Mehrdad Mostofizadeh: „Die anderen werden dafür verantwortlich gemacht, dass gar nichts passiert ist“

Zum Haushaltsplan 2022 - Kommunales

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Sträßer, erst einmal auch von dieser Stelle aus meine Genesungswünsche und gute Besserung!

Ich möchte einen Aspekt aufgreifen, den Sie gerade in Ihrer Rede thematisiert haben. Sie haben über Heimat gesprochen. Ich hatte aber eher den Eindruck, dass Sie über Heimatfilme gesprochen haben.

Sie wollten hier im Rahmen eines Übertünchens der wahren Verhältnisse eine heile Welt vorspiegeln, die es in Wirklichkeit nicht gibt, um sich der wahren Probleme dieses Landes nicht annehmen zu müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist kein adäquater Umgang mit dem Thema „Kommunalfinanzierung in Nordrhein-Westfalen“.

Weil Sie aus dem Kreis Mettmann kommen, will ich Ihnen das an zwei Stellen deutlich machen – und ich werde schon ein bisschen fuchtig, wenn ich sehe, wie man das klittern kann –: Diese Landesregierung hat einen Stärkungspakt übernommen, mit dem immerhin 5,6 Milliarden Euro Landesgeld zur Stärkung der kommunalen Haushalte übergeben worden sind. In Ihrem Koalitionsvertrag steht, dass Sie die Altschulden zu einer Altschuldenhilfe fortentwickeln wollten. Nicht der Bund oder Olaf Scholz oder irgendjemand, sondern Sie wollten das machen. Geschehen ist nichts, Sie haben sich der Problematik in dieser Legislaturperiode schlicht nicht angenommen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Sie haben aus dem Koalitionsvertrag zitiert, und da kommen wir an eine entscheidende Stelle. Wer das kundig liest, wird feststellen müssen, dass es auf diese Landesregierung ankommen wird, ob der Altschuldenfonds, der im Koalitionsvertrag angedeutet worden ist, Wirklichkeit wird. Es kommt nämlich darauf an, ob die B-Seite bereit ist, bestimmten Bundesländern mit eigenen Mitteln, mit einer Grundgesetzänderung oder mit einer neuen Struktur zu helfen.

Ich bin sehr gespannt, was Herr Wüst macht, ob er kooperativ ist, ob Frau Scharrenbach Konzepte auf den Tisch legt oder das passiert, was immer passiert ist: Die anderen werden dafür verantwortlich gemacht, dass gar nichts passiert ist. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, so kann es nicht weitergehen.

(Beifall von Arndt Klocke [GRÜNE] – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir reden immerhin über 22 Milliarden Euro Altschulden; Kassenkredite plus die Coronakosten, die jetzt noch dazukommen. Deswegen ist es nicht in Ordnung, dass die Mittel im Gemeindefinanzierungsgesetz nun erneut kreditiert werden. Das ist nichts anderes als das, was man auch über die NRW.BANK machen könnte: ein zurückzuzahlender Kredit. Dazu hätte es der Landesregierung nicht bedurft. Wenn Sie es ernst meinen, müssten Sie das ohne Kreditierung in den Landeshaushalt schreiben.

Das sind nicht nur Zahlenspiele, sondern wir reden darüber – Ihr Bundesvorstandsmitglied Thomas Kufen hat Ihnen das sicher ins Stammbuch geschrieben –, dass wir in vielen Städten in Nordrhein-Westfalen Klimainvestitionen tätigen und Schulen, Kultureinrichtungen und vieles andere finanzieren müssen. Das wird aber nicht gehen, wenn die Städte große Beträge ihres Haushaltes für die Abzahlung dieser Altschulden auf den Tisch legen müssen. Das haben Sie fachlich immer anerkannt, getan haben Sie allerdings nichts.

Noch krasser ist, wie Sie, Kollege Sträßer – bei allem Respekt – darüber hinwegzutäuschen versuchen, dass hier tatsächlich nicht fachlich argumentiert wird. Sie haben selber zugegeben, dass gesagt wird: Die einen kriegen die Grunddatenanpassung – in Klammern: nicht einmal so, wie es hätte sein müssen –, und die anderen bekommen dafür gestaffelte fiktive Hebesätze. Das ist keine fachliche Auseinandersetzung mit dem GFG, das ist schlicht ein Basar und macht deutlich, dass diese Landesregierung nicht die Kommunen stärken will, sondern nur den Interessenausgleich in der CDU-Fraktion und der Koalition suchen will. So macht man kein GFG, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bei den letzten beiden Punkten möchte ich auf das Thema „Investitionen“ blicken: Ja, es wäre gut, mehr Investitionen zu bekommen, und es scheint auf den ersten Blick auch interessant zu sein, dass die Investitionspauschalen im GFG angehoben werden. Aber das führt zu einer weiteren Verschärfung für diejenigen, die eine schlechte Steuerkraft haben.

Sinnvoller wäre es gewesen, vernünftige Klimaschutzprogramme oder Ausbauprogramme für den ÖPNV oder den Radverkehr aufzulegen. Das alles machen Sie nicht, sondern verteilen das Geld immer wieder um, anscheinend zu Ihren Parteigängerinnen und Parteigängern. Das ist kein gutes GFG, Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Da wir auch nach vorne schauen wollen: Ich kann uns allen nur raten – und das würde ich seitens der Grünenfraktion auch ausdrücklich anbieten –, die Hausaufgaben gemeinsam anzugehen, die jetzt in diesem GFG nicht gemacht worden sind, nämlich die Lösung der Altschuldenfrage, eine faire Finanzierung und einen Neustart für die Kommunen hinzubekommen, die es aus eigener Kraft nicht schaffen werden.

Man könnte vielleicht eine Arbeitsgruppe einsetzen, die gegenüber dem Bundesfinanzminister und der Bundesregierung deutlich macht, dass wir diese Frage lösen wollen, sonst haben wir hier ein fulminantes Problem, das die komplette neue Legislaturperiode unnötig belasten wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)