Jule Wenzel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ja, die Folgen des Krieges in der Ukraine sind richtig bei uns angekommen, und wir spüren ihre Auswirkungen: Probleme mit den Lieferketten, Nahrungsmittelknappheit in vielen Gegenden der Welt und natürlich die zunehmende dramatische Lage auf dem Gasmarkt.
Bevor ich über die Maßnahmen zur Entlastung der Menschen in Nordrhein-Westfalen spreche, lassen Sie mich eins deutlich machen: Trotz allem ist es richtig, die Ukraine weiter zu unterstützen. Trotz allem ist es richtig, die Sanktionen gegen Russland weiter aufrechtzuerhalten. Die Ukraine verteidigt sich hier gegen einen brutalen Angriffskrieg, und für uns ist klar: Sie muss diesen Kampf gewinnen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Der Ernst der Lage, in der wir uns gerade befinden, gebietet, dass wir uns verantwortlich für die Menschen in unserem Land zeigen, deren Existenz jetzt in diesem Augenblick und über die nächsten Monate bedroht werden wird, dass wir gezielt diejenigen unter uns entlasten, die jetzt schon wenig haben, die vom Abstieg bedroht sind oder in Armut leben. Dazu gehört auch, dass wir uns jetzt ernsthaft mit dieser sozialen Krise auseinandersetzen. Was ist jetzt am dringendsten? Wo müssen wir vielleicht über Parteigrenzen hinweg gemeinsam handeln? An wen stellen wir unsere Forderungen sinnvollerweise?
In dieser ganzen Gemengelage ist mir die Presse, mit der die SPD-Fraktion hier ihren Antrag eingebracht hat, doch aufgefallen. Herr Kollege Kutschaty, bei der Pressevorstellung Ihres Antrages in der Rheinischen Post fordern Sie aus Landesmitteln – wohlgemerkt: aus Landesmitteln – eine Anschlussregelung an das Erfolgsmodell des Neun-Euro-Tickets.
Das hat mich irritiert, weil Sie sich schon vor Wochen der Forderung der NRW-Verkehrsministers Oliver Krischer an den Bund hätten anschließen können: ein 29-Euro-Ticket für ganz NRW. Das wäre in der aktuellen Lage hilfreich für die Sache gewesen. Aber so helfen Sie vielleicht Ihren SPD-Kollegen auf der Bundesebene, aber bestimmt nicht den Menschen in Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Das lässt mich auch daran zweifeln, wie ernsthaft Sie es mit dem Rest Ihres Antrages meinen. Dabei ist es schade; denn ich teile Ihre Feststellung, aber nicht Ihre Maßnahmen.
Es muss für uns alle doch klar sein, dass es eine große und vor allen Dingen koordinierte Kraftanstrengung des Bundes und der Länder braucht, um diese soziale Krise, die durch die jetzigen Herausforderungen nicht verursacht, aber massiv verschärft wird, abzufedern. Wir werden uns unterhaken müssen, um unsere Mittel bestmöglich und zielgerichtet einzusetzen.
Wir sind dazu bereit, gemeinsam mit dem Bund und den Ländern alle notwendigen Anstrengungen zu unternehmen. Wir werden hier aber auch nicht in unkoordinierten Alleingängen vorpreschen, nicht einmal dann, wenn das schöne Überschriften in den Zeitungen verspricht.
(Beifall von der CDU)
Doch für dieses Vorgehen drängt die Zeit. Wir müssen handeln. Ja, deshalb fordern wir vom Bund und unterstützen den Bund bei Initiativen zur Kindergrundsicherung, bei der Einführung von inflationsfesten Regelsätzen in der Grundsicherung für Erwachsene und bei der Absenkung von Mobilitätskosten. Aber wir flankieren auch sinnvoll und schnell im Hier und Jetzt, beispielsweise mit der Landesarmutskonferenz, dem Pakt gegen Kindermut, indem wir Beratungs- und Anlaufstellen, die Menschen, die in Armut leben, unterstützen, mehrsprachig aufstellen.
Ja, das Landeswirtschaftsministerium hat bereits jetzt eine Kampagne zu Energiesparmaßnahmen gestartet, flankiert durch eine Kampagne des Landesbauministeriums. Wir gehen aber auch voran. Mit einem Moratorium für Strom- und Gassperren ziehen wir die dringend benötigte Reißleine.
Sie können sich sicher sein: Es wird nicht das letzte Mal sein, dass wir uns in diesem Parlament mit der Entlastung und der sozialen Absicherung der Menschen in diesem Land beschäftigen werden. Wir müssen auch weiterhin Maßnahmen erarbeiten, die finanzielle Entlastung für diejenigen bedeuten, die sie gerade am Dringendsten brauchen.
Wir als Parlament und auch die Landesregierung sind aufgefordert, es nicht bei dieser Debatte zu belassen. Bei Bedarf müssen wir nachsteuern und den Fahrplan anpassen.
Soziale Gerechtigkeit ist die Aufgabe, die sich diese Koalition im Wählerwillen auf die To-do-Liste gesetzt hat. Und ich habe vor, das ernst zu nehmen. Zum jetzigen Stand ist unser Antrag derjenige, der schnell und unkompliziert hilft, der den Raum lässt, in dem gleichzeitig Bundesmaßnahmen greifen können, und der nicht Gefahr läuft, schon morgen oder übermorgen wieder gegenstandslos zu sein.
Kurz: Unser Antrag von heute ist einfach besser geeignet, diese Herausforderungen anzugehen. Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Sie haben kein Wort zum eigenen Antrag gesagt!)