Lena Zingsheim-Zobel: „Ziel muss sein, dass Schulsozialarbeit fester Bestandteil von Schule wird“

Zum Antrag der SPD zu Corona-Folgen für Kinder und Jugendliche

Portrait Lena Zingsheim-Zobel

Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mein Referendariat mitten im Lockdown beendet. Jeden Morgen bin ich trotzdem zur Schule gefahren, um die Notbetreuung sicherzustellen. Die Stimmung wurde von Tag zu Tag schwieriger – nicht weil der Lernstoff nicht ausreichte, sondern, ganz im Gegenteil, weil der Berg an Unsicherheiten und Lernlücken immer größer wurde und die Sorge um Familie, Freundinnen und Freunde ins Unermessliche wuchs.

Als Lehrerin war die Situation wirklich nicht einfach. Fern der Notbetreuung war ich als Sonderpädagogin froh um jeden Kontakt zu meinen Schülerinnen und Schülern, um zu hören, dass alles okay ist. „Okay“ hieß meistens, dass meine Schülerinnen und Schüler nicht den ganzen Tag alleine waren, niemand im direkten Umfeld an COVID erkrankt war und sie zumindest aus dem Bett aufgestanden waren.

Wir Lehrkräfte wurden also einmal mehr nicht nur Wissensvermittlerinnen und Wissensvermittler, sondern auch Begleitende hinsichtlich aller Ängste, Trauer und Unberechenbarkeiten. Will sagen: Ja, die letzten Jahre haben uns hart getroffen – am härtesten Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.

Die ersten Lebensjahre eines jungen Menschen sind auch ohne Pandemiebedingungen – wir erinnern uns – herausfordernd. Der Lockdown und die Schulschließungen haben Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in eine soziale Isolation geführt. Doch auch die Schließung der Jugendhäuser, die Einstellung vieler Anlaufstellen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bedeuteten einen großen Verlust und für den einen oder anderen jungen Menschen den Verlust einer verlässlichen und vertrauten Umgebung, wenn es zu Hause mal nicht so funktioniert hat.

Freunde nicht treffen zu können ist nicht einfach nur schade, es macht etwas mit jungen Menschen. Umso wichtiger ist es, dass wir von Sportvereinen über die Jugendhilfe bis zur Schule zukunftsorientiert und gemeinsam dafür sorgen, dass die Folgen der vergangenen Jahre aufgefangen werden und Schülerinnen und Schüler Unterstützung erfahren.

Die Ergebnisse der Folgebefragung im Rahmen der COPSY-Studie überraschen niemanden, der oder die sich mit der Pandemie ernsthaft auseinandergesetzt hat. Deshalb ist das Anliegen Ihres Antrags grundsätzlich richtig und uns wirklich wichtig. Das haben wir auch zusammen mit der CDU im Zukunftsvertrag festgehalten.

In Ihrem vorliegenden Antrag leiten Sie jedoch Maßnahmen ab, bei denen wir Zweifel haben, dass sie so, wie Sie sie beschreiben, wirklich zur Verbesserung der psychosozialen Unterstützung führen.

Nehmen wir als Beispiel die Forderung nach der Verteilung der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter an Schulen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, auf der einen Seite fordern Sie einen festen Personalschlüssel zur Verteilung der Stellen an Schulen. Auf der anderen Seite fordern Sie eine besondere Rücksichtnahme auf den sozioökonomischen Status von Familien, die besonders belastet sind.

(Andrea Busche [SPD]: Natürlich!)

Ziel muss sein, dass Schulsozialarbeit fester Bestandteil von Schule wird. Ein fester Schlüssel verhindert allerdings, dass Handeln nach dem Grundsatz „Ungleiches ungleich behandeln“ wirklich zum Zuge kommt.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Jochen Ott [SPD]: Da war eure Position bisher aber immer anders!)

Wir wollen den schulscharfen Sozialindex überprüfen und so aufbauen, dass so viel Unterstützung an die Schulen kommt, wie sie brauchen, um bestmöglich unterstützt und gefördert zu werden. Das wird der Situation gerechter als das Gießkannenprinzip.

(Jochen Ott [SPD]: Das ist neu!)

Wir werden bewährte Maßnahmen fortführen, aber auch schauen, was wir noch tun müssen. So wollen wir die 17 Nachhaltigkeitsziele stärker als bislang im Schulbereich berücksichtigen und zum gelebten Prinzip machen. Zwei Ziele finden auch hier maßgeblich Anwendung: Gesundheit und Wohlergehen und hochwertige Bildung. Dies wollen wir unter anderem mit präventiver gesundheitlicher Bildung stärken.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

In einem sind wir uns doch einig, liebe Kolleginnen und Kollegen, nämlich darin, dass wir jetzt junge Kinder stärken müssen, damit sie in der Zukunft starke Erwachsene sind.

Wir hätten wirklich gerne mit Ihnen über Ihren Antrag und das Anliegen im Fachausschuss diskutiert und um eine interfraktionelle Lösung gerungen. Daher finde ich es schade, dass wir heute direkt abstimmen. Feste Personalschlüssel ohne die Berücksichtigung weiterer wichtiger Faktoren stellen wir infrage. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag heute ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Jochen Ott [SPD]: Wir überweisen!)

Vizepräsidentin Berivan Aymaz: Vielen Dank und herzlichen Glückwunsch zu Ihrer ersten Rede, Frau Kollegin.

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