I. Ausgangslage
Die hohe Inflation vergrößert den Kreis der von Armut betroffenen und armutsgefährdeten Menschen. Die aktuell steigenden Preise bei Lebensmitteln und Energie treffen Menschen mit geringem Einkommen oder Empfänger staatlicher Transferzahlungen besonders stark. Viele von ihnen haben Angst, dass ihr Einkommen oder ihre Rente gerade in der kalten Jahreszeit nicht ausreichen wird, um steigende Heizkosten zu bezahlen. Das gilt umso mehr für jene, die keine finanziellen Rücklagen haben oder bilden können.
Der 5. nordrhein-westfälische Sozialbericht 2020 hat gezeigt, dass immer noch dieselben Personengruppen und Familien und deren Kinder von Armut und Ausgrenzung besonders betroffen sind: Alleinerziehende, Arbeitslose, Menschen mit Migrationshintergrund, Geringqualifizierte.
Seit Juli 2021 befindet sich die Inflation in Deutschland auf hohem Niveau. Gründe liegen u. a. an den von der Corona-Pandemie verursachen Lieferschwierigkeiten und insbesondere dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Die hohen Energiekosten sind eine Folge der hybriden Kriegsführung Putins. Expertinnen und Experten rechnen damit, dass die Preise hoch bleiben oder weiter ansteigen. Dies erhöht den Druck auf die von Armut Betroffenen weiter.
Unterstützende Strukturen bestätigen die angespannte soziale Lage. Laut dem Landesverband Tafel Nordrhein-Westfalen hat sich im Vergleich zu 2020 die Zahl der Hilfesuchenden verdoppelt, auf derzeit rund 350.000. Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung rechnet mit einer ansteigenden Nachfrage nach Beratungsgesprächen, gerade beim Thema Energiekosten.
Finanzielle Entlastungen für von Armut betroffene oder armutsgefährdete Menschen liegen vor allem in der Zuständigkeit des Bundes. Er hat Maßnahmen ergriffen, mit denen ab dem 1. Juni 2022 alle Bürgerinnen und Bürger entlastet werden. Zudem gibt es verschiedene Zahlungen wie den einmaligen Heizkostenzuschuss für Haushalte, die Wohngeld beziehen, den Kinderbonus, den Kindersofortzuschlag oder die Einmalzahlungen für Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und für Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld I. Solche Zahlungen entlasten kurzfristig. Mittel- und langfristig werden weitere und zielgerichtete Maßnahmen notwendig sein, um die finanzielle Lage der von Armut betroffenen Menschen zu verbessern. Das beste Mittel
gegen Armut ist aus Sicht der Zukunftskoalition allerdings, die Menschen in gute Arbeitsplätze zu bringen. Voraussetzung ist, dass die Menschen von ihrer Arbeit leben können. In der aktuellen Lage sind gezielte Entlastungen für Menschen mit niedrigen Einkommen besonders notwendig, um existenzbedrohende Situationen zu vermeiden.
Die Zukunftskoalition aus CDU und GRÜNEN kennt die Herausforderung für die betroffenen Menschen und will den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft wahren. Wir wollen daher eigene Spielräume des Landes nutzen, um von Armut betroffene Menschen zu unterstützen. Wir werden entsprechende Maßnahmen in Landeszuständigkeit erarbeiten, die schnell finanzielle Entlastung für besonders Betroffene bedeuten und die die Maßnahmen des Bundes sinnvoll flankieren können.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
– Die hohe Inflation – und insbesondere die Preissteigerungen von Energie und Lebensmitteln – bereiten vielen Menschen Sorge.
– Besonders Haushalte, in denen Kinder leben und aufwachsen, stehen vor Herausforderungen. Sie dürfen in der aktuellen Debatte nicht vergessen werden.
– Finanzielle Entlastung für von Armut betroffene oder armutsgefährdete Menschen ist zum großen Teil Aufgabe des Bundes.
– Armut darf nicht nur im Zusammenhang mit der derzeitigen Inflation betrachtet werden, sondern muss langfristig bekämpft werden. Gerade Menschen im Niedriglohnbereich sind durch die steigenden Energie- und Stromkosten aktuell besonders armutsgefährdet. Das muss verhindert werden. Dafür sind gesamtgesellschaftliche Anstrengungen notwendig.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
– eine Armutskonferenz mit den relevanten Akteuren einzuberufen sowie mit der Erarbeitung des „Pakts gegen Kinderarmut“ zu beginnen. Dabei sollen sowohl Handlungskonzepte als auch aktivierende Angebote vor Ort zur wirksamen Bekämpfung von Armut berücksichtigt werden.
– Beratungsstellen zur Vermeidung und zur Bekämpfung von Armut zu stärken.
– zu prüfen, wie eine schrittweise Senkung der Elternbeiträge für Verpflegung, insbesondere für Familien mit geringem Einkommen, ausgestaltet werden kann.
– in einen Dialog mit den Tafeln eintreten und sicherzustellen, dass sie ihre Angebote aufrechterhalten können.
– die Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung zusammenzuführen und zu stärken und insbesondere die Energieberatung auszubauen.
– mehrsprachige Informationen digital wie auch insbesondere in den Beratungsstellen analog auszubauen und zu stärken.
– mit den Energieversorgern in Nordrhein-Westfalen Gespräche über eine Vereinbarung zu führen, im Herbst und Winter 2022/2023 ein Moratorium für Strom- und Gassperren zu erlassen, um zusätzliche soziale Härten abzufedern.
– sich auf Bundesebene für inflationsfeste Regelsätze in der Grundsicherung einzusetzen.
– auf Bundesebene aktiv zukünftige Initiativen zur Einführung einer Kindergrundsicherung zu unterstützen.
– beim Bund auf eine Entlastung bei den Mobilitätskosten hinzuwirken.