Monika Düker: „Größter Verlierer dieses Rettungsschirms sind die Kommunen, das Stiefkind dieser Regierung“

Zu Bericht des Haushalts- und Finanzausschuss

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir Grüne haben dem Corona-Rettungsschirm vor zwei Jahren hier im Parlament gerne zugestimmt, weil die Folgen der Coronakrise finanziell auch in NRW abgefedert werden mussten und auch weiterhin müssen. Darüber gibt es hier im Haus große Einigkeit.

Bewusst wurde damals die Zweckbindung im Gesetz sehr allgemein definiert. Im NRW-Rettungsschirmgesetz heißt es in § 2 Abs. 1 – ich zitiere –:

„Das Sondervermögen hat die Aufgabe, die Einnahmen zur Finanzierung aller direkten und indirekten Folgen der Bewältigung der Corona-Krise zu bündeln.“

Das ist erst einmal sehr allgemein gefasst und macht den Rettungsschirm sehr flexibel, was im Grunde richtig ist. Aber danach muss man ja die Frage beantworten: Was sind nun die direkten und indirekten Folgen? Oder, anders gefragt: Für welche Bedarfe gibt es nun Geld?

Klar ist das noch, wenn es um Testinfrastruktur an den Schulen, Krankenhausmehrbedarfe oder die Impfinfrastruktur geht.

Nach Ansicht der Landesregierung ist es aber auch eine coronabedingte Folge, wenn die Polizei einen Back-up-Server oder neue Smartphones braucht; denn auch das wurde aus diesem Rettungsschirm finanziert.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Sonst hätte die Polizei die heute noch nicht!)

Nach Ansicht der Landesregierung ist es keine Coronafolge und nicht finanzierungswürdig, wenn zum Beispiel Luftfilter in Klassenräumen angeschafft werden sollen, und zwar auch für Räume, die Fenster haben, damit man die Hygienemaßnahmen an den Schulen besser unterstützt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist offenbar für diese Landesregierung keine Folge der Bewältigung der Coronakrise.

Herr Mathies, ich gönne den Polizeivollzugsbeamten ihre Handys – nicht dass ich falsch verstanden werde. Aber das sollte doch bitte aus dem ordentlichen Haushalt finanziert werden.

An diesem Beispiel wird deutlich, was diesem Rettungsschirm fehlt, Herr Minister: ein Gesamtkonzept, Leitlinien, ein Plan für die Bewirtschaftung.

Stattdessen herrscht häufig ein wirklich nicht immer durchschaubarer Lobbyismus, und es gibt Mitnahmeeffekte. Herr Witzel, genau die Mitnahmeeffekte, die der Landesrechnungshof angemahnt hat, existieren real in diesem Rettungsschirm, was zur Unterfinanzierung auf der einen Seite und zur Überfinanzierung auf der anderen Seite führt.

Es gibt auch keine einheitlichen Standards der Bedarfsmessung. Der Vorsitzende hat es hier sehr diplomatisch angedeutet. Die Sitzungen im HFA wären wesentlich kürzer, wenn die Anträge und Bedarfe wesentlich deutlicher hergeleitet, berechnet und prognostiziert würden. Offenbar meldet da jeder so, wie er möchte.

Dazu wieder ein Beispiel: das Abfedern der Problemlagen von Vereinen. 59 Millionen Euro – eine stolze Summe – stehen seit anderthalb Jahren hierfür zur Verfügung. Erst kam das Sonderprogramm „Heimat, Tradition und Brauchtum“, dann das Sonderprogramm „Neustart miteinander“. Und was müssen wir Ende 2021 bilanzieren? Gerade einmal 4 Millionen Euro wurden verausgabt.

Da wurde doch offensichtlich komplett am Bedarf vorbei geplant. Schaut man sich einmal die konkrete Kalkulationsgrundlage an, sieht man, dass 18.000 Anträge angenommen wurden, die eingehen, mit durchschnittlich 3.000 Euro Antragsvolumen. Heruntergerechnet wären das für 396 Kommunen im Schnitt 45 abgesagte Veranstaltungen – in jedem Dorf in unserem Land. Das war komplett überdimensioniert. Klar ist: Das Geld wurde auch nicht abgerufen.

Achtung, jetzt kommt die Fortsetzung: Wir hatten im letzten Ausschuss dann die fünfte Vorlage zu diesen Sonderprogrammen. Nach „Heimat, Tradition, Brauchtum“ und „Neustart miteinander“ kommt jetzt das dritte Sonderprogramm mit dem originellen Titel „Zukunft Brauchtum“. Aber auch hier fehlt Konkretes komplett. Es wird mit drei dürren Sätzen erklärt, dass man da jetzt doch noch einmal die Vereine nachfinanzieren muss. Wofür und was genau förderfähig ist, bleibt weiter im Dunkeln.

Klar bleibt nur – uns erreichen nach wie vor Hilferufe gerade aus den Karnevalsvereinen –, dass das viele Geld offenbar nicht da ankommt, wo es gebraucht wird. Ich erwarte dann die sechste Vorlage zu diesem Problem. Die wird mit Sicherheit kommen, weil hier nach wie vor hoher Bedarf ist, der durch das viele Geld offenbar nicht abgedeckt wird.

Gleichzeitig – und das ist das Problem, das ich hier ansprechen will – wird die Fortsetzung eines sehr gut laufenden Programms abgelehnt, nämlich die Unterstützung notleidender Künstlerinnen und Künstler. Warum? – Der Vorschlag kam von der Opposition, von den Grünen. Mit viel Druck gab es dann in der Folgesitzung doch noch ein Einsehen bei der Landesregierung. Auch das ist eine Erfahrung, die wir im Ausschuss mit diesem Programm gemacht haben.

Die Liste der Programme, deren Bedarf erst nach Antragstellung der Opposition erkannt wurde, lässt sich fortsetzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dafür reicht meine Redezeit hier nicht.

Es ist gut, dass dann doch auf die Opposition gehört wurde. Aber richtig durchdacht und strukturell-konzeptionell angedacht wurde der Rettungsschirm bislang nicht.

Größter Verlierer – wirklich letzter Satz, Frau Präsidentin, der muss sein –

(Heiterkeit von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

dieses Rettungsschirms sind die Kommunen, das Stiefkind dieser Regierung; denn es wurde nur einmal und dann nur die Hälfte

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

der Gewerbesteuerausfälle kompensiert.

(Andreas Keith [AfD]: Das ist aber ein langer Satz!)

Ab 2021 gab es dann nichts mehr, nur noch Kreditierung. Sie treiben mit dieser Politik …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Düker.

Monika Düker (GRÜNE): … die notleidenden Kommunen weiter in die Schuldenspirale, anstatt ihnen herauszuhelfen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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