Monika Düker: „Zuschauen reicht in dieser Situation nicht“

Zum Haushaltsplan 2022 - Schule und Bildung

Monika Düker (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt steigende Inzidenzen bei Schülerinnen und Schülern, steigende Quarantänezahlen und die eindeutige Empfehlung vom Präsidenten des RKI, die Maskenpflicht an Schulen bis zum Frühjahr beizubehalten.

Was fällt der Schulministerin angesichts dieser Lage ausweislich ihrer Presseerklärung vom Dienstag ein? Ich zitiere aus der Überschrift:

„Wir überwachen den Schulbetrieb streng und beobachten die Entwicklung weiterhin sehr genau“

Liebe Frau Gebauer, Zuschauen reicht in dieser Situation aus unserer Sicht nicht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich persönlich kann Lothar Wieler verstehen, wenn er inzwischen an Politik wie Ihrer verzweifelt, die wissenschaftlichen Empfehlungen mit einer solchen hartnäckigen Ignoranz begegnet und einfach auf ein Weiter-so setzt.

Aber es geht nicht nur um die Masken. Es geht auch um andere Maßnahmen, um den Schutz von Kindern und Jugendlichen zu stärken und um den Präsenzunterricht zu sichern.

Nehmen wir die Lüftungsgeräte. Auch da könnten Sie jede Menge machen. Das erste Landesprogramm 2020 umfasste noch 50 Millionen Euro, kam viel zu spät – der Herbst hielt schon Einzug, als die Förderrichtlinien vorlagen –, war sehr bürokratisch, grenzte einen Großteil der Klassenräume aus und wurde fast nicht abgerufen.

Jetzt nun: Lüftungsprogramm II, zweiter Anlauf 2021, diesmal ein Bundes- und Landesprogramm. Stattliche 90 Millionen Euro stehen zur Verfügung. Immerhin konnte man hier schon Ende August die Mittel abrufen und Anträge stellen. Aber wiederum: viel Bürokratie, viele Einschränkungen – nur für Kinder über zwölf, nicht zu lüftende Räume usw.

Mit Stand 27. Oktober fragten wir den Abruf im Haushalts- und Finanzausschuss ab. Mit Stand 27. Oktober waren 3,2 Millionen Euro von 90 Millionen Euro bewilligt. Das ist eine Abrufquote von mickrigen 3,5 %.

Was hindert Sie daran, Frau Ministerin, die Rückmeldung zum Bedarf endlich ernst zu nehmen, an den Förderrichtlinien etwas zu verändern und für alle Schulen und für alle Schülerinnen und Schüler ein eigenes Landesprogramm aufzulegen, das dann auch wirklich vor Ort ankommt, und die Kommunen mit der Finanzierung nicht weiter alleine zu lassen? Unsere Unterstützung hätten Sie für ein solches Programm.

(Beifall von den GRÜNEN und Frank Müller [SPD])

Man kann doch als Antwort auf unsere Frage im HFA, warum die Programmmittel nicht abgerufen werden, nicht sagen: Die haben halt keinen Bedarf. Die wollen keine Geräte.

(Zuruf von Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung)

– Nein, das war im Haushalts- und Finanzausschuss. Es wurde gefragt, warum das Geld nicht abgerufen wird. Die Antwort war, es bestünde ja kein Bedarf.

Dann muss man sich einmal vor Ort erkundigen. Natürlich ist der Bedarf da. Viele Kommunen finanzieren das eben aus eigener Tasche. Da muss man doch einmal reflektieren, ob das vielleicht auch an seinem Programm liegt und nicht nur an den ignoranten Kommunen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Der Koalitionsvertrag im Kapitel „Bildung“ – Kollege Ott hat es schon gesagt – ist an Superlativen eigentlich nicht zu überbieten. Nichts weniger als weltbeste Bildung sollte es werden in unseren Schulen.

Wenn das Ihr Ziel war, frage ich Sie, Frau Ministerin, zum letzten Haushalt in dieser Legislaturperiode:

Warum haben wir dann nicht die zugesagte – Achtung: Koalitionsvertrag – 105%ige Lehrerversorgung an Grundschulen,

(Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Weil Sie uns einen Scherbenhaufen hinterlassen haben!)

sondern am Ende Ihrer Amtszeit nur 94,2 %? Warum sind 6.848 Planstellen nicht besetzt?

Warum haben Lehrkräfte für Grundschulen und Sekundarstufe I immer noch nicht den zugesagten gleichen Lohn für gleiche Arbeit?

Warum liegt der Sanierungsstau bei den Schulgebäuden immer noch mit 9 Milliarden Euro auf einem Höchststand?

Warum ist im Ruhrgebiet immer noch jede dritte Schule eine sogenannte Brennpunktschule an herausfordernden Standorten, wo die zugesagten Sozialindexstellen nicht angekommen sind?

Warum verweigern Sie – immerhin als FDP-Politikerin; das muss man sich einmal vorstellen – Schulen in freier Trägerschaft die notwendigen Mittel für die Umstellung auf G9, die Sie den kommunalen Schulen doch geben? Sie müssen ja die Voraussetzungen genauso erfüllen, bekommen aber nicht die Mittel dafür, sich auf G9 einzustellen.

Schlussendlich: Warum, Frau Ministerin, steigen die Etatansätze im Bildungsbereich unterdurchschnittlich zum Gesamtetat?

So geht beste Bildung in unserem Land nicht.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich habe so etwas im Unterausschuss Personal und im HFA noch nicht erlebt: Unisono haben alle Sachverständigen heftig genau diese Defizite thematisiert.

Die Antwort auf die Frage, warum das so ist, liegt ja auf der Hand: weil die Schulpolitik in diesem Kabinett nicht den politischen Stellenwert hat, den unsere Bildung in diesem Land verdient.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Frau Ministerin, Sie hätten die Chance gehabt. Das Geld wurde von der Vorrednerin ja schon angesprochen. Sie hätten die Chance gehabt, zugesagte Maßnahmen umzusetzen, als Sie sich in den Jahren 2018 und 2019 über stetig steigende, sprudelnde Steuereinnahmen freuen konnten.

Ich nenne nur ein Beispiel. Allein die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer stiegen seit 2017, unserem letzten Etat, von 3,1 Milliarden auf 4,1 Milliarden Euro im Jahr 2022. Das wäre ein konkreter Vorschlag, weil ja angeblich kein Geld da sein soll. Allein mit diesen Steuermehreinnahmen hätten Sie beispielsweise den Einstieg in eine gerechte Bezahlung aller Lehrkräfte schaffen können.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wenn Sie denn schon Ihr Versprechen brechen, den Menschen von diesen Mehreinnahmen sehr viel zurückzugeben – das hatte Armin Laschet ja gesagt –, dann hätten Sie das Geld doch in gute Bildung investieren können.

Sie hätten auch die Chance gehabt, aus dem schulscharfen Index ein wirkungsvolles Instrument zu machen und nicht nur einen Verschiebebahnhof, wie er gerade geplant ist. Auch hier hörten wir sehr deutliche Worte von den Verbänden, dass das Ziel, gleiche Bildungschancen für alle zu schaffen, mit den verschobenen 250 Stellen eben nicht erreicht werden kann. Hier müssen dann Schulen auch noch um Ressourcen ringen und untereinander kämpfen.

Sie können selbstverständlich auch – das hätten Sie mit diesem Haushalt auch machen können; wir hätten dem auch sehr gerne zugestimmt – den Schulen in freier Trägerschaft die Mittel für die Umstellung auf G9 geben. Das sind 12 Millionen Euro jedes Jahr. Die Berechnungen liegen Ihrem Haus vor. Bis 2026 muss es, glaube ich, umgesetzt werden. Das ist ein stufenweiser Plan. Es sind 12 Millionen Euro pro Jahr. Die Berechnungen kennen Sie. Das liegt alles in Ihrem Haus vor.

Auch diese Schulen sind gesetzlich verpflichtet, G9 einzusetzen, bekommen aber die Mittel dafür nicht.

(Jochen Ott [SPD]: So ist es!)

Vielleicht haben Sie ein komplett gestörtes Verhältnis zum Finanzminister, der heute nicht hier ist. Aber unsere Unterstützung hätten Sie bei der Bereitstellung dieser Mittel gehabt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wenn man nicht erkennt, dass diese Probleme – wie gesagt: lesen Sie sich einmal die Protokolle der Anhörungen durch – so eklatant auf dem Tisch liegen, dann hat das schon etwas von Realitätsverweigerung. Sie wollen das alles hier auch noch schönreden, wie wir gleich wieder hören werden.

(Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Ich habe ja noch gar nicht geredet!)

– Sie werden sich wahrscheinlich gleich wieder – das macht diese Regierung ja am liebsten – selber loben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich zitiere nur einmal aus der Anhörung zum Thema „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Statt den Einstieg mit A13 für alle gab es den sogenannten 5%igen Beförderungskegel an den Grundschulen. „5 % Beförderungsämter funktionslos“ ist alles, was diese Regierung für Grundschullehrerinnen und ‑lehrer an Brosamen anbietet.

Dazu sagte Stefan Behlau vom VBE in der Anhörung des Unterausschusses Personal – ich zitiere –:

„Es ist ein Hohn. Wir reden von 5 % Beförderungsämtern in den Grundschulen. 10 % haben wir immerhin in den Hauptschulen, 40 % und mehr in den anderen Schulformen.“

So sein Vergleich und seine sehr deutlich vorgetragene Klage. Und das ist nur eine Rückmeldung von sehr vielen, die wir hier in der Anhörung zu verzeichnen haben.

Frau Ministerin, als Haushaltspolitikerin habe ich da den Vergleich und den Überblick. Ich kann Ihnen sagen: Es gab in keinem anderen Fachbereich eine so deutliche – ich will gar nicht „Empörung“ sagen – tiefe Frustration, weil hier auch Vertrauen verspielt wurde, weil Zusagen nicht eingehalten wurden und weil das, was diese Regierung macht, vor Ort nicht dazu dient,

(Beifall von Regina Kopp-Herr [SPD])

dass das – da komme ich zum Anfang zurück –, was in Ihrem Koalitionsvertrag postuliert wurde, nämlich gleiche Bildungschancen für alle, beste Bildung für alle sowie Schule und Bildung als Priorität der Politik dieser Landesregierung, umgesetzt wurde. Dieses Versprechen haben Sie nicht erfüllt. Das spricht in diesem Haushalt mal wieder eine sehr deutliche Sprache.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)