Monika Düker: „Das ist doch keine glaubwürdige Politik“

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung zur Steigerung des Öffentlichen Dienstes

Monika Düker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieser Gesetzentwurf der Landesregierung ist ein Dokument des Scheiterns.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist das Scheitern dieser Regierung an den vollmundigen Versprechen für eine Attraktivitätsoffensive des öffentlichen Dienstes gemäß Wahlprogramm und Koalitionsvertrag.

(Ralf Witzel [FDP]: Was haben Sie denn gemacht all die Jahre? – Gegenruf von Stefan Zimkeit [SPD])

„Attraktivität“ findet man zwar im Titel des Gesetzentwurfs, aber es ist Etikettenschwindel, denn im Gesetz selber ist davon nicht mehr viel übrig.

Irreführend ist schon – der Minister stammt ja aus Ihrer Partei – Ihr Bezug im Vorblatt zum Gesetzentwurf zu den Gesprächen mit Verbänden und Gewerkschaften, womit Sie den Eindruck erwecken, dass der Gesetzentwurf irgendetwas mit diesen Gesprächen zu tun hätte. Die Verbände und Gewerkschaften haben sich aber mehrfach und eindeutig davon distanziert, denn von dem, was sie wollten, ist nichts Substanzielles aufgegriffen worden.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Die Bewertung aus der Anhörung ist an Deutlichkeit nicht zu überbieten, Herr Witzel. Hier ein paar Beispiele:

Der Beamtenbund meint: Nicht geeignet. – Erich Rettinghaus von der DPolG NRW hält die Konstruktion Ihres gerade so hochgelobten Langzeitarbeitszeitkontos für ein – wörtlich – No-Go. Die Ansparmöglichkeiten mit Urlaub seien – ich zitiere aus der Anhörung – eine Ohrfeige für diejenigen, die täglich 24/7 für Sicherheit sorgen.

Diesen Einstieg in eine neue Denke wollen die nicht, Herr Witzel, und Sie sollten das zur Kenntnis nehmen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Manfred Lehmann von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft bringt es ganz gut auf den Punkt. Er sagt einfach nur: Das haben Sie gründlich versemmelt.

Diese Langzeitarbeitskonten – und das ist im Kern das Problem des Gesetzentwurfs – sind nämlich einseitig; einseitig auf die Interessen des Dienstherrn und nicht in einem ausgewogenen Maß auch auf die Interessen der Beschäftigten ausgerichtet. So macht man den öffentlichen Dienst nicht attraktiver.

Es gibt keine – auch wenn Sie es noch so oft behaupten – strukturelle Verknüpfung der Konten mit angeordneter Mehrarbeit oder den Überstunden. Ein kleiner Teil darf einmalig angespart werden. Aber über 70 % dieses Kontos speisen sich aus was? – Sie speisen sich aus einer Wochenarbeitszeiterhöhung, anstatt aus einer -reduzierung, und aus Urlaubsverzicht.

Es ist doch einfach nicht wahr, wenn Sie sagen, dass Sie dadurch das System „Mehrarbeit“ angehen. Das bleibt bestehen und ist eines der hauptstrukturellen Probleme.

(Beifall von Berivan Aymaz [GRÜNE])

Das Verfahren zur Antragstellung ist maximal unklar: mit schwammigen Begriffen, Ablehnungsgründe sind nicht definiert, Entnahmen dürfen ohne genauere Definition vom Dienstherren abgelehnt werden, und das Angesparte darf nicht zum vorzeitigen Ruhestand genutzt werden – warum das nicht? –.

Was dem Gesetz gänzlich fehlt, ist ein ganzheitliches Konzept für mobiles Arbeiten. Auch das wurde mehrfach moniert. Ebenso sind Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wie zum Beispiel die Regelung auf Bundesebene mit der einen Stunde weniger Wochenarbeitszeit für Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen oder kleinen Kindern, hier Fehlanzeige.

Umso mehr habe ich mir dann doch die Augen gerieben, als ich das Wahlprogramm der CDU gelesen habe.

Was findet man dort alles an Versprechen? – Achtung: Zulagenwesen anpassen, Mehrdienstzeiten vor dem Verfall schützen, Regelwerk für mobiles Arbeiten,

(Stefan Zimkeit [SPD]: Abgelehnt!)

Unterstützung für Familien, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Langzeitarbeitskonten evaluieren und anpassen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Alles abgelehnt! – Zuruf von Raphael Tigges [CDU])

Noch sind wir in einer Legislaturperiode. Wir befinden uns hier noch in einer Sitzung, in der Gesetze verabschiedet werden. Sie können hier und heute genau das machen. Sie haben die Gelegenheit.

Herr Lienenkämper, Sie sind doch auch CDU-Mitglied und haben sicher auch für das Programm gestimmt. Sie können genau das machen, was Sie den Wählerinnen und Wählern für die nächste Wahlperiode versprechen. Warum machen Sie das nicht heute? Sie hätten die Gelegenheit dazu.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Stefan Zimkeit [SPD]: Das haben Sie alles abgelehnt!)

Das ist doch keine glaubwürdige Politik. Wer soll Ihnen das in Ihrem Wahlprogramm Versprochene noch glauben, wenn Sie hier und heute die Chance vertun, genau das einfach umzusetzen?

(Zuruf von Heike Gebhard [SPD])

Sie hätten mit Änderungsanträgen das Schlimmste verhindern können. Stattdessen wird heute dieser Murks – etwas anderes kann man dazu nicht mehr sagen – mit den Langzeitarbeitskonten, die niemand haben will, beschlossen.

Sie brauchen keine Evaluierung, Herr Witzel. Sie müssen sich dazu nur einmal das Anhörungsprotokoll durchlesen. Sie brauchen keine Evaluierung, um zu erkennen, dass das Murks ist, dass die das nicht wollen und dass es unseren öffentlichen Dienst nicht attraktiver macht.

Das ist heute Ihr politischer Offenbarungseid. Das muss man erst mal schaffen. Wenn Sie sich ein bisschen ernst nehmen würden und Ihre Glaubwürdigkeit nicht komplett aufgeben wollten, dürften Sie dieses Gesetz heute so nicht beschließen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Sie haben sicherlich gemerkt, dass eine Kurzintervention angemeldet wurde. Sie dürfen diese gerne von Ihrem Platz aus annehmen.

(Monika Düker [GRÜNE] kehrt ans Redepult zurück.)

Monika Düker (GRÜNE): Ich finde das so immer kommunikativer. Ich habe ja nicht mehr so lange die Gelegenheit, ihn anzuschauen.

(Heiterkeit)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Gut. Damit haben Sie auch schon gleich für alle bekanntgegeben, wer die Kurzinterventionen angemeldet hat, nämlich der Kollege Witzel von der FDP. Sein Mikro ist jetzt freigeschaltet.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin Düker, Sie haben mich in der Debatte soeben namentlich und persönlich angesprochen. Darum will ich natürlich auch gerne darauf reagieren.

Sie wissen aus vielen Erörterungen, die wir in der Vergangenheit hatten, dass ich ein großes professionelles Verständnis dafür mitbringe, dass Gewerkschaften ihre Interessen artikulieren und durchsetzen, auch durchsetzen müssen. Diese gehen in der Regel auch darüber hinaus – das kennen Sie auch –, was die Politik dann beschließt.

(Andreas Kossiski [SPD]: Das sind auch Ihre! – Weiterer Zuruf von der SPD: Auch Sie müssen Ihre Versprechen einhalten!)

Ich habe auch nicht gesagt, dass wir mit diesem Gesetzentwurf, der heute hier im Hohen Hause konkret zur Abstimmung vorliegt, am Ende all unserer Träume bzw. des Denkbaren sind. Ich habe gesagt: Das ist ein Einstieg in ein neues System, das auf freiwilliger Basis neue Möglichkeiten bietet. Verbände aus der Anhörung wie die GdP haben gesagt, dass sie nichts dagegen haben, sie wünschen sich perspektivisch nur eine Weiterentwicklung.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist unwahr! – Monika Düker [GRÜNE]: Das stimmt nicht!)

– Dazu können Sie gleich was sagen.

Sie haben den Punkt „Glaubwürdigkeit“ angesprochen. Wie glaubwürdig ist das, was Sie hier alles wie selbstverständlich einfordern, wenn Sie zu Zeiten Ihrer Regierungsmehrheit gar nichts davon gemacht haben?

(Lachen und Widerspruch von der SPD)

An welchen Stellen ist die Gesetzgebung von CDU und FDP in dieser Wahlperiode schlechter als Ihre?

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist aber rekordverdächtig, wie Sie hier Unwahrheiten verkünden!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Frau Kollegin Düker hat jetzt Gelegenheit zu antworten.

Monika Düker (GRÜNE): Herr Witzel, Sie haben eine Sache immer noch nicht verstanden, glaube ich. Sie reden von einer Attraktivitätsoffensive für den öffentlichen Dienst, von dem Ziel, den öffentlichen Dienst attraktiver zu machen. Mit diesem Gesetz sollen nicht Sie den öffentlichen Dienst attraktiver finden, sondern die Beschäftigten selbst.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Denn wir wollen um die besten Köpfe kämpfen und werben. Wir wollen attraktiv sein, damit Menschen sich für eine Karriere im öffentlichen Dienst entscheiden. Dafür müssen sie das selber attraktiv finden. Es nützt ihnen nichts, wenn Sie ihnen permanent einreden, das sei was ganz Tolles und super attraktiv, sie selber sehen das aber völlig anders.

Sie haben es immer noch nicht geschafft, die Feedbacks und die Erwiderungen aus der Anhörung und den ganzen Gesprächen tatsächlich kritisch zu reflektieren und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Schlussfolgerung ist: Diese neue Denke, die Sie hier skizziert haben, ist eine neue Denke aus dem Blickwinkel des Dienstherrn und nicht aus dem der Beschäftigten.

Sie schaffen es nicht, den Blickwinkel der Beschäftigten einzunehmen, weil Sie sich davon komplett entfernt haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das ist Ihr Problem. Ich fürchte, deswegen wird das mit der Attraktivitätssteigerung mit Ihnen auch nichts, und eine neue Regierung muss dann einen kompletten neuen Anlauf machen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Monika Düker (GRÜNE): Ja.

Zu dieser Vergangenheitsbewältigung.

(Ralf Witzel [FDP]: Es geht um Glaubwürdigkeit.)

Herr Witzel, diese Vergangenheitsbewältigung hat nichts mit der Bilanz Ihrer Regierungszeit zu tun.

(Ralf Witzel [FDP]: Aber mit Glaubwürdigkeit!)

Auch das kapieren Sie nicht. Es geht hier um die Versprechen, die Sie gemacht und nach fünf Jahren nicht eingelöst haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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