Arndt Klocke: „Weg vom Höchstpreisangebot, hin zu Gemeinwohlinteressen

Zum Antrag der SPD-Fraktion zu "bezahlbarem Wohnen"

Arndt Klocke (GRÜNE): Sehr geehrter Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich war selber mal Landesvorsitzender der Grünen, als wir einen Wahlkampf geplant haben. Damals saßen wir mit der Agentur zusammen, die unsere Plakate und Slogans entwarf. Diese hat uns damals gesagt: Ihr müsst ein Thema oder einen Slogan so oft bringen, dass ihr es schon nicht mehr hören könnt. Dann haben die Leute das mitbekommen. – So ähnlich interpretiere ich, ehrlich gesagt, diesen SPD-Antrag.

(Christian Dahm [SPD]: Ist nicht schlecht, oder?)

Das, was wir heute diskutieren, haben wir nämlich in der letzten Plenarwoche, in der vorletzten Plenarwoche und auch davor diskutiert. Vielleicht gab es dazwischen mal eine Plenarwoche, in der wir das nicht getan haben. Aber wir haben es doch sowohl im Plenum als auch im Ausschuss schon sehr oft besprochen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Heike Gebhard [SPD] – Rainer Schmeltzer [SPD]: Funktioniert! – Christian Dahm [SPD]: Und wir können es nicht mehr hören! – Weitere Zurufe von der SPD)

– Das habe ich jetzt nicht so deutlich gesagt. Ich habe es freundlicher ausgedrückt. – Das heißt auch nicht, dass alles, was darin steht, falsch wäre. Ich wollte nur meiner Überraschung darüber Ausdruck verleihen, dass wir diese Debatte hier erneut führen.

Bei dem, was Stephen Paul gerade gesagt hat, werden sicherlich auch viele Zahlen richtig gewesen sein.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Aber nicht alle!)

– Aber nicht alle. So ist es. Ich kenne zum Beispiel Zahlen zu den fertiggestellten geförderten Mietwohnungen in Nordrhein-Westfalen. Diese Zahlen habe ich aus der Statistik der NRW.BANK. Im Jahr 2021 waren das 5.239. Im Jahr 2016 waren es 7.972. Das ist ein deutlicher Unterschied von 2.500 Wohnungen. Die eine Zahl fiel in die Regierungszeit von SPD und Grünen, die andere in die von CDU und FDP.

Ich habe gerade natürlich zugehört und dabei herausgehört, dass alle Zahlen unter der jetzigen Landesregierung deutlich besser seien, als es damals bei Rot-Grün der Fall gewesen sei. Zumindest sagen die Zahlen aus der Statistik der NRW.BANK, der wir natürlich alle glauben, weil wir alle im Beirat für Wohnraumförderung sind, eindeutig: Die Zahlen der jetzigen Landesregierung sind schlechter.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Egal ob ich im Wahlkreis in Köln unterwegs bin, am Infostand, beim Straßenfest, in Bielefeld oder in Münster, lautet das Thema unabhängig von diesen Zahlen: Bezahlbarer Wohnraum; ich finde keine bezahlbare Wohnung.

Meine Friseurin in Nippes – ich will es nicht zu lange ausführen – hat mir innerhalb eines halben Jahres wirklich dreimal erzählt, wie schwierig es ist, in diesem Stadtteil für sich und ihre Tochter eine bezahlbare Wohnung zu finden. Sie haben jahrelang in einer Wohngemeinschaft gewohnt, weil sie nichts gefunden haben. Als mein Partner Sven Lehmann vor zwei Wochen bei derselben Friseurin war, hatten sie glücklicherweise endlich eine Wohnung gefunden. Sie hatten anderthalb Jahre gesucht.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Der hat weniger Haare!)

– Bitte? Er hat weniger Haare. Das stimmt allerdings, lieber Rainer.

Unabhängig von allen Zahlen, die man vortragen kann, sind die Sorgen, die Nöte und der Druck einfach vorhanden. Das kann man auch nicht wegdiskutieren, indem man irgendwelche Linien zeichnet oder Statistiken aufzeigt. Es ist ein reales Thema im derzeit stattfindenden Landtagswahlkampf.

Ich bin gar nicht der Meinung, dass diese Landesregierung alles falsch gemacht hätte und nur Unsinn passierte. Das wissen auch alle, die mir gelegentlich oder auch oft zuhören.

(Wilhelm Hausmann [CDU]: Jetzt müssen Sie ein neues Gesprächsthema finden!)

Ein paar Sachen sind auch vorangekommen. Es gab ein paar Verbesserungen. Ich finde zum Beispiel, dass in der Frage der Digitalisierung von Baugenehmigungen und der Digitalisierung von Verwaltung einiges passiert ist. Es war auch notwendig, dass das passierte. Wahrscheinlich hätte auch eine andere, aus anderen Farben zusammengesetzte Landesregierung etwas gemacht. Aber da ist etwas vorangekommen.

Eine entscheidende Frage ist nämlich: Wann kann ich eine Baugenehmigung bekommen? Das weiß Herr Kollege Hausmann aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit von uns allen am allerbesten, glaube ich. Leute haben teilweise zwei oder drei Jahre darauf gewartet. Das war ein unhaltbarer Zustand. Diesbezüglich sind Dinge vorangekommen. Das sollte man auch fortsetzen – überhaupt keine Frage.

Trotzdem haben wir in den kommenden Jahren die große Aufgabe vor uns, die jetzt vorhandenen Defizite abzustellen. Die SPD nennt in ihrem Antrag dazu eine ganze Reihe von Punkten, die wir aus grüner Sicht auch eindeutig unterstützen können – unter anderem eine Weiterentwicklung des Wohnraumstärkungsgesetzes, um gegen Leerstand und Problemimmobilien vorzugehen. Dies ist ein reales Problem.

Die Unterstützung bei der Gründung von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften ist ebenfalls ein wichtiger Punkt. Wir Grünen sind der festen Auffassung: Wir brauchen eine Stärkung der Kommunen, eine bessere finanzielle Ausstattung, eine bessere Ausstattung der Behörden vor Ort sowie eine Stärkung der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften, weil dies ein ganz wichtiges Instrument ist, damit hier Dinge vorankommen.

Die Städte, deren Statistik gut aussieht, haben genau das gemacht. Ein Beispiel dafür ist Münster. Dort hat sich in den letzten Jahren viel bewegt. Man hat auf die vielen kleinen Einheiten vor Ort gesetzt und entsprechende Erfolge eingefahren.

Daher gibt es an diesem Punkt Unterstützung hinsichtlich der SPD-Positionen.

Was die Gründung einer neuen Landeswohnungsbaugesellschaft angeht, sind auch wir skeptisch. Wir wollten das noch einmal ausführlich diskutieren. Die Fachanhörung dazu hat ja nicht stattgefunden. Das muss an anderer Stelle passieren.

Mich überzeugt es jedenfalls nicht. Mich überzeugt eine Stärkung der kommunalen und regionalen Einheiten, aber nicht wieder ein landesweiter Wasserkopf, für den Personal geschaffen und wahrscheinlich auch eine Immobilie gebaut werden muss etc. pp. Das bringt uns keine zusätzliche Wohnung. An dieser Stelle sind wir nicht der Meinung des SPD-Antrags.

(Beifall von den GRÜNEN und Wilhelm Hausmann [CDU] – Jochen Ott [SPD]: Nur weil ihr klatscht, ist das aber nicht richtig!)

Ein nach unserer Auffassung ganz zentraler Punkt ist die Bodenfrage – die Vergabefrage und die Bodenfrage. In Zukunft muss sich bei der Entscheidung, in welche Hände man freien Boden zum Bauen übergibt, etwas ändern. Da müssen wir weg von der Höchstpreisvergabe.

Es gibt ein Beispiel aus Köln – die Ministerin kennt es auch, und die Kölner Abgeordneten kennen es erst recht –: das Otto-Langen-Quartier in Köln-Mülheim. Die Vergabe nach Höchstpreisgebot dort ist ein negatives Beispiel gewesen. Es hätte eine Konzeptvergabe zugunsten eines guten Konzepts für bezahlbaren, sozial geförderten Wohnraum oder eine Mischbebauung geben müssen. Stattdessen hat ein Anbieterwettkampf stattgefunden, der nicht zum Vorteil war.

Das ist die zentrale Veränderung, die auch bei der Förderung vorgenommen werden muss: weg von diesem Höchstpreisangebot und hin zu Gemeinwohlinteressen. Diesen Switch muss es geben.

Ein zweiter Punkt ist die Erbpacht. Ich freue mich, dass jetzt in Köln die dortige Ratsmehrheit und auch der zuständige Dezernent entsprechende Schritte veranlasst haben, damit sich dort etwas tut. „Erbpacht“, „Erbbaurecht“ etc. sind auch Stichworte für eine bessere Wohnraumpolitik. Hier sind die Städte in Nordrhein-Westfalen bisher viel zu wenig aufgestellt. Wir meinen auch, dass die Landesregierung nicht die notwendigen Impulse gesetzt hat, um dieses gute und wichtige Instrument voranzubringen.

Zusammengefasst: Es ist nicht verkehrt, dass wir heute diese Debatte noch einmal führen. Das Thema ist drängend. Jede neue Landesregierung wird es anzupacken haben.

Ich erinnere mich an den Abschluss meiner Rede zur Enquetekommission „Einsamkeit“, von der seit heute der gedruckte Abschlussbericht vorliegt. In den Handlungsempfehlungen stehen viele Empfehlungen für die Bereiche „Stadtentwicklung“, „Quartiersentwicklung“ und „Wohnen“. Der Kollege Stephen Paul war dabei; die Kollegin Claudia Cormann war ebenfalls dabei. Einsamkeitsprävention bedeutet eben auch, eine andere Stadt- und Quartierspolitik zu betreiben. Ich wünsche mir sehr, dass der neue Landtag und die neue Landesregierung einige wichtige Impulse aus diesem Abschlussbericht aufgreifen.

Nun kommt ein versöhnlicher letzter Satz meiner Rede. Es war ein FDP-Experte vom Difu, der in einer Anhörung der Enquetekommission sagte: Es gibt ein Bundesland in Deutschland, das seit 25 Jahren eine vorbildliche Wohnraumförderpolitik macht – dies sollte fortgesetzt werden –, und das ist Nordrhein-Westfalen.

Das Gute an der Sache ist offensichtlich – jetzt gibt es eine CDU-Ministerin, davor war es ein SPD-Minister, und davor gab es zehn Jahre lang einen grünen Bauminister –: Wenn uns dies so bescheinigt wird, haben wir in den letzten Jahren nicht alles falsch gemacht, auch wenn der Handlungsdruck weiterhin vorhanden ist.

Wir werden dem SPD-Antrag deshalb zustimmen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Arndt Klocke [GRÜNE]: Jetzt könnt ihr klatschen!)

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