Josefine Paul: „Wir müssen unsere Kinder und Jugendlichen mehr in Bewegung bringen“

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Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, natürlich will auch ich es nicht versäumen, Sie in der Sportfamilie zu begrüßen. Allerdings muss ich sagen – auch wenn der Kollege Nettekoven gerade erklärt hat, in Nordrhein-Westfalen sei Sport Chefsache –: Das ist zwar vom Organigramm her richtig, lässt aber ein wenig außen vor, dass Sie, Herr Ministerpräsident Wüst, im Ausschuss und auch sportfachlich immer ganz hervorragend von Staatssekretärin Milz vertreten werden. Das darf man an dieser Stelle auch mal erwähnen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Auf das Sportstättensanierungsprogramm, das 300-Millionen-Programm, ist bereits vielfach hingewiesen worden. Natürlich ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Der Sanierungsstau der Sportstätten in Nordrhein-Westfalen ist groß. Dass diese 300 Millionen Euro auf den Weg gebracht wurden, ist ein guter und richtiger Einstieg.

Nichtsdestotrotz müssen wir feststellen, dass die Sportstättensanierung auch in Nordrhein-Westfalen eine Mammutaufgabe ist. Es geht einerseits um die Vereinssportstätten und um den vereinsgebundenen Sport. Andererseits würde ich mir nach wie vor wünschen, dass wir mehr in die Richtung kommen, eine strukturelle und strukturierte Sport- und Bewegungsplanung in den Kommunen zu unterstützen.

Denn wir haben einerseits den vereinsgebundenen Sport, der nicht zuletzt mit seiner ehrenamtlichen Arbeit, mit seiner Kinder- und Jugendförderung etc. ein sehr wichtiger zivilgesellschaftlicher Baustein ist. Andererseits haben wir sehr viel Bewegung über vereinsungebundenen Sport, und auch dafür braucht es selbstverständlich eine gute und sichere Infrastruktur.

Dies kommt leider in dem 300-Millionen-Programm zu kurz. Da brauchen wir eine Verbesserung. Eine Möglichkeit wäre es gewesen, durch die NRW-Koalition für handlungsfähige Kommunen zu sorgen,

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

denn am Ende des Tages sind 80 % der Sportförderungen in Deutschland kommunale Förderungen. Dazu braucht man allerdings Kommunen, die in der Lage sind, überhaupt noch Investitionen auch und gerade in die Sportstätteninfrastruktur zu stemmen. Das haben diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen leider versäumt, und das hat unmittelbare Auswirkungen auf die Sportstätteninfrastruktur.

Nicht zuletzt wäre es gut, wenn das Land unmittelbar noch mehr in die Unterstützung der Sportinfrastruktur gehen würde.

Im Koalitionsvertrag auf Bundesebene – der eine oder die andere konnte vielleicht schon hineinspinksen – wird davon gesprochen, dass es mehr Mittel für die Sportstättenförderung auf Bundesebene geben soll, auch und gerade für die Bäder. Denn – dies ist ebenfalls bereits angeklungen – die Frage der Schwimmhallen, der Schwimmflächen und der Schwimmfähigkeit beschäftigt uns nicht zuletzt im Sportausschuss immer wieder. Leider muss man feststellen, dass die Pandemie die Situation noch einmal verschärft hat. Wir haben jetzt zwei Jahrgänge, bei denen wir befürchten müssen, dass sie im Grunde genommen Nichtschwimmerinnen und Nichtschwimmer sind, dass wir dort eine Bugwelle von jungen Menschen haben, die wir natürlich noch zu sicheren Schwimmerinnen und Schwimmern ausbilden wollen.

Hier hat die Landesregierung noch nicht besonders viel geliefert. Wie oft haben wir über die Frage der alternativen Wasserflächen gesprochen? Wie oft haben wir über kreative Konzepte gesprochen, und wie wenig ist dabei am Ende des Tages jenseits von Ankündigungen – man sei im Gespräch – tatsächlich herumgekommen?

Der Aktionsplan „Schwimmen lernen in NRW“ entfaltet mit Blick auf die Herausforderungen, vor denen wir stehen, noch nicht die nötige Schlagkraft. – Herr Ministerpräsident, ich habe wohlwollend gehört, dass Sie in Ihrer Regierungserklärung auf das Schwimmenlernen eingegangen sind, aber ich will Ihnen auch sehr deutlich sagen: Das darf keine Ihrer Schaufensterreden bleiben.

(Beifall von den Grünen und Dr. Nadja Büteführ [SPD])

Die Koalition will den Kinder- und Jugendsport stärken, aber die gerade eingebrachten Änderungsanträge mit wirklich relativ kleinen Summen, um die es hier geht, sind auch nicht der große Wurf, den wir hier brauchen.

Schon vor der Pandemie haben wir mit der Situation zu kämpfen gehabt, dass nur vier von fünf Heranwachsenden überhaupt die WHO-Empfehlungen zur Mindestbewegung am Tag – 45 Minuten – erreichen. Das Problem ist: Wir müssen unsere Kinder und Jugendlichen mehr in Bewegung bringen.

Dazu erscheint mir das, was hier vorgelegt worden ist, einfach noch zu wenig.

Das ist zwar keine originäre Zuständigkeit des Sportausschusses und damit auch nicht des Sporthaushalts, aber der Mangel an real erteiltem Sportunterricht in Schulen ist ja nicht erst seit der Coronapandemie ein Problem. Auch hier hat die Landesregierung nichts geliefert, um diesem Problem entgegenzuwirken.

Ich bin der Auffassung, dass wir die Frage von Bewegungsmangel und gesundheitlichen Folgen sowie auch von motorischen Defiziten mehr in den Blick nehmen müssen, und zwar ressortübergreifend. Sonst kommen wir bei dem, was den Schulsport, den Vereinssport, die alltagsintegrierte Bewegung betrifft, nicht weiter. Wir müssen das gesunde Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen mehr in den Mittelpunkt der Politik stellen.

Herr Nettekoven, Sie haben es gerade so schön gesagt: Sport ist die schönste Nebensache der Welt. – Insbesondere mit Blick auf den Kinder- und Jugendsport würde ich mir wünschen, dass es keine politische Nebensache bleibt.

(Beifall von den GRÜNEN)

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