort an und ist deshalb ein wichtiger Beitrag für Chancengerechtigkeit.
Das Bundesprogramm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ hat seit dem Jahr 2016 Kindertageseinrichtungen unterstützt, in denen überdurchschnittlich viele Kinder einen sprachlichen Förderbedarf hatten. 2022 wurden durch dieses aktuelle Förderprogramm rund 1.500 Stellen für Sprachförderkräfte in knapp 1.500 Kindertageseinrichtungen sowie 101 Fachberatungsstellen hier in NRW gefördert. Es flossen rund 47,6 Millionen Euro in unser Land.
Und nun, man könnte auch sagen, irgendwie plötzlich, hat die Bundesregierung entschieden, dass dieses wichtige Förderprogramm zum Ende des Jahres beendet werden soll. Dadurch entstehen extreme Unruhen in den Kitas, in denen die Lage eh schon anspannt ist Wir wissen das, und wir sehen das. Der Bund sagt zwar jetzt, dass die Sprachförderung auch mit den Mitteln des zukünftigen KiTa-Qualitätsgesetzes finanziert werden kann, aber wir alle wissen, dass es mehr braucht.
Liebe SPD, liebe FDP, also: Ein wenig wundern muss man sich über Ihren Antrag ja schon.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Die Beschreibung des Zustands ist absolut richtig, und Sie liefern auch direkt Antworten mit, warum eine Umsetzung von Bundes- auf Landesebene nicht so einfach möglich ist. Dass dabei das Familienministerium sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene grün geführt wird, ist dabei mehr als praktisch, oder?
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Man kann schön die Verantwortung von sich weisen und so tun, als hätte man damit überhaupt nichts zu tun,
(Beifall von den GRÜNEN)
als gäbe es keinen Bundeskanzler Olaf Scholz von der SPD und keinen Finanzminister Christian Lindner von der FDP
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
und als gäbe es keinen Ampelkoalitionsvertrag, in dem alle drei Parteien auf Bundesebene klargemacht haben, dass sie eine Weiterentwicklung und eine Verstetigung des Programms „Sprach-Kitas“ haben möchten.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Vor diesem Hintergrund ist Ihr Antrag durchschaubar und vor allem nicht an der Sache orientiert.
(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])
Noch vor zwei Wochen hat unsere Familienministerin Josefine Paul
(Sarah Philipp [SPD]: Was machen Sie denn jetzt?)
im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend die Sachlage und das Vorgehen transparent dargestellt.
(Marcel Hafke [FDP]: Und was machen Sie jetzt?)
Uns allen sollte klar sein, dass wir gerade hier in Nordrhein-Westfalen alle zusammen in einem Boot sitzen und an einem Strang ziehen sollten.
(Jochen Ott [SPD]: An welchem? An welchem Strang?)
Der Koalition von CDU und Grünen ist bewusst, wie wichtig die Fortsetzung dieses Programms und die Erhaltung der Beschäftigten,
(Zurufe von der SPD)
die bislang über diese Förderung beschäftigt werden, ist.
(Sarah Philipp [SPD]: Dann machen Sie etwas dafür! – Jochen Ott [SPD]: An welchem Strang?)
Aber zur Wahrheit gehört auch, liebe FDP: Die Misere begann auf Bundesebene mit Ihrem Finanzminister Christian Lindner. Hier wurde der Rotstift im Haushalt angesetzt, um die Schuldenbremse noch zu halten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dabei kam dann leider das Sprachförderprogramm in den Kitas unter die Räder.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Jochen Ott [SPD]: Was habt ihr denn da verhandelt?)
Ja, Bildung ist Ländersache. Aber so kurzfristig Mittel zu streichen, um dann darauf hinzuweisen, die Länder könnten das doch mal eben übernehmen, ist nicht realistisch gedacht. Das gilt vor allem auch deshalb, weil im Koalitionsvertrag noch eine Fortschreibung der Mittel verankert war.
(Marcel Hafke [FDP]: Da kann sich die Bundesfamilienministerin wohl nicht durchsetzen, was?)
Hier im Land jetzt so zu tun, als hätten Sie, liebe SPD und FDP, überhaupt nichts damit zu tun, ist schlicht nicht richtig.
(Beifall von den GRÜNEN)
Eine Umwandlung der Mittel von heute auf morgen ist nicht möglich. Ich weiß, dass im Hintergrund unendlich viele Gespräche laufen, um eine Lösung für dieses Problem zu finden. Aber wir können diese Lösung nicht an den Haaren herbeiziehen.
Vor diesem Problem steht übrigens nicht nur allein Nordrhein-Westfalen. Alle anderen Bundesländer stehen auch davor. Ich weiß, dass wir alle bemüht sind, eine gemeinsame Lösung zu finden. Das wurde auch in der Bundesratssitzung in der vorvergangenen Woche sehr deutlich.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Dass die Länder vor enorme Herausforderungen gestellt werden, ist inzwischen auf Bundesebene Gott sei Dank angekommen. Bundesministerin Paus hat vernehmen lassen, dass nach einer Lösung gesucht wird, wie die Sprach-Kitas weiter finanziert werden können.
Wir Grüne hier aus Nordrhein-Westfalen fordern ganz klar, dass der Bund die Finanzierung zumindest bis zum Ende des Kita-Jahres im Juli 2023 übernehmen muss. Bis dahin kann die Landesregierung dann eine Lösung erarbeiten, die auch tragfähig ist.
Noch zwei Sätze zu Ihrem Antrag: Ich lese Ihren Forderungspunkt, dass die Landesregierung aufgefordert wird, sich gegenüber dem Bundesfamilienministerium für die Fortsetzung der Finanzierung des Programms einzusetzen. Haben Sie eigentlich in letzter Zeit mal Zeitung gelesen? Genau das tut Frau Paul die ganze Zeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Den Koalitionsvertrag von Schwarz-Grün haben Sie anscheinend ebenfalls höchstens überflogen. Sie fordern eine umfassende KiBiz-Reform. Wir werden sie umsetzen – genau so, wie wir das vereinbart haben.
(Beifall von den GRÜNEN – Jochen Ott [SPD]: Aha! Da bin ich mal gespannt!)
Liebe SPD, liebe FDP, wir sitzen hier in einem Boot. Ich fände es angemessener, wenn wir gemeinsam aus Nordrhein-Westfalen darauf dringen würden, eine Lösung mit dem Bund zu finden, anstatt hier ein Blame Game zu spielen, bei dem der Eindruck entsteht, dass es vor allem um Ihre politische Profilierung geht. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)