Monika Düker: „Stellen Sie sich diesem Problem, und starten Sie die Debatte auf Augenhöhe mit den Gewerkschaften!“

Zum Haushaltsplan 2022 - Ministerium der Justiz

Monika Düker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Einzelplan 04 ist ein sehr personalintensiver Einzelplan. Auch in diesem Einzelplan müssen wir besorgniserregende Entwicklungen verzeichnen, denn auch dieser Einzelplan liegt mit fast 9 % unbesetzten Stellen deutlich über dem Landesschnitt.

Frau Kollegin Erwin, ich glaube, Sie verschließen hier die Augen vor den Realitäten und den bestehenden Problemen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Nur mit der Schaffung neuer Planstellen, die wir natürlich unterstützen, kann man die Probleme im Strafvollzug sowie bei unseren Staatsanwaltschaften und Gerichten derzeit nicht lösen, sondern – damit die Stellen auch besetzt werden können – nur mit einem attraktiven öffentlichen Dienst.

Schauen wir auf den Strafvollzug. Unser aller Anspruch ist es doch hoffentlich, einen behandlungsorientierten Vollzug sicherzustellen, der auf Resozialisierung ausgerichtet ist, um damit natürlich auch den größtmöglichen Schutz für die Bevölkerung durch niedrige Rückfallquoten zu gewährleisten. Dafür brauchen wir allerdings gut ausgebildete, motivierte und angemessen besoldete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dazu gehört es auch als Dienstherr, Herr Minister, im Vollzug berufliche Weiterentwicklungen und Zukunftsperspektiven zu eröffnen.

Der Bund der Strafvollzugsbediensteten hat uns im Unterausschuss Personal mit einer eindrücklichen Stellungnahme darauf aufmerksam gemacht, dass sich sowohl in der unteren Laufbahngruppe 1 mit dem zweiten Einstiegsamt als auch in der Laufbahngruppe 2 mit dem ersten Einstiegsamt Veränderungen im Berufsbild ergeben haben. Die Aufgabenbereiche haben sich verändert, sodass wir nicht mehr von einer funktionsgerechten Besoldung sprechen können.

Zu Recht wird hier erwartet, dass mehr Aufwertung für diese Stellen erfolgt, mehr Durchlässigkeit nach oben, mehr Entwicklung und mehr Perspektiven ermöglicht – kurzum: mehr Anreize gesetzt – werden, um die Stellen auch besetzen zu können und wir qualifizierte Beschäftigte gewinnen.

Nicht nur in diesen eher unteren und mittleren Bereichen, sondern auch bei der Besoldung der Spitzenfunktionen im Vollzug haben wir Probleme – das wissen Sie, Herr Minister –, Leitungen von Justizvollzugsanstalten zu besetzen. Dies war früher auch schon so, aber das Problem verschärft sich.

Schauen wir uns mal an, welche Besoldung man für die Leitung einer Justizvollzugseinrichtung bekommt:

Das Maximum ist A16, A16 mit Zulage. Das bekommt zum Beispiel der Leiter der Justizvollzugsanstalt in Düsseldorf. Da sind 500 bis 800 Häftlinge untergebracht, es gibt ca. 350 Bedienstete. Es ist eine große Herausforderung, so eine Haftanstalt zu leiten. Man kann sich vorstellen, wie viele Probleme da tagtäglich anfallen und welche Verantwortung man hat. Frau Ministerin Gebauer, ich möchte keiner Lehrkraft zu nahe treten, aber ich meine, ein Gymnasiallehrer verdient dasselbe. Dann muss man sich überlegen, ob das nachvollziehbar ist und diese Besoldung der Grund ist, warum wir keine gut qualifizierten Menschen für die Leitung von Justizvollzugseinrichtungen gewinnen können.

Im Wettbewerb um die besten Köpfe können wir, können Sie, Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, nicht morgen die ganz große Besoldungsreform machen. Das ist doch allen klar, aber wir müssen uns der Debatte um strukturelle Verbesserungen erst einmal stellen, wenn wir künftig ausreichend qualifizierte Beschäftigte für die Arbeit im Justizvollzug gewinnen wollen.

Das gleiche gilt für den Bereich der Gerichte und Staatsanwaltschaften. Hier gibt es ebenfalls besorgniserregende Stellenbesetzungsquoten: Bei den Staatsanwaltschaften waren es 12 %, bei den Gerichten 8 %. Hier gilt schon längst nicht mehr das Prinzip der Bestenauslese. Das haben wir uns in einer Anhörung im Unterausschuss Personal eindringlich schildern lassen. Auch hier haben wir ein Attraktivitätsproblem und ein Besoldungsproblem. Schon lange können im Landesdienst nicht mehr zu 100 % sogenannte Prädikatsjuristen eingestellt werden, da liegt die Quote gerade einmal bei 60 % der Stellen.

Was verdient denn ein Richter, eine Richterin als Berufsanfängerin? – 3.500 Euro netto im Monat. Das mag erst einmal viel erscheinen, aber die großen Kanzleien zahlen längst 100.000 Euro im Jahr. Wir können mit diesen Gehältern selbstverständlich nicht konkurrieren, und deswegen bleibt es mir unverständlich, warum wir im gesamten Prozess der Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Dienstes, dieser groß angekündigten Offensive, nicht einen Millimeter weitergekommen sind.

Nicht ein Vorschlag der Gewerkschaften zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zur Abschmelzung der Kostendämpfungspauschale, zu einem verbesserten Angebot für Lebensarbeitszeitkonten wurde aufgegriffen. All das wären kleine Elemente gewesen, die die Stellen im Bereich der Justiz hätten attraktiver machen können.

Wir müssen uns diesem Problem stellen. Sie alle wissen, dass wir sehr bald große Pensionierungswellen haben werden, und dann werden die Probleme nicht kleiner, sondern größer. Stellen Sie sich diesem Problem, und starten Sie die Debatte auf Augenhöhe mit den Gewerkschaften! – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)