I. Ausgangslage
Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen ist systemrelevant. Ob für die Produktion von hochwertigen Lebensmitteln, den Natur- und Artenschutz, die Pflege und Sicherung der Naturräume oder die Strukturen im ländlichen Raum – unsere Landwirtinnen und Landwirte erfüllen eine tragende Rolle in unserer Gesellschaft. Grundlage ihrer Tätigkeit sind landwirtschaftlich nutzbare und fruchtbare Böden.
Boden ist jedoch kein vermehrbares Gut und der Verlust wertvoller Acker- und Weideflächen durch Bebauung und Versiegelung beeinträchtigt die verbrauchernahe Erzeugung von Nahrungsmitteln. Seine Versiegelung hat gravierende ökologische Auswirkungen auf das Oberflächen- und Grundwasser, die Pflanzen- und Tierwelt, die Luft, das Klima und die Landschaft. Die Erhaltung der natürlichen Filter-, Puffer- und Lebensraumfunktionen von landwirtschaftlich und forstlich genutzten Böden ist deshalb von besonderer gesellschaftlicher Bedeutung.
Mit ca. 47 Prozent der Gesamtfläche ist fast die Hälfte der Fläche Nordrhein-Westfalens in landwirtschaftlicher Nutzung. Der Anteil der Wälder beträgt 24,8 Prozent, der Siedlungs- und Verkehrsflächen 23,7 Prozent. Während das Bundeswald- und das Landeswaldgesetz den Waldanteil durch den sogenannten Waldausgleich bei Inanspruchnahme von Waldflächen sichern, geht die Flächenneuinanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrsflächen vollständig zu Lasten der Landwirtschaft. Diese Wirkung erhöht sich für die Landwirtinnen und Landwirte noch durch die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach der Naturschutz- und Baugesetzgebung
Der Siedlungsdruck aus den Städten und Kommunen heraus beeinflusst den landwirtschaftlichen Bodenmarkt im gesamten Land. Landverkäufe durch Landwirtinnen und Landwirte sowie Forstwirtinnen und Forstwirte können von diesen nur durch Wiederanlage des Kaufpreises in land- und forstwirtschaftlichen Flächen steuerunwirksam gemacht werden. Das wiederum treibt die landwirtschaftlichen Bodenpreise zusätzlich. Dies hat neben dem zunehmenden Druck durch nicht-landwirtschaftliche Investoren, mit dazu beigetragen, dass die Bodenpreise in Relation zu den Ertragswerten stark angestiegen sind.
Im Jahr 2020 betrug der Bodenpreis für landwirtschaftliche Nutzfläche in NRW durchschnittlich 59.470 Euro/ha und belegte damit nach Bayern (63.986 €/ha) deutschlandweit den zweiten Platz. Der Bodenpreis hat sich in Nordrhein-Westfalen in den letzten 10 Jahren verdoppelt.
Gleichzeitig halbierte sich die am landwirtschaftlichen Bodenmarkt gehandelte Fläche in Nordrhein-Westfalen. 2020 wurden in Nordrhein-Westfalen 2.109 landwirtschaftliche Grundstücke mit einer Fläche von 2.963 Hektar verkauft. Das entspricht einem Anteil an der Landwirtschaftlichen Nutzfläche von knapp 0,2 Prozent. Dies ist ein deutliches Zeichen dafür, dass der landwirtschaftliche Bodenmarkt in Nordrhein-Westfalen klein ist und die Verkehrswerte auf dem landwirtschaftlichen Bodenwert nur sehr begrenzt durch die innerlandwirtschaftlichen Wirtschaftsverhältnisse bestimmt werden.
Es ist deshalb sinnvoll und u. a. dringend erforderlich,
- die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen kräftig zu drosseln. Dazu eignet sich vor allem die Bereitstellung von heute ungenutzten, aber bebauten, v. a. innerörtlich gelegenen Grundstücken. Die Kosten für Abriss und Entsiegelung von sogenannten „Schrott-Immobilien“ und aufgegebenen Gewerbe- und Verkehrsflächen können zumindest teilweise durch eine Änderung der Kompensationsverordnung bei Inanspruchnahme von unbebauten landwirtschaftlichen Grundstücken bereitgestellt werden. Die höchste ökologische Wertigkeit bei Ausgleichsmaßnahmen muss die Wiederaufbereitung innerört-licher Brachflächen haben.
- mit der Gründung einer neuen gemeinnützigen Landgesellschaft bzw. der Erweiterung der Aufgaben des in NRW tätigen gemeinnützigen Siedlungsunternehmens NRW.URBAN GmbH & Co. KG allen Beteiligten auf dem Bodenmarkt Nordrhein-Westfalens eine Einrichtung zur Verfügung zu stellen, die konkrete Hilfestellung bei der Entschärfung von Konflikten leisten kann. Von den Flächenländern des Bundes verfügen lediglich Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz nicht (mehr) über eine Landgesellschaft. Landgesellschaften können durch die Ausübung des Vorkaufsrechts nach dem Grundstücksver-kehrsgesetz die Position aktiver Landwirtinnen und Landwirte auf dem Bodenmarkt stärken. Sie können über den Zwischenerwerb oder durch den Aufbau eines Flächenpools und das Angebot von Tauschflächen landwirtschaftsverträgliche Entwicklungsschritte von Städten und Gemeinden erleichtern. Auch die Anlage von Ökokonten und die Umsetzung von Biotopverbundmaßnahmen kann unter Einbeziehung von Bodenordnungsmaßnamen einvernehmlich mit den Landwirtinnen und Landwirten etwa im Rahmen der Umsetzung der EU-WRRL ist vor Ort möglich.
Im Jahr 2019 haben Landgesellschaften bundesweit 641 Verkaufsfälle mit einer Fläche von rund 4.250 ha geprüft und in 148 Fällen das Vorkaufsrecht nach dem Grundstücksverkehrs-gesetz ausgeübt. In den alten Bundesländern haben Landgesellschaften rund 3.000 ha Agrarflächen gekauft und ca. 2.600 ha verkauft. Ihr Flächenreservoir betrug gut 18.600 ha. Die Landgesellschaften in den neuen Bundesländern haben 2019 rund 2.660 ha erworben und 1.640 ha verkauft. Ihr Flächenreservoir betrug rund 46.000 ha.
Eine gemeinnützige Landgesellschaft in Nordrhein-Westfalen kann also Nutzungskonflikte im ländlichen Raum entschärfen, Landwirtinnen und Landwirten Entwicklungsmöglichkeiten sichern und die Umsetzung von Schutzgebieten im Wasser- und Naturschutz einvernehmlich ermöglichen.
In diesem Kontext wäre auch die Befreiung der Landwirtschaft von der Zahlung der doppelten Grunderwerbssteuer beim Flächentausch über eine gemeinnützige Landgesellschaft ein großer Schritt. Diese fällt bei der Ausübung des Vorkaufsrechts durch eine gemeinnützige Landgesellschaft oder einer vergleichbaren Einheit unter dem Dach einer bestehenden Siedlungsgesellschaft und bei der Weiterveräußerung der erworbenen Flächen an Landwirtinnen und Landwirte an. Dies erhöht den Kostenfaktor der Landwirtschaft, zu deren Vorteil das Vorkaufsrecht ausgeübt wird und kann einen Flächenerwerb verhindern. Der Wegfall der Besteuerung des Zweiterwerbs würde die Landwirtschaft einem Dritten gleichstellen und Wettbewerbsnachteile abbauen.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
- Betriebliches Wachstum über den Flächenerwerb ist für landwirtschaftliche Betriebe in immer geringerem Maße möglich, selbst bei für die Betriebsstättenerweiterung unmittelbar benötigten Flächen.
- Die Flächenbereitstellung von landwirtschaftlichen Flächen für öffentliche Belange (Infrastrukturmaßnahmen, Biotopvernetzungsmaßnahmen) scheitert häufig an der Ersatzland-bereitstellung.
- Vielen Kommunen erlaubt die Haushaltslage nicht den aktiven Zwischenerwerb von Grundstücken zur Unterstützung kommunaler Entwicklungsvorhaben.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- die Gründung einer neuen gemeinnützigen Landgesellschaft oder unter Neubenennung die Erweiterung der Aufgaben des in NRW tätigen gemeinnützigen Siedlungsunternehmen NRW.URBAN GmbH & Co. für die nachhaltige Flächennutzung und Flächenentwicklung zu prüfen, um den Schutzes wertvoller landwirtschaftlicher Flächen mit dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums und der landwirtschaftlicher Betriebe zu unterstützen.
Dazu soll geprüft werden:
- ob der Landgesellschaft die im Landesbesitz befindlichen landwirtschaftlichen Flächen übertragen werden können und
- ob die Landgesellschaft mit einem durchsetzungsfähigen Vorkaufsrecht im Sinne des Grundstücksverkehrsgesetzes ausgestattet werden kann und
- ob die Landgesellschaft eine rasche Weiterveräußerung zu landwirtschaftlichen Zwecken sicherstellen kann.
- die bisherige Bodenmarkttransparenz zu überprüfen, um die Veröffentlichung von landwirtschaftlichen Verkaufsflächen so auszugestalten, dass anliegende landwirtschaftliche Betriebe gezielt von der Landwirtschaftskammer NRW über die Verkaufsabsicht informiert werden.
- zu prüfen ob, die doppelte Zahlung der Grunderwerbsteuer beim zeitnahen Wiederverkauf im Rahmen des Vollzugs des Grundstückverkehrsgesetzes (GrdstVG) durch die gemeinnützige Landgesellschaft vermieden werden kann.
- eine Landeskompensationsverordnung nach § 200a des Baugesetzbuchs, die die Zurverfügungstellung von bebaubaren Flächen innerhalb bestehender Bebauungspläne durch Abbruch und Entsiegelung mit der höchsten ökologischen Wertigkeit versieht, zu erlassen.