Wie sehen die geheimen Pläne zum Abbau der kommunalen Altschulden kurz vor Ende der Legislaturperiode aus?

Aktuelle Stunde auf Antrag der GRÜNEN im Landtag

Mehrdad Mostofizadeh

Die Landesregierung ist 2017 mit dem Versprechen angetreten, das Altschuldenproblem unserer Kommunen zu lösen und die kommunalen Finanzen weiter zu konsolidieren. Dazu sollte der Stärkungspakt Stadtfinanzen der rot-grünen Vorgängerregierung zu einer ständigen Zinsbeihilfe weiterentwickelt werden. Insbesondere der ehemalige Ministerpräsident Laschet hat darüber hinaus wiederholt einen Altschuldenfonds für unsere Städte, Gemeinden und Kreise versprochen. Beide Versprechen wurden bis heute nicht eingelöst. Selbst die im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung angekündigte Bundesbeteiligung an einem Altschuldenfonds lies die nordrhein-westfälischen Landesregierung bislang nicht die Initiative für eine schnelle Lösung ergreifen.

So summieren sich die überjährigen Liquiditätskredite unserer nordrhein-westfälischen Kommunen laut IT.NRW zum Stichtag 31.12.2020 auf rund 20,5 Milliarden Euro, die aktuellen Krisen sind in diesen Zahlen also noch gar nicht abgebildet. Diese Schuldenlast und insbesondere das mit ihr verbundene Zinsrisiko hingen schon vor der Pandemie und der russischen Invasion der Ukraine wie ein Damoklesschwert über den kommunalen Haushalten. Spätestens mit der explodierenden Inflationsrate von zuletzt 7,1 Prozent müssen sich auch die Städte und Gemeinden auf kurzfristig steigende Zinsen einstellen. Damit droht unseren Kommunen der Rückfall in die Vergeblichkeitsfalle der Nullerjahre.

Trotz der seit vielen Jahren von den kommunalen Spitzenverbänden und dem „Bündnis für die Würde unserer Städte“ – dem inzwischen 35 Städte und Kreise aus Nordrhein-Westfalen angehören – laut und deutlich vorgebrachten Forderung nach einem kommunalen Altschuldenfonds, blieb die Landesregierung fünf Jahre lang tatenlos. Anstatt Antworten auf die Frage der kommunalen Altschulden zu geben, hat die Landesregierung den nordrhein-westfälischen Kommunen durch kreditierte Finanzhilfen im Zuge der Corona-Pandemie zusätzliche Schulden aufgebürdet. Alleine die zukünftigen Belastungen durch den geplanten Vorwegabzug der sogenannten Aufstockungsmittel in die Verbundmassen der Gemeindefinanzierungsgesetze 2020 und 2021 sollen unsere Kommunen zukünftig mit rund 1,5 Milliarden Euro belasten. Hinzu kommen Mehraufwendungen, die unsere Städte und Gemeinden über bis zu 50 Jahre zur Abtragung der gebildeten Corona-Sondervermögen leisten müssen. Der Städtetag NRW bezifferte die Höhe der bilanziell isolierten Kosten alleine für seine 40 Mitglieder bereits im vergangenen Jahr auf rund 3,1 Milliarden Euro. Hinzu kommen die 361 Mitgliedsgemeinden des Städte- und Gemeindebunds.

Vor diesem Hintergrund ließ ein Bericht in der WDR-Sendung „Westpol“ vom 03.04.2022 die Kommunen im ganzen Land aufhorchen und weckt nun große Erwartungen. Denn nach fünf Jahren des Abwartens und Nichtstuns kündigte Ministerin Scharrenbach nun überraschend eine Kehrtwende in der Frage des Altschuldenfonds an.

Wörtlich heißt es im Beitrag:

Kommentar: „Den geforderten Altschuldenfonds, auch mit Geld vom Land, kündigt sie [die Ministerin] im Westpol-Interview an.“ Frau Ministerin Scharrenbach: „Als Kommunalministerin kann ich mir das vorstellen und ich denke, wir werden Ihnen in ein paar Wochen eine Vorstellung davon vorlegen, wie wir das für Nordrhein-Westfalen vorhaben.“

Von der Ankündigung, die Frau Ministerin Scharrenbach in der Sendung „Westpol“ machte, wurde der Landtag überrascht. Weder dem Plenum des Landtags, noch dem Kommunalausschuss oder dem zuständigen Finanzausschuss wurde diese neue Absicht der Landesregierung zuvor mitgeteilt. In Anbetracht der sich täglich verschärfenden finanziellen Notlage unserer Städte und Gemeinden und angesichts des enormen Volumens der oben angeführten kommunalen Verbindlichkeiten von insgesamt über 25 Milliarden Euro muss der Landtag NRW zwingend in diese Entscheidungen eingebunden werden – und zwar von Anfang an. Ebenso brauchen unsere Kommunen verlässliche Informationen aus erster Hand.

Die Landesregierung muss die planmäßig letzte Gelegenheit nutzen, um im Parlament die notwendige Transparenz zu schaffen und ihre Pläne zur Lösung der kommunalen Altschuldenfrage offenlegen.