Arndt Klocke: „Es sind offensichtlich Spekulationsgewinne der Mineralölindustrie“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu den aktuellen Spritpreisen

Mobilität in Gefahr – Spritpreisexplosion abfedern und Verbraucherinnen und Verbraucher entlasten

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/16832

– Für die Fraktion der Grünen spricht nun der Abgeordnete Herr Klocke.

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war recht milde von André Stinka, zu sagen, das sei zu kurz gesprungen. Diese Aktuelle Stunde wäre nicht nötig gewesen.

Das ist ja ein spannender Spagat einer Regierungskoalition zwei Monate vor der Landtagswahl. Die einen sind in Berlin mit in der Regierung, die anderen sind in Berlin in der Opposition. Dann gibt es den Versuch, hier ein Thema zu setzen.

Herr Untrieser, ich habe bei Ihren einleitenden Worten fast gedacht, die haben sich in Berlin heute Nacht nur verständigt, weil sie diese Aktuelle Stunde gefürchtet haben,

(Heiterkeit von der SPD)

weil sie wussten, der NRW-Landtag debattiert. Ich leide nicht unter Gedächtnisverlust, aber ich erinnere …

(Zuruf von Jochen Klenner [CDU])

– Jetzt bin ich erst mal dran, lieber Kollege. Sie können sich ja gleich mit einer Intervention oder wie auch immer zu Wort melden. So!

(Jochen Klenner [CDU]: Das zeigt, wie ernst die die Sorgen nehmen!)

Das Bemerkenswerte ist doch, dass es schon ein Entlastungspaket gegeben hat. Das ist eben überhaupt nicht aufgeführt worden. Die Bundesregierung hat sich schon vor einigen Wochen auf die Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Juli, einen Heizkostenzuschuss für Bedürftige

(Zuruf von Jochen Klenner [CDU])

und das Vorziehen der erhöhten Pendlerpauschale rückwirkend zum 01.01.2022 verständigt. Das ist beschlossen worden. Dann warten wir doch mal sehr gespannt, was nachher um 11 Uhr kommt.

Die Analyse, die hier gerade vorgetragen wurde, ist voll unter der Latte durchgesprungen. Wir beobachten hier das Phänomen – und das ist eindeutig richtig –: Es drückt auf das Portemonnaie und lastet den Menschen auf der Seele, zu sehen, dass wir im November einen Dieselpreis von 1,51 Euro pro Liter hatten und jetzt von 2,20 Euro. Man fragt sich: Wo kommt das her? Komischerweise sind es die gleichen Ölfördermengen. Es gibt auch keinen Boykott in Russland, es gibt keinen Lieferstopp etc. Man fragt sich: Wo kommt dieser Preis her?

(Zuruf von der SPD: Ja!)

Ich glaube, hier wäre weniger das Bundesfinanzministerium gefordert, sondern

(Zuruf von Jochen Klenner [CDU] – Zuruf von der SPD: Kartellbehörde!)

mehr das Bundeskartellamt und die Verbraucherzentrale. Darum geht es.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es sind offensichtlich eindeutig Spekulationsgewinne der Mineralölindustrie. Jetzt darf der Bundesfinanzminister vorschlagen, was er möchte. Aber Christian Lindner ist ja eigentlich ein kluger Kopf. Dass er auf so eine Idee kommt …

(Beifall von der FDP – Heiterkeit von Frank Müller [SPD])

– Ja, das finde ich grundsätzlich schon.

(Dietmar Brockes [FDP]: Wieso „eigentlich“? Er ist!)

– „Eigentlich“, weil er auf die Idee mit dem Tankrabatt gekommen ist. Mit einem staatlichen Zuschuss der Mineralölindustrie das Geld in den Rachen zu schieben, ist, finde ich, eindeutig die falsche Lösung, die falsche Variante.

(Vereinzelt Beifall von der SPD – Zuruf von Jochen Klenner [CDU])

Ich bin sehr sicher, dass unter den Vorschlägen, die heute Mittag um 11 Uhr bekannt gegeben werden, der Tankrabatt nicht zu finden ist.

Was ist jetzt zu tun? André Stinka hat es eben völlig richtig gesagt. Es kann doch nicht darum gehen, dass Menschen, die gut verdienen – und wir alle, die wir hier sitzen, gehören zu dieser Kategorie –, noch obendrauf vom Staat etwas fürs Tanken dazubekommen. Es muss doch um eine Entlastung für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen gehen. Mit dem Energiegeld, mit einem entsprechenden Zuschuss und entsprechend gestaffelt gibt es hier gute Vorschläge der Bundesregierung.

(Zuruf)

– Nein, das ist kein sozialistischer Unsinn, das sind sinnvolle Vorschläge. Ich hoffe, dass das nachher um 11 Uhr bekannt gegeben wird.

Ein Mobilitätsgeld wurde von Grünen und SPD vorgeschlagen: 50 Euro bei einem Einkommen bis 2.000 Euro, 35 Euro bis 3.000 Euro und 20 Euro bei einem Einkommen bis 4.000 Euro. Alle, die darüber liegen, gehören zu den Gutverdienern und brauchen diesen Zuschuss nicht. Das finde ich absolut richtig. Es braucht eine Unterstützungszahlung sowohl bei der Energie als auch beim Tanken. Deswegen sind Konzepte wie das Energiegeld und das Mobilitätsgeld an dieser Stelle genau die richtige Antwort und eben kein Gießkannenprinzip. Das fordern Sie von CDU und FDP ja gerade in Ihrem Antrag.

Herr Untrieser, wenn Sie schon Österreich zitieren, wäre es mindestens fair und angebracht gewesen, genauso das große ÖPNV-Paket zu erwähnen, das gleichzeitig auf den Weg gekommen ist.

Denn was ist die Situation, die wir jetzt haben? Wir haben bei diesem schlimmen Ukraine-Krieg eine Situation, die von der Systematik her ein bisschen an Corona erinnert, weil bei diesem Ukraine-Krieg die großen Versäumnisse in der Politik der letzten Jahre und Jahrzehnte deutlich werden. Das war auch bei Corona so. Da betraf es die Pflege- und die Krankenhausversorgung.

Bei diesem Ukraine-Krieg ist es so, dass wir die ganzen Versäumnisse im Bereich von Energiepolitik und Mobilitätswende der letzten 10 bis 20 Jahre zu spüren bekommen. Wir sind immer noch vom Erdöl abhängig. Es gab, damals unter der Bundesregierung von CDU/CSU und FDP, ein Bundesprogramm für 1 Million Elektroautos bis 2020 – ein Millionenzuschuss. Was ist daraus geworden? Bis 2020 waren nicht einmal 100.000 Elektroautos auf deutschen Straßen.

Sie, CDU und FDP, haben die Energiewende und die Mobilitätswende über Jahrzehnte verschlafen. Sie waren 16 Jahre in der Bundesregierung.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sich heute hier hinzustellen und zu sagen, wir hätten da etwas falsch gemacht … Ich will Ihnen einmal sagen, was für mich der Höhepunkt des intellektuellen Unsinns der letzten Wochen war. Das war die Rede Ihres neuen Bundesvorsitzenden und Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz, in der er uns Grünen vorgehalten hat, dass wir für die Defizite der Bundeswehr verantwortlich waren und aktuell sind. Das war die erste Bundestagsrede, die er gehalten hat – ein Parteivorsitzender, dessen Partei 16 Jahre die Bundeskanzlerin gestellt hat und 16 Jahre das Bundesverteidigungsministerium geführt hat.

Die CDU wäre auf Bundesebene und demnächst wahrscheinlich auch auf Landesebene gut beraten, erst einmal die eigenen Versäumnisse aufzuarbeiten, bevor man versucht, den Ball in Richtung der Grünen zurückzuspielen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Zum Schluss: Wir haben uns natürlich intensiv Gedanken darüber gemacht, was neben einem solchen Mobilitätsgeld, das jetzt schnell zu zahlen ist, gute Vorschläge wären. Wir haben intensiv mit den Verkehrsverbünden diskutiert. Die Verkehrsverbünde in Nordrhein-Westfalen – NWL, VRR, NVR – haben eine große Bereitschaft, mit Schnupperangeboten herauszugehen. Sie sagen: Wir haben in diesen zwei Coronajahren deutlich Fahrgäste verloren, und wir haben selbst ein großes Interesse daran, mit guten Ticketangeboten und einer besseren Vertaktung den Menschen, die vom Pkw und vom Pendeln abhängig sind, eine preisgünstige, vernünftige Alternative anzubieten.

Wenn man hier einen solchen Antrag stellt, darf man doch nicht den Fehler machen, das ausschließlich auf den privaten Pkw zu beziehen. Wir denken Mobilität vielfältig. Zu vielfältiger Mobilität gehört ein gut aufgestellter ÖPNV. Vorschläge in diesem Bereich, wie Pendlerinnen und Pendler entlastet werden können – mit guten Ticketangeboten, mit günstigen Monatstickets –, vermisse ich in Ihrem Antrag und in Ihrer Rede komplett.

Letzter Satz: Kollege Untrieser, Sie sind jetzt fünf Jahre Abgeordneter. Ich hätte schon gedacht, dass Sie den Unterschied zwischen einer Aktuellen Stunde und einer normalen Antragsbefassung kennen. Wir verabschieden jetzt nichts. Wir warten jetzt auf 11 Uhr und schauen einmal genau hin, was da bekannt gegeben wird. Sollte es noch Notwendigkeiten geben, dann können wir das in der nächsten Plenarwoche diskutieren. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Mehr zum Thema

Verkehr