I. Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses
Der Landtag Nordrhein-Westfalen setzt einen aus 11 stimmberechtigten Mitgliedern und einer entsprechenden Zahl von stellvertretenden Mitgliedern bestehenden Untersuchungsausschuss ein. Die zu vergebenden Sitze im Untersuchungsausschuss werden wie folgt verteilt:
CDU: 4 Mitglieder
SPD: 3 Mitglieder
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 2 Mitglieder
FDP: 1 Mitglied
AFD: 1 Mitglied
II. Sachverhalt
Nach dem Hochwasserereignis in Nordrhein-Westfalen im Juli 2021 wurde mit Beschluss des Landtags Nordrhein-Westfalen vom 09.09.2021 der „Parlamentarische Untersuchungsausschuss Hochwasserkatastrophe“ (PUA V) (Drucksache 17/14944) eingesetzt. Die Arbeit des Ausschusses endete zwangsläufig mit dem Auslaufen der 17. Legislaturperiode, jedoch konnten mehrere Beweisbeschlüsse nicht abgearbeitet und ein Abschlussbericht nicht erstellt werden. Der Zeitraum von rund sieben Monaten erlaubte daher nur einen Zwischenbericht nebst Sondervoten, welcher vom Landtagsplenum am 07.04.2022 beschlossen wurde. (Drucksache 17/16930).
Trotz des kurzen Zeitraums konnten zahlreiche der 74 Fragen des damaligen Einsetzungsbe-schlusses abgearbeitet werden, weitere Fragen ergaben sich erst im Verlauf der Ausschussarbeit. Das betrifft insbesondere die Zuständigkeit zur Gefahrenabwehr bei Großkatastrophen, die Vorbereitung zur Vermeidung von Hochwasserereignissen, die Kommunikation zwischen den Beteiligten und die technische und materielle Ausstattung zur Gefahrenabwehr und Bekämpfung der Hochwasserkatastrophe.
Daneben wurden im Auftrag des PUA V Sachverständigengutachten angefertigt, die bisher nicht ausgewertet wurden. Auch konnten keine Ergänzungsfragen an die Sachverständigen gestellt werden. Ebenfalls ohne umfassende Auswertung blieben der am 20.01.2022 veröffentlichte 10-Punkte-Arbeitsplan des Umweltministeriums, der am 15.02.2022 vorgestellte 15-Punkte-Plan des Innenministeriums, sowie der am 05.04.2022 dem Parlament übersandte Bericht des Herrn Albrecht Broemme (Vorlage 17/6729). Alle Gutachten und Pläne sollen losgelöst vom Untersuchungszeitraum in der Arbeit berücksichtigt werden.
Um die noch wenigen offenen Fragen abschließend zufriedenstellend und mit Rücksicht auf das Leid der betroffenen Bürgerinnen und Bürger in den Hochwassergebieten beantworten zu können, ist die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses erforderlich.
III. Untersuchungsauftrag
Der Ausschuss erhält die Aufgabe, mögliche Versäumnisse, Fehleinschätzungen und mögliches Fehlverhalten der damaligen Landesregierung, insbesondere der zuständigen Ministerien sowie der ihnen nachgeordneten Behörden während der Hochwasserkatastrohe zu untersuchen, die sich Mitte Juli 2021 ereignete. Dabei soll insbesondere die gesetzlich übertragene Verantwortung und ihre tatsächliche Erfüllung durch die Beteiligten zur Vermeidung, Vorbereitung und Bewältigung der Hochwasserkatastrophe sowie ihre zur Erledigung ihrer diesbezüglichen Aufgaben erfolgte Kommunikation und die diesbezüglich verwendete technische und materielle Ausstattung untersucht werden.
Die bereits gewonnenen Ergebnisse der Arbeit des PUA V, insbesondere dargestellt im Zwischenbericht nebst Sondervoten vom 25.03.2022 (Drucksache 17/16930), aber auch die Ergebnisse der dort nicht mehr berücksichtigten Beweisaufnahme macht sich der Untersuchungsausschuss zu eigen und werden Bestandteil der Arbeit des neuen Untersuchungsausschusses.
IV. Untersuchungszeitraum
Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich auf die Zeit vom 09.07.2021 bis zum 09.09.2021. Soweit Gutachten oder Untersuchungen zur Aufarbeitung der Hochwasserkatastrophe nach Ende des Untersuchungszeitraums erstellt wurden, werden diese davon abweichend erfasst.
V. Fragen
Im Rahmen seines Untersuchungsauftrages hat der Untersuchungsausschuss insbesondere, aber nicht ausschließlich, die nachfolgend aufgelisteten Fragen noch zu klären:
- Ab wann war der Landesregierung bzw. den ihr nachgeordneten Behörden zum ersten Mal bewusst, dass die extremen Niederschläge für Menschen in Nordrhein-Westfalen lebensgefährlich sein können und wer wurde dazu durch wen informiert?
- Was unternahmen die Landesregierung und die ihr nachgeordneten Behörden ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Wetterinformationen bzw. der Warnungen?
- Welches Verfahren gilt innerhalb der Landesregierung hinsichtlich der hydrologischen Lageberichte und wer hat diese wann erhalten?
- Welche jeweiligen Lagebilder lagen der Kommunikation innerhalb der Landesregierung bzw. der Landesregierung mit den Kommunen zugrunde? Gab es in diesem Rahmen eine zwischen den Akteuren abgestimmte Lagebeurteilung?
- Wie haben sich Erkenntnisse und Bewertungen der Lage durch die Landesregierung im Zeitablauf verändert?
- Welche Ressorts der Landesregierung wurden wann informiert und ggf. wie beteiligt?
- Erfolgte vor oder während der Katastrophe eine Kontaktaufnahme zu den Behörden anderer Bundesländer bzw. zu Bundesbehörden?
- Gab es eine Zusammenarbeit mit diesen und wie gestaltete sie sich konkret?
- Wann wurde mit welcher Begründung nur die Koordinierungsgruppe des Krisenstabs der Landesregierung eingerichtet, der Krisenstab der Landesregierung indes nicht? Welche Mitglieder der Landesregierung waren an dieser Entscheidung wie beteiligt?
- Wie war die Koordinierungsgruppe des Krisenstabs jeweils besetzt, wie ihre Tätigkeit dokumentiert und aus welchen Gründen wurde das Umweltministerium erst am 15. Juli 2021 gebeten, an der Koordinierungsgruppe des Krisenstabs teilzunehmen?
- Inwiefern hat die Landesregierung, namentlich das Umwelt- und Innenministerium sowie die Staatskanzlei darauf hingewirkt, dass die Krisenstäbe der Bezirksregierungen eingerichtet und rund um die Uhr besetzt werden?
- Inwiefern haben die Behörden des Landes die Hochwassergefahren- und Hochwasser-risikokarten des Landes zur Bewertung der Lage hinzugezogen?
- Welche Handlungsaufforderungen haben die Landesregierung bzw. die ihr nachgeordneten Behörden an die Kreise und kreisfreien Städte als untere Katastrophenschutzbe-hörden in ihrem Zuständigkeitsbereich ausgesprochen?
- Wann und warum entschied sich die Landesregierung, insbesondere das Innenministerium dagegen, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, eine Warnung der Bevölkerung vorzunehmen?
- Gab es eine zwischen der Landesregierung und den weiteren Akteuren abgestimmte Unterrichtung der Öffentlichkeit oder agierten die unterschiedlichen Akteure selbstständig?
- Wurden durch Stellen des Landes Evakuierungen vorbereitet und wenn ja, wie durchgeführt?
- Welche Aufgaben und Pflichten haben Wasserverbände und andere Talsperrenbetreiber in Fällen von Unwettern und durch Unwetter drohenden Katastrophen?
- Welche Kommunikation gab es wann zwischen Aufsichtsbehörden und Wasserverbänden und anderen Talsperrenbetreibern?
- Welche Kenntnisse hatten die Wasserverbände und andere Talsperrenbetreiber in den betroffenen Gebieten hinsichtlich der Hochwasserlage?
- Wann wurden die Talsperrenbetreiber von der Landesregierung oder von ihr nachgeordneten Behörden informiert, respektive gewarnt?
- Hat die Landesregierung bzw. haben die ihr nachgeordneten Behörden die einzelnen Talsperrenbetreiber dazu aufgefordert, Wasser abzulassen und, wenn ja, wann?
- Konsequenzen aus der Hochwasserkatastrophe
- Welche Schlussfolgerungen müssen aus dem Umgang aller Beteiligten mit der Hochwasserkatastrophe gezogen werden?
- Welche Konsequenzen müssen auf Landesebene gezogen werden, um besser auf zukünftige Katastrophenfälle (u.a. Wetterextreme) reagieren zu können?
- Wie können Zusammenarbeit und Kommunikation der Behörden in NRW und zwischen den nordrhein-westfälischen Behörden und den Behörden anderer Bundesländer, des Bundes und der EU verbessert werden?
- Wie können die unteren Katastrophenschutzbehörden besser durch die Landesbehörden unterstützt werden?
- Wie kann die Bevölkerung zukünftig vor Naturkatastrophen besser geschützt werden?
- Wie kann eine zuverlässige Kommunikation zwischen den handelnden Behörden und Personen jederzeit während einer Katastrophe sichergestellt werden?
- Sind die nach Mitte Juli 2021 ergriffenen Maßnahmen der Landesregierung ausreichend, um vor Großschadensereignissen im Allgemeinen und Unwettern der vorliegenden Art im Speziellen die Bürgerinnen und Bürger, das Eigentum, die Wirtschaft und die Infrastruktur des Landes ausreichend zu schützen?
- Welche Maßnahmen müssen für diesen Schutz zusätzlich ergriffen werden?
- Inwieweit müssen Änderungen am BHKG vorgenommen werden, um Katastrophenschutz und -vorsorge in NRW zu verbessern?
VII. Teilweiser und vollständiger Abschlussbericht
Der Untersuchungsausschuss wird beauftragt, soweit möglich, nach Abschluss seiner Untersuchungen dem Landtag gemäß § 24 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags Nordrhein-Westfalen einen Abschlussbericht vorzulegen. Sollte ein Abschlussbericht nicht vorgelegt werden können, hat der Untersuchungsausschuss auf Verlangen des Landtages oder der Antragsteller über abtrennbare Teile des Einsetzungsauftrages dem Landtag einen Teilbericht zu erstatten, wenn die Beweisaufnahme zu diesem Teil abgeschlossen und der Bericht ohne Vorgriff auf die Beweiswürdigung der übrigen Untersuchungsaufträge möglich ist. Der Landtag kann darüber hinaus vom Untersuchungsausschuss jederzeit bei Vorliegen eines allgemeinen öffentlichen Interesses oder wenn ein Schlussbericht vor Ablauf der Wahlperiode nicht erstellt werden kann, einen Zwischenbericht über den Stand der Untersuchungen verlangen. Dieser darf eine Beweiswürdigung nur solcher Gegenstände der Verhandlungen enthalten, die der Untersuchungsausschuss mit zwei Dritteln seiner Mitglieder beschlossen hat. Im Gegensatz zu einem
Schlussbericht enthält der Zwischenbericht ohne diese 2/3 Mehrheit keine Beweiswürdigung. Der Abschlussbericht, der Teilbericht oder der Zwischenbericht erfolgen schriftlich.
VIII. Einholung externen Sachverstandes
Der Untersuchungsausschuss kann jederzeit externen Sachverstand einholen, sofern dieser zur Erfüllung des Auftrags notwendig ist und im unmittelbaren Sachzusammenhang mit dem Untersuchungsauftrag steht. Ebenso darf externer Sachverstand zur Klärung von Fragestellungen in Anspruch genommen werden, wenn Rechte des Untersuchungsausschusses oder damit in Verbindung stehende Verfahrensfragen von grundlegender oder auch situativer Notwendigkeit betroffen sind, ohne deren Beantwortung ein Fortführen der Untersuchung nicht oder nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung möglich ist. Die hierzu notwendigen Mittel sind dem Ausschuss zu gewähren.
IX. Ausstattung und Personal
Dem Untersuchungsausschuss und den Fraktionen werden bis zum Ende des Verfahrens zur Verfügung gestellt:
- Allen Fraktionen und den Mitarbeitern des Ausschusses werden die erforderlichen Räume im Landtag und die entsprechenden technischen Ausstattungen zur Verfügung gestellt.
- Dem Ausschuss und dem oder der Vorsitzenden werden gestellt:
- zwei Stellen für Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter der Laufbahngruppe 2.2 und
- eine weitere personelle Unterstützung aus der Laufbahngruppe 2.2 oder 2.1 sowie aus dem Assistenzbereich.
- Den fünf Fraktionen im Landtag werden gestellt:
- Die erforderlichen Mittel für je zwei Stellen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Laufbahngruppe 2.2 sowie
- eine Stelle zur Assistenz
Bezogen auf die Abrechnung können wahlweise Pauschalbeträge bis zur Verabschiedung des Untersuchungsausschussberichts je angefangenen Monat der Tätigkeit gewährt werden. Alternativ werden die Kosten des tatsächlichen Personaleinsatzes abgerechnet.