Monika Düker: „So schluderig sollte man mit dem Dienstrecht und mit unseren Beschäftigten nicht umgehen“

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung über die Gewährung einer einmaligen Corona-Sonderzahlung - zweite Lesung

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Alle drei Gesetzentwürfe, über die wir heute abstimmen, belegen aus unserer Sicht einmal mehr, dass von den hoch ambitionierten Zielen aus dem Koalitionsvertrag, den öffentlichen Dienst attraktiver zu machen, nach fünf Jahren Regierungsbilanz nicht mehr viel übrig geblieben ist, Herr Witzel.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

So gering Ihre Reformbereitschaft auf der einen Seite ist, so groß ist in der Selbstwahrnehmung nämlich Ihre Selbstbeweihräucherung gegenüber dem, was Sie in jeder Anhörung mit massiver Kritik von den Beschäftigten selbst zurückgemeldet bekommen haben. Hören Sie denen doch mal zu!

Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst – in der Polizei, bei den Feuerwehren, der Finanzverwaltung oder in der Schule – leisten einen Beitrag für das Funktionieren unseres Gemeinwesens. Ihr Umgang ist von fehlender Wertschätzung, von fehlender Augenhöhe, von verpassten Chancen und von einem Reformminimalismus geprägt, den wir uns nicht mehr leisten können.

Das Ergebnis sind doch die immer neuen Höchststände bei den unbesetzten Stellen und der sich immer weiter verschärfende Fachkräftemangel. Den stiefmütterlichen Umgang mit dem öffentlichen Dienst können wir uns im Kampf um die besten Köpfe im Land schlicht nicht mehr leisten. Nehmen Sie die Realitäten zur Kenntnis!

(Beifall von den GRÜNEN)

Das zeigen auch wieder diese drei Gesetzentwürfe: Bei der Übertragung des Tarifergebnisses, der wir selbstverständlich zustimmen, wurde beispielsweise die Gelegenheit verpasst, die seit Jahren unveränderten Erschwerniszulagen insgesamt anzupassen und das Zulagenwesen zu reformieren, wie es andere Länder und der Bund gemacht haben.

Immerhin soll es für beamtete Pflegekräfte höhere Schichtzulagen geben, aber es ist rational nicht nachvollziehbar, wenn Polizei‑ und Feuerwehrbeamte offenbar weniger berechtigt sein sollen, in Nächten oder an Sonn‑ und Feiertagen eine erhöhte Erschwerniszulage zu bekommen, die im Vergleich zum Bund inzwischen um 2 Euro niedriger liegt. Herr Witzel, ich frage mich: Warum sind Ihnen Polizisten und Feuerwehrleute weniger wert als Pflegepersonal?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es ist schon mehrfach angesprochen worden, dass Sie unsere Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger bei der Gewährung der tariflich vereinbarten Coronasonderzahlung im Regen stehen lassen. Nach dem Auslaufen des letzten Tarifvertrags Ende September sollen sie bis zum 1. Dezember 2022 insgesamt 14 Monate lang leer ausgehen.

Eine Nullrunde in diesem Jahr, in dem auch Pensionäre höhere Belastungen haben – Inflation, Preissteigerungen und höhere Krankenversicherungsbeiträge –, ist besonders für die unteren Besoldungsgruppen ungerechte und unsoziale Politik.

Die komba, die hier in NRW und nicht irgendwo anders ist, schilderte uns in der Anhörung eindrucksvoll die Situation der Feuerwehrleute. Wir haben 15.000 hauptamtliche Feuerwehrleute, von denen 85 % im mittleren Dienst in A8 und in A7 sind. Diese Feuerwehrleute erreichen den Versorgungshöchstsatz von knapp 72 % häufig nicht. Im Ruhestand zählt jeder Euro. Diese Personengruppe steckt die Preissteigerung nicht einfach weg, das können sie nicht kompensieren. Unterstützung: Fehlanzeige!

Mit der Umsetzung der verfassungsrechtlichen Entscheidung zur Besoldung von Familien mit bis zu zwei Kindern haben Sie sich wieder einmal sehr lange Zeit gelassen. Genauer gesagt haben Sie bis auf den allerletzten Drücker gewartet, obwohl die Entscheidung schon seit zwei Jahren bekannt ist.

Sie schicken den Verbänden Ihre Vorschläge mit wenigen Tagen Zeit für die Prüfung. Auch das hat in dieser Regierung leider Methode. An einer ernsthaften Rückmeldung der Verbände ist Ihnen überhaupt nicht gelegen. So verkommt das Anhörungsrecht mit dieser Regierung zu einer Alibiveranstaltung.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Damit möglichst viele Berechtigte – Stichwort „Auf-den-allerletzten-Drücker-Strategie“ – auf ihre Ansprüche verzichten müssen, gibt es wieder einmal keine Rückwirkung.

Herr Minister, wir haben in dem ganzen Verfahren keine Antwort von Ihnen zu den geäußerten Zweifeln gehört, ob die Umsetzung durch die regionalen Ergänzungszuschläge zum Familienzuschlag verfassungskonform ist. Nicht nur der Bund der Richter und Staatsanwälte hält diesen Weg für hochproblematisch, weil sich mit den hohen familienbezogenen Besoldungsbestandteilen die Besoldung nicht mehr an der verfassungsrechtlich vorgegebenen Wertigkeit des Amtes orientiert. Fraglich ist auch, ob das Abstandsgebot so eingehalten werden kann.

So schluderig sollte man mit dem Dienstrecht und mit unseren Beschäftigten nicht umgehen. Weitere Klagen werden hier nicht auf sich warten lassen.

Ich schaffe es von der Redezeit her nicht mehr, auf A13 einzugehen. Dazu trudeln die Klagen auch schon ein.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Offensichtlich machen Sie erst dann etwas, wenn Ihnen das Verfassungsgericht das zur Umsetzung ins Stammbuch schreibt und nicht proaktiv; denn auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit warten die Lehrerinnen und Lehrer in diesem Land mit dieser Regierung vergeblich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Politik, die Sie hier machen, geschieht nach dem Motto: nur machen, was unbedingt nötig ist. Mit dieser Methode werden wir unseren öffentlichen Dienst aber nicht stärken, und wir werden im Kampf um die besten Köpfe ins Hintertreffen gelangen. Das ist schlecht für die Beschäftigten,

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

und das ist eine schlechte Politik für dieses Land. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. Es wurde eine Kurzintervention von Herrn Abgeordneten Witzel angemeldet, dem ich jetzt das Wort für 90 Sekunden für eine Kurzintervention gebe. Ihnen steht es frei, am Rednerpult oder von Ihrem Platz aus darauf zu erwidern.

(Monika Düker [GRÜNE]: Ich bleibe hier stehen! Hier können wir uns besser angucken! Das ist, glaube ich, kommunikativer!)

Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin Düker, Sie haben mich eben namentlich angesprochen. Deshalb darf ich erst einmal feststellen: Uns beiden ist bekannt, dass es in dieser Wahlperiode von der schwarz-gelben Mehrheit eine Ausbildungs- und Einstellungsoffensive im Bereich der Justiz, im Bereich der Polizei – dort beginnen aktuell jedes Jahr fast 2.800 Anwärter – und im Bereich der Finanzverwaltung gegeben hat. Außerdem sind die Studienplatzkapazitäten für die Lehramtsstudiengänge im Bereich der Primarstufe erhöht worden. All das ist geschehen.

(Christian Dahm [SPD]: Ich bin begeistert!)

Sie sagen jetzt allen Ernstes – ich habe mir das notiert –, das, was Sie vortragen, sei seit Jahren überfällig. Wenn ich mir die Bilanz Ihrer rot-grünen Regierungszeit nach zwei Legislaturperioden ansehe, dann stelle ich fest, dass Sie vom Verfassungsgerichtshof verurteilt worden sind, weil Sie das absolut Notwendige, das rechtlich Erforderliche nicht gemacht haben.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Der Koalition werfen Sie vor, wir würden nur das Notwendige machen, obwohl Sie selber verfassungsrechtlich vorgeworfen bekommen haben, dass Sie bei Weitem nicht das Notwendige gemacht haben. Sie fordern hier mehr Handlungen ein und haben Ihren Wortbeitrag gerade mit „A13 für alle“ geschlossen.

Frau Kollegin Düker, wenn das alles Ihre Anliegen sind, warum haben Sie das, was für Sie heute angeblich selbstverständlich ist,

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

in den zwei Legislaturperioden Ihrer eigenen Mehrheit nicht gemacht?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank für die Kurzintervention, Herr Abgeordneter Witzel. – Frau Kollegin Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Herr Witzel, danke für die Kurzintervention. Dadurch habe ich die Gelegenheit, hier noch einmal Stellung zu nehmen.

Zu Ihren Stellen, die Sie neu geschaffen haben, halte ich Ihnen ein Zitat von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft aus der Anhörung entgegen: Stellen unterrichten keine Kinder.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich habe hier auch nicht von einem Stellenaufwuchs gesprochen, sondern über die Höchststände. Sie wissen genau, dass diese Höchststände im Grundschulbereich und in der Sek. I sind. Genau da warten die Lehrkräfte auf Ihr Versprechen „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, das Sie am Anfang dieser Legislaturperiode abgegeben haben.

(Zuruf von Stefan Lenzen [FDP])

Ich rede hier von Ihrem Koalitionsvertrag, den Sie 2017 unterschrieben haben.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

In Ihrem Koalitionsvertrag steht: Wir machen …

(Ralf Witzel [FDP]: Da steht das nicht drin!)

– Da steht das nicht drin, das haben Sie am Anfang – hören Sie gut zu –der Legislaturperiode versprochen.

(Ralf Witzel [FDP]: Nein!)

Die Zitate sind bekannt.

(Ralf Witzel [FDP]: Ja!)

Wir reden über Ihren Koalitionsvertrag, denn es ist Ihre Regierung. Wir reden über Ihren Koalitionsvertrag und darüber, was Sie angekündigt haben. In Ihrem Koalitionsvertrag steht etwas über eine

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

umfassende Attraktivitätsoffensive und darüber, dass Sie im Kampf um die besten Köpfe mit diesem öffentlichen Dienst Spitzenreiter werden wollen. Auch da halte ich Ihnen ein Zitat aus der Anhörung entgegen. Herr Lehmann von der Steuer-Gewerkschaft sagte: Diese Attraktivitätsoffensive haben Sie gründlich versemmelt. – Dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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