Monika Düker: „Das Strafrecht sollte sich auf den Schutz der wichtigsten Rechtsgüter beschränken“

Zum Antrag der GRÜNEN im Landtag zu Ersatzfreiheitsstrafen

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! 1.000 Menschen sitzen durchschnittlich jeden Tag in einer Justizvollzugsanstalt in Nordrhein-Westfalen, obwohl sie dort eigentlich gar nicht hingehören; denn sie sind aufgrund ihrer Vergehen gar nicht zur Strafhaft verurteilt worden. Das sind Menschen, die ihre Geldstrafe aus unterschiedlichsten Gründen nicht bezahlt haben. Am häufigsten sind es Schwarzfahrer.

Diese Ersatzfreiheitsstrafe trifft nicht alle, die zu einer Geldstrafe verurteilt wurden, gleichermaßen. Denn es hat Gründe, warum die Geldstrafe nicht gezahlt wurde. Es sind Menschen, die meistens mehr Probleme haben als einfach nur, knapp bei Kasse zu sein. Es sind suchtkranke oder psychisch kranke Menschen oder Menschen mit vielfältigen anderen Problemlagen, die am Ende ohne Ticket mit Bus oder Straßenbahn gefahren sind und ihre Strafe nicht zahlen können.

Diese Menschen sind eher ein Fall für einen Sozialarbeiter, aber sie gehören nicht ins Gefängnis. Dort kostet ihr Haftplatz ca. 130 Euro am Tag. In den durchschnittlich 30 Tagen, die sie im Strafvollzug zubringen, kann so etwas wie der Resozialisierungsanspruch, der in § 1 unseres Strafvollzugsgesetzes als Ziel definiert wurde – ein Leben ohne Straftaten zu führen –, gar nicht umgesetzt werden. Der kann gar nicht stattfinden.

Eher das Gegenteil tritt ein. Die Haftzeit wirkt sich zumeist negativ auf ihre Problemlagen aus, verschlechtert ihre Lage und führt zu Arbeitsplatzverlust oder was auch immer. Das erhöht am Ende die Rückfallgefahr, und von abschreckender Wirkung kann überhaupt nicht die Rede sein. Das belegen Studien immer wieder.

Nicht umsonst, angesichts dieser Analyse, kennen andere Länder wie Schweden oder Italien die Ersatzfreiheitsstrafe gar nicht. Was können wir also hier in Nordrhein-Westfalen auf Landesebene tun, um Ersatzfreiheitsstrafen noch häufiger als bisher zu vermeiden? Wir meinen, es gibt noch mehr Möglichkeiten, und man kann noch mehr Anstrengungen vor und nach der Verurteilung unternehmen, um die Ersatzfreiheitsstrafe zu verhindern oder zumindest die vollstreckte Strafe zu verkürzen.

Zuvorderst gehört für uns dazu, das Schwarzfahren endlich zu entkriminalisieren. Das Strafrecht, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte sich auf den Schutz der wichtigsten Rechtsgüter beschränken.

(Beifall von den GRÜNEN)

Eine Entkriminalisierung des Schwarzfahrens hilft nicht nur diesen Menschen, sondern entlastet auch unsere Strafverfolgungsbehörden.

Die Umrechnungspauschalen von Tagessätzen in Hafttage sind zugegebenermaßen ein Bundesthema. Man könnte aber auch mal hinterfragen: Ist ein nicht gezahlter Tagessatz in der Umrechnung wirklich einen Hafttag wert? Auch hier könnte man zu anderen Umrechnungssystematiken kommen, die die Haftzeit reduzieren.

Gemeinnützige Arbeit statt Haft – bekannt als „Schwitzen statt Sitzen“ – muss ausgebaut werden. Wir wissen, es gibt sie, aber sie wird nicht oft genug angewandt; denn es müssen Arbeitsmöglichkeiten sein, die gerade für diese Zielgruppe – wie gesagt, oftmals mit mehreren Problemen behaftet – passen. Da muss man überlegen: Wie viele Stunden am Tag sollen sie denn arbeiten? Wie passgenau schaffen wir hier Arbeitsmöglichkeiten, damit sie das abarbeiten können?

Dazu brauchen wir mehr Informationen und Unterstützung, damit die Möglichkeiten ausgeschöpft werden können.

Ein anderes Beispiel sind Ratenzahlungen. Oftmals ist nicht bekannt, dass man Dinge auch abstottern kann. Auch während der Haft kann man noch einschreiten und unkompliziert Möglichkeiten schaffen, zum Beispiel die Tilgung von Hafttagen durch Arbeit.

Das sind nur einige der Vorschläge, die Sie in unserem Antrag finden. Wir finden, es ist jede Mühe wert, für diese 1.000 Menschen, die jeden Tag bei uns in den Justizvollzugsanstalten sitzen, obwohl sie da nicht hingehören, aber auch zur Entlastung unseres Strafvollzugssystems die unnötige Strafhaft zu vermeiden. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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