Mehrdad Mostofizadeh: „Es ist ein Menschenrecht, vor Bedrohung, Gewalt und Ähnlichem geschützt zu werden“

Zum Entwurf der Landesregierung zur Änderung des Wohn- und Teilhabegesetzes

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Gewaltschutz in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, aber auch in sonstigen Einrichtungen der Altenpflege ist eine besondere Herausforderung. An der Stelle möchte ich auch sehr klar sagen, dass es uns natürlich ein intensives Anliegen ist, gerade die Menschen in diesen Einrichtungen zu schützen. Das steht außer Frage, und das haben auch meine Vorrednerinnen und Vorredner sehr deutlich gemacht. Da sind wir uns absolut einig.

Dazu gehört auch – das muss ich an der Stelle auch sagen –, dass eine Aufsicht gut funktionieren muss. Dazu gehören die Aufsicht im Heim selbst, eine gute Organisation in den Einrichtungen, eine gute Organisation aber auch bei den Landschaftsverbänden, bei den Kommunen. Das muss verbessert und verstärkt werden. Auch da sind wir uns im Ziel durchaus einig.

Ich möchte an der Stelle aber auch betonen – denn das wurde in der heutigen Diskussion nicht besonders deutlich erwähnt –, dass auch die Beschäftigten, die zum Teil zwischen Baum und Borke stecken, geschützt und gesehen werden müssen, auch wenn es zu Verfehlungen kommt.

Frühzeitig muss darauf hingewirkt werden, dass Unterstützung geleistet wird, dass Aufsicht auch als Unterstützung gesehen wird, dass eine Auseinandersetzung als Unterstützung gesehen wird. Wenn das allerdings nicht weiterhilft, muss natürlich konsequent gehandelt werden; daran darf es keinen Zweifel geben. Mir war es nur wichtig – einige von uns im Parlament haben auch in der Pflege gearbeitet –, noch mal deutlich zu machen: Wenn etwas schiefläuft, weil es an den Strukturen liegt, weil es zu wenig Geld gibt, weil zu wenig Personal zur Verfügung steht, darf nicht direkt wieder nach der Bestrafungskeule gerufen werden.

Es gibt aber – und das möchte ich deutlich betonen – Handlungsbedarf. Es gibt Handlungsbedarf bei der Gleichmäßigkeit der Aufsicht. Es gibt Handlungsbedarf aufgrund – das ist mehrfach gesagt worden – eklatanter Vorfälle in bestimmten Einrichtungen. Und es gibt Handlungsbedarf, weil wir uns abstimmen müssen, was wir als Qualität von Aufsicht sehen wollen. Ich denke, hier sind wir uns in der Einschätzung ziemlich einig. Insofern möchte ich deutlich sagen, dass ich mich freue, dass die Koalitionsfraktionen gegenüber der letzten Sitzung im Ausschuss einen Änderungsantrag vorgelegt haben, der durchaus erkennbare Verbesserungen enthält.

Sie haben das Thema „Evaluation“ angesprochen. Das wird zumindest teilweise aufgegriffen. Wir hätten uns natürlich eine konsequente Evaluation des gesamten Verfahrens gewünscht, und zwar insbesondere vor dem Hintergrund – und insofern möchte ich doch noch mal auf das Verfahren zu sprechen kommen, Herr Minister –, dass dieser Gesetzentwurf die Aufsicht zunächst als Aufgabe zur Erfüllung nach Weisung enthielt, eine Woche später, nachdem es Gespräche mit den Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen gegeben hat, diese Vorgabe aber gestrichen wurde. Das würde ich zumindest als unglückliches Verfahren bezeichnen.

Auch unglücklich war, dass die Ergebnisse der hochkarätig besetzten und gut eingeführten Expertenkommission – deren Einrichtung sehe ich eigentlich als hervorragende inhaltliche Entscheidung – erst im Laufe des Verfahrens erschienen sind.

Wir stellen uns vor, dass viele wichtige Punkte, die in der Expertenkommission erarbeitet worden sind – das haben, muss ich der Fairness halber auch sagen, CDU und FDP zumindest angekündigt –, weiter aufgegriffen werden, damit das, was jetzt auf dem Papier steht, auch wirklich in die Umsetzung kommt. Denn zu sagen „Wir haben Ombudsleute, wir haben einen Konsulentendienst“ ist das eine, aber dass Personen, die in einer Einrichtung leben, tatsächlich auch die Chance nutzen, sich ohne die Unterstützung von Verwandten oder anderen Bezugspersonen zu beschweren oder Hilfe zu suchen, ist meiner Meinung nach fraglich. Ich bin gespannt, wie wir ihnen helfen, diese Schwelle zu überwinden. Das ist ein zentraler Punkt, wenn wir das weiter umsetzen wollen.

Ein zweiter Punkt ist das Thema „Konnexität“. Ich möchte nicht einseitig verstanden werden, auch wenn ich als kommunalpolitischer Sprecher die kommunale Familie sehr im Auge habe. Ich bin schon der Meinung, dass wir da Standards setzen sollten, und ich meine auch, dass wir klar sagen sollten, wie es aussehen soll. Das muss aber im Verbund mit den Kommunen geschehen. Denn am Ende müssen sie es umsetzen. Deswegen wäre es auch klüger gewesen, dieses Thema von Anfang an intensiver zu berücksichtigen.

Ein letzter Punkt, der mir wichtig ist und den der Kollege Neumann, aber auch die Kollegin Schneider angesprochen haben, ist das Thema „Frauen und Mädchen in den Einrichtungen“. Sie sind tatsächlich – das gibt die Statistik her – häufiger von Gewalt, von Übergriffen, von Belästigungen oder Ähnlichem betroffen. Mit diesem Thema müssen wir sensibel umgehen und für Sensibilität sorgen. Wir brauchen Schulungsprogramme, um darauf hinzuweisen, damit solche Vorfälle nicht vorkommen. Denn – das hat der Kollege Neumann völlig zu Recht gesagt – es ist ein Menschenrecht, vor Bedrohung, Gewalt und Ähnlichem geschützt zu werden.

Alles in allem wird unser Abstimmungsverhalten so aussehen: Wir werden dem gemeinsamen Entschließungsantrag von SPD und Grünen zustimmen. Wir werden uns sowohl beim Änderungsantrag als auch beim Entschließungsantrag der Koalition enthalten.

Ich würde mich freuen, wenn wir uns auch in der neuen Legislaturperiode – vielleicht unter anderen Vorzeichen in der Regierung – sehr intensiv mit dem Thema auseinandersetzen würden, und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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